Dortmund

Immer weniger Verwarnungen für Falschparker

Dortmund hat ein Falschparkerproblem. Zweite- und Dritte-Reihe-Parker, zugeparkte Kreuzungsbereiche, Behindertenparklätze und Geh- und Radwege: Das Problem ist mittlerweile so groß geworden, dass manche Bürger keinen anderen Ausweg mehr sehen, als selbst Anzeigen zu schreiben. Macht man das konsequent, können da schon mal 217 Anzeigen in einem Monat zusammenkommen – so groß ist die Falschparkerepidemie mittlerweile. Private Anzeigen können natürlich nur eine Notlösung sein: Eigentlich zuständig wäre das Ordnungsamt der Stadt Dortmund (und, wenn auch ungern, die Polizei). Und was macht das Ordnungsamt, um das immer größer werdende Problem einzudämmen?

Immer weniger.

2012 wurden noch 113.278 gebührenpflichtige Verwarnungen im ruhenden Verkehr erteilt. Die Planzahlen für 2017 liegen bei 50.000 – ein Rückgang um mehr als fünfzig Prozent in fünf Jahren. 2012 wurden noch 8080 Fahrzeuge abgeschleppt. Die Planzahlen für 2017 liegen bei 4000 – auch hier ein Rückgang um mehr als fünfzig Prozent in fünf Jahren.

Verwarnungen in Dortmund. 2012 – 2015 Ist-Werte, 2016 – 2017 Planung. Quelle: Haushaltspläne 2014-2016, Haushaltsplanentwurf 2017. (Grafik: Peter Maier)

Abschleppvorgänge in Dortmund. 2012 – 2015 Ist-Werte, 2016 – 2017 Planung. Quelle: Haushaltspläne 2014-2016, Haushaltsplanentwurf 2017. (Grafik: Peter Maier)

Noch extremer ist die Situation in der Nordstadt: Dort wurde die Überwachung des ruhenden Verkehrs praktisch eingestellt. Im Jahr 2012 wurden noch 11.663 Verwarnungen erteilt, 2015 waren es nur noch 3250 (Planzahlen für die Nordstadt liegen nicht vor). Ein Rückgang um über siebzig Prozent in nur drei Jahren. Kein Wunder, dass immer wieder Busse zwischen Nordmarkt und Bornstraße feststecken, weil wieder jemand „nur mal eben kurz“ falschparken musste.

Verwarnungen in der Nordstadt 2012 – 2015. Quelle:
Anlage zu Drucksache Nr. 03175-15-E1
(Grafik: Peter Maier)

Wer nie in Dortmund unterwegs ist, wird vielleicht fragen, ob die sinkende Zahl der Verwarnungsgelder wirklich auf fehlende Kontrollen zurückzuführen ist. Es wäre ja auch denkbar, dass sich die Dortmunder im Allgemeinen und die Nordstädter im Besonderen in den letzten Jahren einfach eine besondere Vorliebe für ein diszipliniertes Parkverhalten zugelegt haben, so dass Verwarnungen zunehmend überflüssig werden. Antwort: Einfach mal nach Dortmund kommen. Oder den Ordnungshütern zuhören, die der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord das Problem klar benennen: Fehlendes Personal und andere Prioritäten.

„In 2013 mussten fünf Planstellen des Außendienstes zur Überwachung des ruhenden Verkehrs eingespart bzw. in andere Bereiche verlagert werden. […] Der Rückgang der Verwarnungen in 2014 und 2015 ist also im Wesentlichen auf die personellen Begleitumstände sowie eine andere Prioritätensetzung zurückzuführen.“

Die Lösung für das Falschparkerproblem ist offensichtlich: Angemessene Bußgelder auf europäischem Durchschnittsniveau (d.h. Verdreifachung) würden Lernprozesse bei den Tätern auslösen und den Kommunen einen finanziellen Anreiz zur Erfüllung ihrer Pflicht geben.

Aber auch ohne höhere Bußgelder muss einfach mehr passieren als bisher. Bei der Bekämpfung des Taschendiebstahls fragt schließlich auch niemand nach der Kostendeckungsquote.

Dass man durchaus mehr tun kann als in Dortmund zeigt Hamburg. Nachdem man dort 2013 das Kontrolldefizit erkannt und die nötigen Personalstellen geschaffen hat, stieg die Zahl der Verwarnungen innerhalb von zwei Jahren von 153.00 auf 487.000. Im ersten Halbahr 2016 waren es schon 343.000, so dass (umgerechnet auf die Bevölkerungszahl) in diesem Jahr wohl schon vier mal so viele Verwarnungen erteilt werden wie in Dortmund. Allerdings hat man auch in Hamburg (wie in den meisten Städten) den Eindruck, dass bei Kontrollen zu viel Wert auf die Parkraumbewirtschaftung und zu wenig auf freie Kreuzungen, Geh- und Radwege gelegt wird.

Verwarnungen in Hamburg 2013 – 2015. Quelle: „Hamburgs Großoffensive gegen Falschparker“, abendblatt.de vom 13.12.2016
(Grafik: Peter Maier)

Klar ist jedenfalls: In Dortmund muss mehr passieren. Man darf gespannt sein, ob es dem Nahmobilitätsbeirat gelingen wird, Politik und Verwaltung die Dringlichkeit des Themas zu vermitteln. Bis dahin könnt Ihr auch selbst aktiv werden: Schreibt der Stadt unter verkehrsueberwachung@stadtdo.de, an welchen Stellen es immer wieder Probleme mit Falschparkern gibt und bittet um verstärkte Kontrollen.

Peter Fricke

Peter aus Dortmund schreibt mit der Absicht, auch von jenseits der Stadtgrenzen zu berichten. Interessiert sich für Infrastruktur und die Frage, wie man des Rad als Verkehrsmittel für die große Mehrheit attraktiv machen kann. Ist leider nicht in der Lage, mit Falschparkern auf Radverkehrsanlagen gelassen umzugehen. Per E-Mail erreichbar unter peter.fricke, dann folgt das übliche Zeichen für E-Mails, und dann velocityruhr.net.

7 Gedanken zu „Immer weniger Verwarnungen für Falschparker

  • Man darf gespannt sein, ob es dem Nahmobilitätsbeirat gelingen wird, Politik und Verwaltung die Dringlichkeit des Themas zu vermitteln.

    Die Mehrheit haben die Vertreter*nnen des Autofahrerrates und die mut- und visionslose Verwaltung. Solange es keine negative Presse gibt, sondern nur ungefilterte Wiedergabe des Empörungsgejammers der Bürger*innen, wenn alle 30 Jahre mal kontrolliert wird in der Straße, wird sich nichts ändern.

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    • Peter Maier

      Was die Autofahrer angeht, bin ich mir gar nicht so sicher. Die Falschparker sind ja nur eine rücksichtslose Minderheit, die vielen Autofahrern auch auf die Nerven geht (zweite Reihe, Kreuzungen, Einfahrten). Diese Minderheit ist laut (Abzocke! Wegelagerer!), aber nicht besonders relevant. Man sollte Onlinebefragungen nicht überbewerten, aber wenn selbst im Umfeld der berüchtigten Funke-Medien-Gruppe eine Mehrheit private (!) Anzeigen unterstützt, dürfte es durchaus eine breite Mehrheit für mehr offizielle Kontrollen geben.

      Ich sehe die Chancen im Beirat nicht so negativ. DSW21 mag keine Falschparker, die Polizei ist froh, wenn das Ordnungsamt das Thema so bearbeitet, dass die Polizei nicht ständig ausputzen muss, Behindertenpolitisches Netzwerk und Seniorenbeirat finden zugeparkte Gehwege, Behindertenparkplätze und abgesenkte Bordsteinkanten auch nicht lustig. Unfalltisch, ADFC, VCD, Velocityruhr und Fuß sollte man auch überzeugen können. Dazu die doch recht eindrucksvollen Zahlen oben als Argumentationshilfe, zusätzlich die zunehmende Beschwerdelage (1680 qualifizierte Beschwerden in diesem Jahr bereits, schon jetzt 522 mehr als im Vorjahr). Wenn man das mit einer moderaten Forderung verbindet (z.B. Rückkehr zum Stand 2012), ist das einen Versuch wert. Man muss ja nur wenige überzeugen. Grüne, Piraten/Linke, Wissenschaft, Agendabüro…

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      • DSW21 mag keine Falschparker

        Falschparker auf Geh- und Radwegen sind den egal am Ende. Die stören den Betriebsablauf nicht.

        die Polizei ist froh, wenn das Ordnungsamt das Thema so bearbeitet, dass die Polizei nicht ständig ausputzen muss

        Und das Ordnungsamt wird das gerne an die Polizei weiterreichen.

        Man muss ja nur wenige überzeugen. Grüne, Piraten/Linke, Wissenschaft, Agendabüro…

        Man muss am Ende die Politik überzeugen und der Dortmunder Mehrheitseinheitsbrei findet Kontrollen vor der eigenen Haustür im Vorort gegen die bösen anderen häufig in den BV gut, im Rat wehrt man sich mit Händen und Füßen gegen eine Verbesserung, weil es dann ja einen selber treffen könnte, wenn man z. B. in die Stadt fährt und lieber in Wohnvierteln parkt anstatt im City-Parkhaus.

        Und die Verwaltung wird sich ganz sicher nicht für irgendetwas aussprechen, dass Arbeit, Stress, Kritik oder nur Veränderung bringt.

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        • Peter Maier

          Hey, hat „die mut- und visionslose Verwaltung“ dich angesteckt? ;-)

          „Falschparker auf Geh- und Radwegen sind den egal am Ende. Die stören den Betriebsablauf nicht.“

          Von mehr Personal würden ALLE Opfer von Falschparkern profitieren, auch die DSW.

          „Und das Ordnungsamt wird das gerne an die Polizei weiterreichen.“

          Das Ordnungsamt will den ruhenden Verkehr nicht an die Polizei weiterreichen (ist ja schließlich Kernaufgabe der Verkehrsüberwachung), sondern verweist auf fehlendes Personal. („Ich habe Verständnis für Ihren Unmut […] Die aktuellen Personalressourcen lassen eine Verschärfung der Kontrolldichte nicht zu.“)
          Genau dieses Personal sollen sie bekommen.

          „Man muss am Ende die Politik überzeugen“

          Irgendwo muss man anfangen, und eine Empfehlung des Beirats wäre schon mal ein erster Schritt.

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          • Über das was im Beirat passiert muss ich als Mitglied Stillschweigen waren. Aber der interessierte Bürger hat natürlich die Möglichkeit im RIS nach Empfehlungen zu suchen, die der Beirat nach der Geschäftsordnung § 1 vorlegt.

            Ja, *hatschi* ich habe mich angesteckt. *G*

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