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Verbände fordern Konsequenzen aus der Serie tödlicher Fahrradunfälle in Dortmund

Große Kreuzung, schlechter Radweg, Konfliktgrün: So werden Radfahrende von abbiegenden Kfz gefährdet. (Foto: Peter)

In den vergangenen zwölf Monaten hat es in Dortmund drei tödliche Radfahrer-Unfälle gegeben, die sich alle nach demselben Muster ereigneten: Ein rechts abbiegender Lkw missachtet den Vorrang des geradeaus fahrenden Radfahrers und verursacht einen tödlichen Unfall. Zwei der Unfälle ereigneten sich an Kreuzungen der Mallinckrodtstraße, der Dritte unweit davon an der Bornstraße.

Keiner dieser Unfälle hätte sich so ereignet, wenn es an diesen Kreuzungen getrennte Grünphasen für Abbieger des motorisierten Verkehrs und geradeaus fahrenden Radverkehr gegeben hätte.
Drei Menschen würden noch leben, darunter ein elfjähriges Kind.

Gefärbte Furtmarkierungen und vorgezogene Aufstellflächen sind an vielen Stellen zweifelsfrei eine Option – an großen, unübersichtlichen Kreuzungen mit viel Autoverkehr schaffen sie aber keine ausreichende Sicherheit. Vorgezogene Aufstellflächen etwa helfen nur bei roter Ampel, fließt der Verkehr bei Grün, bleibt die Gefahr bei rechtsabbiegenden Autos bestehen.

Auf Initiative von VeloCityRuhr haben die Fahrradinitiativen und -verbände ADFC, VCD, VeloKitchen und VeloCityRuhr deshalb gemeinsam mit dem Behindertenpolitischen Netzwerk, FUSS, dem Runden Tisch zur Prävention für Kinderunfällen und dem Seniorenbeirat der Stadt Dortmund einen Forderungskatalog aufgestellt:

1. Getrennte Grünphasen für Abbieger des motorisierten Verkehrs einerseits und geradeaus fahrende Radfahrer und Fußgänger andererseits an fünf gefährlichen Kreuzungen der Mallinckrodtstraße: Schützenstraße, Uhlandstraße, Leopoldstraße, Bornstraße und Brunnenstraße.

2. Bei allen Sanierungen, Um- und Neubaumaßnahmen werden die Fahrradstreifen auch im Kreuzungsbereich mindestens in Regelbreite nach den „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen” (ERA) ausgeführt (Schutzstreifen 1,5 m, Radfahrstreifen 2 m an stark und 1,85 m an schwach befahrenen Straßen). Denn Radfahrstreifen und Schutzstreifen sind an vielen Kreuzungen zu schmal, so dass Radfahrer schlecht zu sehen sind, zu eng überholt und unnötig gefährdet werden.

3. Alternativen zu stark befahrenen Straßen werden als Fahrradstraßen ausgebaut und für den Radverkehr optimiert. Auf diese neuen Verbindungen wird auch durch Radwegweisung hingewiesen.
Führungen des Radverkehrs über Nebenstraßen sind oft mit Umwegen, Zickzack und Zeitverlust verbunden. In der Nordstadt gibt es jedoch mehrere sehr direkte, verkehrsarme Parallelstrecken zu den Hauptverkehrsstraßen, die sich durch gezielte Maßnahmen für den Radverkehr ertüchtigen und zu Fahrradstraßen ausbauen ließen. So könnte ein großer Teil des Radverkehrs sicher, direkt und schnell über diese Nebenstraßen abgewickelt werden. Durch die geringere Kfz-Geschwindigkeit und das Fehlen der konfliktträchtigen, großen Knoten steigt das Sicherheitsniveau. Die Notwendigkeit, auch die Hauptstraßen sicher zu gestalten, bleibt aber bestehen, weil dort wichtige Quellen und Ziele des Radverkehrs liegen.
In der Nordstadt gibt es vier Verbindungen, die sich für den Ausbau als Fahrradstraßen gut eignen.

Erstens eine Strecke parallel zur Mallinckrodtstraße, beginnend an der Osterlandwehr, weiter über Lütgenholz, Herold-, Prior-, Westerbleich- bis hin zur Feldherrn- und Fichtestraße. Hier müssten unter anderem die Querungen Oestermärsch sowie Born-, Leopold- und Schützenstraße verbessert werden, am Spähenfelde braucht es eine Rampe.
Nördlich der Mallinckrodtstraße muss eine Route von der Stollenstraße über Haydn-, Erwin- und Bülow- bis Lagerhausstraße für den Radverkehr ausgebaut werden.
Als Nord-Süd-Verbindungen bieten sich Uhland- und Burgholzstraße an. Die südliche Anbindung der Burgholzstraße kann entweder über Leuthard-, Krim- und Nordstraße oder über Leuthard-, Münster- und Kleine Burgholzstraße erfolgen. In beiden Fällen wären Verbesserungen der Fahrbahndecke und eine verbesserte Querung der Mallinckrodtstr. erforderlich.

Die Einrichtung einer Fahrradstraße darf sich nicht auf das Anbringen eines Fahrradstraßenschilds beschränken. Eine Fahrradstraße muss an die Erfordernisse des Radverkehrs angepasst werden. Bei den genannten Straßen sind das vor allem verbesserte Querungen, Deckensanierungen, Vorfahrtsänderungen und der Um- oder Abbau nicht fahrradverträglicher Aufpflasterungen.

Führungen des Radverkehrs über Nebenstraßen sind oft mit Umwegen, Zickzack und Zeitverlust verbunden. In der Nordstadt gibt es jedoch mehrere sehr direkte, verkehrsarme Parallelstrecken zu den Hauptverkehrsstraßen, die sich durch gezielte Maßnahmen für den Radverkehr ertüchtigen und zu Fahrradstraßen ausbauen ließen. So könnte ein großer Teil des Radverkehrs sicher, direkt und schnell über diese Nebenstraßen abgewickelt werden. (Karte: OpenStreetmap/VeloCityRuhr)

4. Jährlich werden an einem Fünftel der Kreuzungen, an denen aufgrund der Übersichtlichkeit und geringen Größe keine getrennten Grünphasen erforderlich sind, die Furten für den Radverkehr farbig markiert, so dass der Prozess nach fünf Jahren abgeschlossen ist. Dazu wird im Bestand ein Material verwendet, das auch bei Nässe nicht rutschig wird. Bei allen Sanierungen, Um- und Neubaumaßnahmen werden die Furten mit gefärbtem Asphalt hergestellt. Wo der Radverkehr auf Schutz- oder Radfahrstreifen geführt wird, werden aufgeweitete Radaufstellstreifen angelegt.

5. Wahlfreiheit wird ermöglicht. Wer die Fahrbahn nutzen möchte, darf nicht daran gehindert werden. Aufhebung der teilweise noch bestehenden Benutzungspflichten auf der Mallinckrodtstraße und den kreuzenden Straßen. Überleitungen von Radfahrstreifen und Radwegen auf die Fahrbahn anbieten. Verdeutlichung der Wahlfreiheit durch Piktogramme.

6. Die Unfallkommission legt dem Beirat Nahmobilität der Stadt Dortmund jährlich einen Bericht über Verkehrsunfälle mit Fußgänger- und Radfahrer-Beteiligung vor. Dortmund hat ein Problem mit der Sicherheit der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer, besonders im Radverkehr. Vor diesem Hintergrund ist es nicht vermittelbar, warum dem Beirat und den Radverbänden die Erkenntnisse der Unfallkommission vorenthalten werden sollen.

An der Schützenstraße sind die angesprochenen Probleme gut zu erkennen. Der Radweg am Ende des Radfahrstreifens ist nicht benutzungspflichtig, aber es gibt keine Überleitung auf die Fahrbahn, so dass ein legaler Wechsel nicht möglich ist und Rad- und Autofahrende nicht darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Nutzung der Fahrbahn mit dem Rad zulässig ist. (Foto: Peter)
Im weiteren Verlauf hat jemand Stellplätze angelegt, in der Folge ist der verbleibende Seitenraum für Fuß- und Radverkehr eine Zumutung. Zudem ist so im direkten Zulauf zur Kreuzung die Sichtlinie versperrt. (Foto: Peter)
Und so haben wir an der folgenden Kreuzung Schützenstraße/Grüne Straße alle Probleme, die entstehen, wenn ein Radweg schlecht gemacht ist: Sichthindernisse, große, unübersichtliche Kreuzung, Furtmarkierung völlig abgefahren und kaum erkennbar, Radweg ausgeblichen und für Autofahrer schlecht erkennbar und der Kurvenradius begünstigt hohe Kfz-Geschwindigkeit. Ohne getrennte Grünphasen werden Radfahrende auf einem derart schlechten Radweg von abbiegenden Kfz gefährdet. (Foto: Peter)
(Foto: Peter)
(Foto: Peter)
Immer noch Grün für beide. (Foto: Peter)
Solange es unbenutzbare „Infrastruktur“ für den Radverkehr gibt (hier: Hoppelgehweg, Radfahrer frei), muss Wahlfreiheit durch Markierungen verdeutlicht werden. Positivbeispiel für Verdeutlichung der Wahlfreiheit aus Dortmund. (Foto: Peter)
Wahlfreiheit durch Piktogramme verdeutlichen. Positivbeispiel aus Castrop-Rauxel. (Foto: Peter)
Ein massenhaftes Problem auf den vorgeschlagenen Fahrradstraßen: nicht fahrradverträgliche Aufpflasterungen. Hier wird ein Radfahrer in den gefährlichen Türbereich eines parkenden Autos gedrängt. (Foto: Peter)
Man hätte einfach mal jemanden fragen sollen, der sich mit so was auskennt. (Foto aus den Niederlanden: Peter)

Peter Fricke

Peter aus Dortmund schreibt mit der Absicht, auch von jenseits der Stadtgrenzen zu berichten. Interessiert sich für Infrastruktur und die Frage, wie man des Rad als Verkehrsmittel für die große Mehrheit attraktiv machen kann. Ist leider nicht in der Lage, mit Falschparkern auf Radverkehrsanlagen gelassen umzugehen. Per E-Mail erreichbar unter peter.fricke, dann folgt das übliche Zeichen für E-Mails, und dann velocityruhr.net.

8 Gedanken zu „Verbände fordern Konsequenzen aus der Serie tödlicher Fahrradunfälle in Dortmund

  • Kai Teranski

    Die Schützenstraße ist nicht umsonst bereits seit über fünfzehn Jahren entschildert. Die richtige Forderung muß an der Stelle lauten, den Schrottradweg zwischen Grüne- und Mallinckrodtstraße ganz zu entfernen. Gegebenfalls mit Anordnung von Tempo 30 auf der Schützenstraße. Mischverkehr ist dort problemlos möglich, da sich die Kfz wegen Parksuchverkehr nur langsam bewegen.

    Deshalb hat es mich sehr geärgert, daß an der Kreuzung Mallinckrodt- / Schützenstraße die Furten Rot markiert wurden. Dadurch wird der Schrottweg wieder aufgewertet. Es ist kein Zufall, daß der tödliche Unfall gerade in dem Teil der Schützenstraße passierte, der den Radverkehr *nicht* auf der Fahrbahn führt, so wie nördlich und südlich.

    Getrennte Ampelphasen sind dort nicht zu erwarten, denn dazu müsste erst die Fahrbahn in zwei Fahrstreifen für Geradeaus und Rechts aufgeteilt werden. Das wird an den meisten Kreuzungen mangels Platz gar nicht möglich sein. Man sollte schon genau überlegen, was man da fordert. Getrennte Ampelphasen für den Radverkehr gibt es bis jetzt in keiner deutschen Stadt durchgehend ausgeführt und das wird auch noch lange so bleiben, schätze ich.

    Von daher würde ich mir wesentlich mehr Initiative für Radverkehr auf der Fahrbahn wünschen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß das Potenzial dafür riesig ist. Auch bei den Personen, die das bis jetzt noch nicht wollen bzw sich nicht trauen.

    Die Stelle in Castrop ist übrigens ziemlich gefährlich, wenn man sie nicht kennt. Da der Streifen genau da endet, wo die Fahrbahn durch die Verkehrsinseln verengt wird. Wenn man da ein Kfz auf gleicher Höhe hat, kann es sehr eng werden.

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    • Norbert Paul

      Von daher würde ich mir wesentlich mehr Initiative für Radverkehr auf der Fahrbahn wünschen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß das Potenzial dafür riesig ist. Auch bei den Personen, die das bis jetzt noch nicht wollen bzw sich nicht trauen.

      Wenn man sich dafür einsetzt, brauch man sich seine Feinde nicht mehr suchen.

      Antwort
    • „Die Schützenstraße ist nicht umsonst bereits seit über fünfzehn Jahren entschildert. Die richtige Forderung muß an der Stelle lauten, den Schrottradweg zwischen Grüne- und Mallinckrodtstraße ganz zu entfernen. Gegebenfalls mit Anordnung von Tempo 30 auf der Schützenstraße. Mischverkehr ist dort problemlos möglich, da sich die Kfz wegen Parksuchverkehr nur langsam bewegen.“

      Ich glaube, da ist schon Tempo 30. Und zeitweise richtig viel Verkehr und Chaos durch Zweite-Reihe-Parker. Immer wieder muss man also ausscheren und gleichzeitig mit dem Gegenverkehr verhandeln, auf mögliche Dummheiten des rückwärtigen Verkehrs achten, blind ausparkende Schrägparker einplanen und Fußgänger, die nach Gehör queren sowieso. Du kommst damit klar, ich komm damit klar und manche der heutigen Radfahrenden kommen damit klar. Entspannt ist es nicht, für Kinder geeignet ist es nicht, und um Menschen aus dem Auto zu holen, ist es unbrauchbar. Dazu braucht man Qualität.
      Die Strecke ist ein sehr schönes Beispiel dafür, dass es eben nicht immer ausreicht, Tempo 30 zu fordern.

      „Getrennte Ampelphasen für den Radverkehr gibt es bis jetzt in keiner deutschen Stadt durchgehend ausgeführt und das wird auch noch lange so bleiben, schätze ich.“

      Wir fordern keine durchgehende Umsetzung von getrennten Ampelphasen, sondern nur für fünf Kreuzungen an der Mallinckrodtstraße. An sehr großen Kreuzungen und an Stellen, an denen eine fürchterliche Infrastruktur besteht, die so niemals hätte gebaut werden dürfen, können sie eine Lösung sein.

      „Von daher würde ich mir wesentlich mehr Initiative für Radverkehr auf der Fahrbahn wünschen.“

      Der Entwurf der Forderungen und der Punkt Wahlfreiheit sind von mir. Und ich habe eine Reihe von Anträgen zur Aufhebung von Benutzungspflichten laufen, die nicht bearbeitet werden, weil die Stadt gerade damit beschäftigt ist, im großen Stil illegales Gehwegparken zu „legalisieren“. Aber ich habe eben auch verstanden, dass die Aufhebung von Benutzungspflichten nur für 5% der Radfahrenden relevant ist.

      „Ich bin mir ziemlich sicher, daß das Potenzial dafür riesig ist. Auch bei den Personen, die das bis jetzt noch nicht wollen bzw sich nicht trauen.“

      Und ich bin mir ziemlich sicher, dass das eine Fehleinschätzung ist, deren Umsetzung weitere zwanzig verlorene Jahre mit verfestigter Dominanz des Autos bedeuten würde. Die Evidenz dafür ist überwältigend, und darum ist das mittlerweile ja auch weitestgehend Konsens.

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      • Norbert Paul

        Die Dominanz des Autoverkehrs brechen, indem man ihm die Fahrbahnen frei räumt, ist eine nicht inbedingt intuitive Logik und historisch interessant, da die Forderung nach Radwegen mit dem Automobil aufkam und nicht mit dem Rad.

        Wer einen weitesgehendenden Konsens in der Frage feststellt – egal wie er inhaltlich den Konsens bestimmt – nimmt das Diskursfeld nicht wirklich wahr. Und man sollte die überschaubare Gruppe junger und mittelalter Männer, die im Internet einfache Wahrheiten verkünden, in ihrer Anzahl und Bedeutung für das reale Handeln in der deutschen Verkehrsplanung nicht überschätzen. Dieses Millieu adressiert vielmehr zuerst auf die Medien, die, wenn die Geschichte besonders gut klingt, ja offenbar gar nicht mehr hinterfragen. Das kann das Millieu deutlich besser als die von Ingenieuren geprägt Verkehrsplanung, deren Stärke nicht gerade in der emotionalisierten Visualisierung von Ideen besteht.

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        • „historisch interessant, da die Forderung nach Radwegen mit dem Automobil aufkam und nicht mit dem Rad. “

          Das ist schlichtweg falsch. Die Forderung nach Radwegen kam auf, lange bevor das Automobil Relevanz hatte. Es ging vielmehr um für Fahrräder besser, d.h. leichter und komfortabler befahrbare Wege, als es auf den damaligen, hauptsächlich für Reiter, Kutschen und Fuhrwerke konzipierten Straßen und Wegen möglich war. Schon damals war klar: manchmal ist die Fahrbahn einfach nicht gut genug. Erst deutlich später kamen als zweites und drittes Motiv Sicherheitsüberlegungen und Verflüssigung des Autoverkehrs dazu.

          Wer Veränderung verhindern will, kann sich natürlich willkürlich das letzte der drei Motive herausgreifen und darauf herumreiten. Alle anderen fragen, was die Menschen hier und heute auf Rad bringt und was man von den erfolgreichen Städten lernen kann.

          „Die Dominanz des Autoverkehrs brechen, indem man ihm die Fahrbahnen frei räumt, ist eine nicht inbedingt intuitive Logik.“

          Die Vorstellung, Veränderung zu erreichen, indem man den Autoverkehr mit den paar Radfahrenden ärgert, die Mischverkehr attraktiv finden, ist nicht gerade erfolgsversprechend. Und sie ist noch nicht mal in sich schlüssig, denn wenn man das Ärgern von Autofahrern zum Ziel hat, ist Radinfastruktur sehr viel besser geeignet. Die braucht nämlich Platz, und der muss vom fließenden und vor allem vom ruhenden Kfz-Verkehr kommen. Und nichts schmerzt den Autofahrer mehr, als der Wegfall von Parkplätzen.

          Erfolgsversprechender als stumpfes Autofahrer-Ärgern ohne Plan ist allerdings ein anderer Ansatz: Alternativen zum Auto attraktiv machen, so das politische Gewicht der Alternativen erhöhen, und dann mit diesem Gewicht die Alternativen weiter stärken und Restriktionen fürs Auto durchsetzen. Schritt für Schritt.

          Was passiert, wenn man die Bedeutung von politischem Gewicht für die Alternativen zum Auto unterschätzt, konnte man neulich in der Dortmunder Lokalpresse lesen. Da gab es einen ausgewogenen, noch relativ zahmen Plan aus dem Beirat Nahmobilität, wonach ein Teil der Gehwege dem Fußverkehr vorbehalten sein sollte. Es folgte ein wenig Aufregung in der Presse, ein Bezirksbürgermeister, der meint, ohne Gehwegparken müsse man ganze Stadtviertel schließen und ein Oberbürgermeister, der die Angelegenheit mit den Worten „keine Schnellschüsse“ beerdigt hat. Und nun läuft ein groß angelegtes, mutmaßlich illegales Programm zur Legalisierung des massenhaften Gehwegparkens.

          „Das kann das Millieu deutlich besser als die von Ingenieuren geprägt Verkehrsplanung“

          Es ist ja gerade „die von Ingenieuren geprägte Verkehrsplanung“, die mittlerweile ganz überwiegend verstanden hat, dass man den Nutzern zuhören muss.
          Egal, wohin man weltweit schaut: neue Regelwerke zum Radverkehr berücksichtigen, dass die Menschen nicht zusammen mit schnellem und/oder zahlreichem Autoverkehr unterwegs sein wollen und übernehmen daher teils die Erfolgsrezepte der Niederlande und teils die besonders schnell umsetzbaren geschützten Radfahrstreifen aus Nordamerika.

          Endlich. Hat ja lange genug gedauert.

          Antwort
          • Norbert Paul

            Du meist die Radsport- und Freizeitverbände die ihre Freizeitstrecken im Grünen wollten und dann laut Canzler et. al. in großer personeller Kontinuität die Motorsportclubs gründeten. Da ging es um Landschaftsgenuss und Leibesertüchtigung etc. Erst mit dem Autoverkehr kommt die Monofunktionalisierung der Fahrbahn und auch schon damals mit der verqueren Logik begründet, nicht die Gefahr zu entschärfen, sondern die Gefährdeten zu verbannen. Wobei alle Aussagen immer mit gewissen Vorbehalten zu versehen sind, da das jetzt nicht das so umfassend erforschte Feld ist und die vorliegenden Studien keine Abschätzungen zur Reichweite bestimmter Positionen zu lassen.

            > Wer Veränderung verhindern will, kann sich natürlich willkürlich das letzte der drei Motive herausgreifen und darauf herumreiten.

            Von welchen Motiven redest du?

            > Alle anderen fragen, was die Menschen hier und heute auf Rad bringt und was man von den erfolgreichen Städten lernen kann.

            Ich frag mich weiterhin, wie man die Leute aus dem Auto bekommt. Das ist mit einem steigenden Kfz-Aufkommen inkompatibel vom Ziel, mehr Radverkehr hingegen schließt einen weiteren Anstieg des Kfz-Aufkommen nicht aus.

            Und Großteile des Radverkehrsnetz sind auch in deinen Referenzstrecken keine Radschnellwege, PBL etc. Wenn’s so wäre, würden diese Statistiken ganz sicherlich rumgereicht.

            > Die Vorstellung, Veränderung zu erreichen, indem man den Autoverkehr mit den paar Radfahrenden ärgert, die Mischverkehr attraktiv finden, ist nicht gerade erfolgsversprechend.

            Nur aus der Windschutzscheibenperspektive oder aus Sicht der CDU-Verkehrspolitik kann man auf die Idee kommen, dass gleichberechtigter Radverkehr dazu dient, Autofahrer zu ärgern.

            > Die braucht nämlich Platz, und der muss vom fließenden und vor allem vom ruhenden Kfz-Verkehr kommen. Und nichts schmerzt den Autofahrer mehr, als der Wegfall von Parkplätzen.

            Also doch Radverkehrsförderung zu Lasten des Fußverkehrs. Die ganzen „Parkplätze“ sind ja meist eigentlich Fußverkehrsflächen.

            > Erfolgsversprechender als stumpfes Autofahrer-Ärgern ohne Plan ist allerdings ein anderer Ansatz: Alternativen zum Auto attraktiv machen, so das politische Gewicht der Alternativen erhöhen, und dann mit diesem Gewicht die Alternativen weiter stärken und Restriktionen fürs Auto durchsetzen. Schritt für Schritt.

            Das ist die Grundidee der Verkehrsplanung seit Jahrzehnten und der Ausbau des ÖPNV hat nur zur Erhöhung des Verkehrsaufkommens beigetragen ohne dass es weniger MIV gibt.

            > Und nun läuft ein groß angelegtes, mutmaßlich illegales Programm zur Legalisierung des massenhaften Gehwegparkens.

            Und das sagt mir jetzt was zu den diskutierten Fragen? Und wer hat das Programm beschlossen?

            „Das kann das Millieu deutlich besser als die von Ingenieuren geprägt Verkehrsplanung“

            Es ist ja gerade „die von Ingenieuren geprägte Verkehrsplanung“, die mittlerweile ganz überwiegend verstanden hat, dass man den Nutzern zuhören muss.

            Aber man muss nun mal nicht nach deren Pfeife tanzen. Die meisten Planer müssen heute das Dilemma bewältigen, dass lautstarke Gruppen – auch wenn sie es selber gar nicht brauchen – meinen, überall müsste lieber schlechte Radinfrastruktur hin als gar keine, weil sonst fährt keiner Rad – obwohl sie ja selber zeigen, dass es auch ohne geht, aber meist obj. nur Platz für wenig überzeugende Lösungen ist und man fachlich das gar nicht für nötig erachtet. Planer*innen, die auf der PBL-Welle begeistert mitsurfen, habe ich bisher nicht getroffen. Wird es sicherlich auch geben. Und dann gibt es auch noch die selbsternannten Experten, die auch gerne mal sich selber bescheinigen Standardwerke zu veröffentlichen. Spätestens wenn man hinter verantwortlich ist für die Planungen, sind die Dinge meist etwas komplexer als sich das Laien denken.

            > Egal, wohin man weltweit schaut: neue Regelwerke zum Radverkehr berücksichtigen, dass die Menschen nicht zusammen mit schnellem und/oder zahlreichem Autoverkehr unterwegs sein wollen und übernehmen daher teils die Erfolgsrezepte der Niederlande und teils die besonders schnell umsetzbaren geschützten Radfahrstreifen aus Nordamerika.

            bei entsprechenden Straßenquerschnitten und -aufteilungen.0

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            • >> Die braucht nämlich Platz, und der muss vom fließenden und vor allem vom ruhenden Kfz-Verkehr kommen. Und nichts schmerzt den Autofahrer mehr, als der Wegfall von Parkplätzen.

              >Also doch Radverkehrsförderung zu Lasten des Fußverkehrs. Die ganzen „Parkplätze“ sind ja meist eigentlich Fußverkehrsflächen.

              Wow. Keine Lösungsansätze, dafür schlichtweg falsche Behauptungen und dann noch solche verqueren Thesen. Ich kann meine Zeit sinnvoller nutzen als mit solchen Diskussionen.

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              • Norbert Paul

                Warum heißt es wohl „Gehwegparken“?

                Wenn ich nur mehr Radverkehr in einem ansonsten unveränderten System will, dann ist die Freiräumung von Gehwegen von Autos tatsächlich kein Lösungsansatz.

                Bis heute verweigerst du die Erklärung, wo auf zweispurigen Standardstraßen der Platz herkommen sollen für Radinfrastruktur. Wenn es Parkstreifen gibt, kann man natürlich die Bäume abholzen (städtebaulich natürlich keine tolle Idee) und dann daraus ein Radweg bauen – wobei diese Parkstreifen in älteren Quartieren meist zu Lasten des Fußverkehrs entstanden sind. Wenn es die nicht gibt, bleiben nur die Gehwege übrig.

                Am Ende bleibt der Verkehrsplanung dann nichts anderes übrig, als die Rufe nach Radinfrastruktur durch s. g. Schutzstreifen zu befriedigen. Die bekommt man halt im Bestand noch irgendwie unter.

                Antwort

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