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ADFC räumt gegenüber Spiegel ein, mit geschätzten Zahlen zu argumentieren

Beobachter der Radverkehrsdebatte wissen schon lange, was der Spiegel in der neusten Ausgabe (€) schreibt:

Derzeit tobt ein besonders harscher Streit, und es wird dabei nicht nur mit Argumenten operiert, sondern auch mit fragwürdigen Zahlen. Bei dem aktuellen Konflikt geht es in erster Linie um den Wunsch etlicher Radlobbyisten, gefährliche Knotenpunkte in den Städten zu »geschützten Kreuzungen« umzubauen.

Im dem Artikel geht es um die Position von Siegfried Brockmann und die des ADFC-Bundesverbandes, der mit der subjektiven Sicherheit und besseren Sichtbeziehungen argumentiert. Der ADFC schreibe, dass Risiko sei in Deutschland dreimal so hoch wie in den Niederlanden an einer Kreuzung zu verunglücken. Die angeblich größere Sicherheit in den Niederlanden sei hingegen ein moderner Mythos, sage der Wuppertaler Professor Jürgen Gerlach.

Der Ingenieur und Verkehrsplaner hat ausgiebig zum Thema geforscht und die Sicherheit der Fahrradfahrer in Deutschland, den Niederlanden und im ebenfalls für seine Fahrradpolitik gerühmten Dänemark miteinander verglichen. Das war nicht einfach, weil Unfälle in den einzelnen Ländern völlig unterschiedlich in die Polizeistatistiken einfließen. Dennoch lasse das Zahlenmaterial zumindest für 2017 einen aussagekräftigen Schluss zu. Die Zahl der Getöteten sei damals in den Niederlanden proportional und mit Blick auf die gefahrenen Kilometer betrachtet um den Faktor 1,5 höher als in Deutschland und Dänemark gewesen.

Das veranlasste den Spiegel zu einer Nachfrage beim ADFC.

Auf Nachfrage räumt der ADFC ein, dass auch die Formulierung zum angeblich fast dreimal so großen Risiko an deutschen Kreuzungen »etwas missverständlich« sei. Es gebe in Wahrheit »keine Daten« dazu, ob Fahrradfahrer an niederländischen Knotenpunkten tatsächlich sicherer lebten; die Behauptung gehe auf eine »überschlägige Berechnung« des ADFC-Sicherheitsexperten zurück.

Gerlach, so der Spiegel, sieht darin keinen Grund, die s. g. Geschützen Kreuzungen generell abzulehnen, sondern weist auf darauf hin, dass es an Forschung fehlt. Aber das ist für Leser*innen meiner Artikel nun keine neu Position … 🙂

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

4 Gedanken zu „ADFC räumt gegenüber Spiegel ein, mit geschätzten Zahlen zu argumentieren

  • Alfons Krückmann

    Nachdem die Marketing-Lüge der ‚lets-go-dutch‘ Fraktion auf allen Kanälen in die Köpfe geprügelt wurde ist wohl Popcorn nicht mehr nötig.
    Motto: „Wer immer wieder das selbe sagt hat Recht“
    Der Mythos der sicheren NL-Totalseparation wird vorerst nicht mehr zu kippen sein, dafür sorgen nicht zuletzt die diversen Marketingagenturen, die in D aktiven NL-PPPs und die Marketing-Fuzzis der diversen Radentscheide, die sich ja teils als ‚Verkehrsexperten‘ ausgeben ohne jegliche entsprechende expertise zu besitzen.
    Es wird wohl weitere 10 Jahre dauern bis der neue/alte Radwegebau bzw die Radwegebaubewegung sachgerecht als Bestandteil der Aufrustung zu ‚Autogerechten Regionen‘ eingeordnet wird.
    Tragisch dabei: viele Akteur:innen sind mit unreflektierter Naivität der Überzeugung mit der aus Separation resultierenden ‚Autobahnisierung‘ unseres Strassennetzes zu verbesserter Öklogie und zum Klimaschutz beizutragen.
    Fakten/Empirie über die steigenden Autoverkehre und steigende Autodichte in NL und DK sind gegenwärtig in den Diskursen nicht beliebt und werden i.d.R. wegmoderiert, blockiert oder quasi mit Shitstorms überzogen.
    Siehe z.B. auch der peinliche und oberlehrerhaft daherkommende Artikel:
    https://velocityruhr.net/blog/2016/12/25/postfaktisch/

    Antwort
    • Norbert Paul

      Das Problem ist nicht, wenn sich Laien für Experten halten, sondern dass Medien und Politik unkritisch diese Selbstbeschreibung übernehmen.

      Antwort
      • Beides ist wohl richtig. Zum einen die Selbstüberschätzung der „Experten“ in Radentscheiden und ADFC, zum anderen die unkritische Übernahme bzw. Einschätzung in Medien. Wobei Medien gerne bei allen möglichen Themen irgendwelche „Experten“ aus dem Hut ziehen, die bei näherer Betrachtung keine sind.

        Die 10 Jahre, die Alfons anführt, halte ich leider für zu niedrig geschätzt. Wir kämpfen jetzt immer noch verbreitet mit Relikten aus den 80er/90er Jahren, die auch jetzt, 30 oder 40 Jahre später, nur zu gerne von den zuständigen Behörden sogar als benutzungspflichtig ausgeschildert werden.

        Antwort

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