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Umwelt-Verbände fordert Aktionismus von der Stadt Dortmund

Die Dortmunder Verkehrsverbände sind von FUSS abgesehen längst auf dem „Radfahren ist gefährlich“-Trip und nach anfänglichem Fremdeln ganz auf Linie des Neuen Radaktivismus und begeistert von „Geschützten“ Radwegen und Pop-Up-Infrastruktur statt Bändigung des Kfz-Verkehrs und dauerhaften Veränderungen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung mit der Deutschen Umwelthilfe heißt es nun:

Die Ablehnung von Pop-up-Radwegen stößt bei den Umweltverbänden auf wenig Verständnis. „Mit den provisorischen Radwegen hätte die Stadtverwaltung die Umwidmung von Auto- in Radspuren ausprobieren können – diese Chance ist jetzt vertan.

Die Schaffung von Separation, gemeinsames Anliegen des autogerechten Städtebau und des Neuen Radaktivismus, hat rein gar nichts mit der straßenrechtlichen Widmung zu tun, sondern erfolgt im Rahmen der Straßenbaulast und/oder nach dem Straßenverkehrsrecht im Rahmen der Widmung für den allgemein Verkehr (theoretisch kann man sicherlich auch Teile der Straße unterschiedlich widmen, wenn man den nachfolgenden Planer*innen Probleme machen will). Und erst durch diese Aufteilung, schafft man etwas, dass man „Auto-Spuren“ nennen könnte, etwas, dass das Straßenverkehrsrecht übrings gar nicht kennt außerhalb von Straßen die insgesamt auf den Kraftfahrzeugverkehr beschränkt sind durch die Widmung. Eine Folge wird hier zu ihrer Voraussetzung gemacht. Faktisch werden also Flächen dem Radverkehr entzogen, die diesem bisher zur gemeinsamen Nutzung zugänglich waren.

In einer Pressemitteilung lehnen ADFC, VCD, BUND und die DUH zudem den Ansatz der Stadt ab, statt Schnellschüssen „dauerhaft, qualitätvoll, fachlich wie politisch abgesichert“ planen zu wollen. Stattdessen will man Provisorien. Da bekanntlich nichts so haltbar ist wie ein Provisorium, eine riskante Strategie. Dass Provisorien geeignet sind, die erhofften hochwertigen Radwege zu schaffen, wird nicht realistischer, indem man sie Pop-up nennt. Dortmunder Baustellen geben Einblick in die Qualität von Pop-up-Radwegen, also temporären Radwegen.

Vielmehr streben man wohl eher vor allem s. g.  „Geschütze Radverkehrsanlagen“ an, die es in Dortmund z. B. in der Jugendverkehrsschule im Fredenbaum gibt, aufgrund der Stadtmorphologie aber nur insulär möglich sind. Darauf deutet der ursprüngliche Antrag der Deutschen Umwelthilfe hin:

In Dortmund Straßenflächen zu Fahrradspuren und Fußwegen umzuwidmen – durch schnell umsetzbare und (zunächst) provisorische Maßnahmen. Dabei ist es wichtig, dass die Flächen für Rad- und Fußverkehr ausreichend dimensioniert sind  und von verbleibenden Kfz-Fahrbahnen zumindest provisorisch durch Verkehrsbaken getrennt sind.

Wie oberflächig die Beschäftigung mit dem Thema ist, zeigt ein Blick in die StVO. Gemäß Anlage 4 Abschnitt 1 StVO kennzeichnen Baken Flächen, die nicht befahren werden dürfen und leiten an der Fläche vorbei, also wird der gesamte Fahrverkehr entweder komplett links oder rechts an einer Fläche vorbeigeleitet. Oder man muss schon zwei Reihen aufstellen. Dann bleibt aber ziemlich wenig übrig von der rechten Fahrspur als geschütztem Radweg. Je Reihe sind das mindestens 60 cm ohne die überhaupt abzugrenzende Fläche. Zum Fahrstreifentrennen etc. sind die Baken nicht da. Dafür gibt es Leitschwellen – und Borde (§ 43 I 2 StVO).

Die DUH fordert außerdem flächendeckende Höchstgeschwindigkeitssenkungen. Die Stadt betont zurecht, dass sie alle Anordnungen auf rechtliche Zulässigkeit prüfen muss. Das ergibt sich schlicht aus Art. 20 III GG.

Der Antrag der DUH als Download.

Die Antwort der Stadt als Download.

Pressemitteilung der Umweltverbände.

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

3 Gedanken zu „Umwelt-Verbände fordert Aktionismus von der Stadt Dortmund

  • Lorenz Redicker, VCD Dortmund-Unna

    Erstaunlicher Beitrag: Da wird die Stadt gelobt dafür, dass sie plant. Und plant. Und plant. Und immer weiter plant. Von Umsetzung ist hier leider wenig zu sehen. Ist das auf einmal kein Problem mehr? In anderen Städten haben Pop-up-Radwege den auch dort zu beobachtenden Umsetzungsstau in der Radverkehrspolitik aufgelöst. Wenn man das als Radaktivismus kritisiert, würde mich interessieren, wie denn die Alternative hier aussehen soll? Die sehe ich in dem Artikel nicht. Nur viele Rückgriffe auf formaljuristische Probleme, mit denen dann sogar die Tempo-30-Forderung abgebügelt wird. Sorry, das kannte ich in der Form bislang vor allem als Abwehrreflex einer Verwaltung, die sonst nicht gestört werden will in ihrer Untätigkeit.
    Nun gut, als VCD-Vorsitzender bin ich selbstredend befangen. Aber unkommentiert will ich den Text nicht stehen lassen. Wir können darüber gern auch einmal in Ruhe reden.

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    • Norbert Paul

      Ich bitte darum, genau zu lesen. Ich habe geschrieben, dass der Ansatz, den die Stadt für sich reklamiert, der richtige ist. Zur Frage, ob das überzeugend gelingt, habe ich schlicht nichts geschrieben und auch nicht zwischen den Zeilen.

      Ich halte den Rechtsstaat für ein hohes Gut. Daher erwarte ich von Verwaltung rechtskonformes Handeln. Dass das in weiten Teilen des Radaktivismus nur noch gilt, wenn es in den Kram passt, finde ich sehr bedenklich. Das Demokratieprinzip – auch so eine wichtige Sache – erlaubt es jedem, sich für die Änderung der Gesetze einzusetzen, aber das geht nicht durch Ignorieren von Gesetzen. Daher beurteile ich aktuelle konkrete Maßnahmen im Rahmen der geltenden Gesetze. Nur so am Rande: Für die verantwortlichen Planer geht mit Abweichungen vom geltenden Recht bzw. Stand der Technik ein strafrechtliches Haftungsrisiko einher, dass Menschen, die alles besser wissen, eben nicht tragen müssen. Schon von daher rate ich jedem Planer, sich an die Gesetze und damit zusammenhängenden Normen und dem Stand der Technik zu halten. Mitnichten geht es um formaljuristische Probleme, sondern schlicht darum, ob das im gelten Recht überhaupt geht. Wer hierin ein formaljuristisches Problem sieht, sollte das dann auch im Überholabstand von Kfz zu Rädern sehen.

      Zu Tempo 30 habe ich doch gar nichts geschrieben!?

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  • Ein Hinweis, weil das für Außenstehende verwirrend sein muss: Herr Paul schreibt hier als Kooperationspartner von VeloCityRuhr seine private Meinung, die sich nicht mit der Position von VeloCityRuhr in Dortmund decken muss.

    Wir halten Pop-up-Radfahrstreifen für nützlich, um der Diskussion um eine gerechtere Flächenverteilung Schwung zu geben und haben darum bereits mehrere Demos für Pop-up-Radfahrstreifen organisiert.

    Wir halten geschützte Radfahrstreifen, vor allem aber die dahinter stehende veränderte Haltung für wichtig, weil die Mobilitätswende nur gelingen wird, wenn man der breiten Mehrheit ein attraktives Angebot macht. Wir haben uns daher über den Beirat Nahmobilität erfolgreich dafür eingesetzt, dass es auf dem Straßenzug nördlich des Hauptbahnhofs keine reine Markierungslösung geben soll, sondern gemäß Ratsbeschluss „Fahrradstadt Dortmund“ die Radverkehrsanlagen „wo möglich baulich getrennt vom Kfz-Verkehr“ als geschützte Radfahrstreifen eingerichtet werden.

    Und wir schätzen die Zusammenarbeit mit der Deutschen Umwelthilfe und weisen den Vorwurf der „Oberflächigkeit“ zurück.

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