ESSEN 2035: Kommt die notwendige Verkehrs- und Richtungswende in der Stadtspitze?
Im Ratsinformationssystem der Stadt Essen ist jüngst ein neues neues Papier zur Abstimmung im Oktober aufgetaucht, dass unsere Aufmerksamkeit verdient. Nachdem die politische Stadtpitze aufgrund der Anträge zu Beteiligung am globalen „Klimanotstand“ unter Druck gerät, aber bisher im Vergleich zu anderen Großstädten (Düsseldorf, Dortmund, Köln, Bochum) nur mal wieder sehr zögerlich reagiert, erschien nach langer Ausarbeitung und interner Abstimmung diese Drucksache für die Sitzung im Herbst 2019. Die Stadtverwaltung hat ein Handlungskozept erarbeitet. Soviel vorweg: Das Paket von Stadtverwaltung und Ruhrbahn hat endlich mal richtig Potential, aber warten wir mal ab, ob die Koalition aus CDU und SPD das Konzept am Ende nicht ruiniert.
Spannend ist somit, dass ein „Weiterso“ offensichtlich aus der Verwaltung keine Option mehr ist, auch wenn zahlreiche Entscheidungen das Gegenteil vermuten lassen. Mit großem Elan werden Projekte der Autogerechten Stadt aus dem letzten Jahrhundert weiterverfolgt, die vermutlich in naher Zukunft mit weiteren Fahrverboten prämiert werden (Die bestehenden Umweltzonen sind ja de facto schon die 1. Runde der Fahrverbote.).
Die Auszüge lesen sich durchaus spannend, erkennen sie doch den Handlungsdruck an und verweisen auf Städte, die da schon einen deutlichen Vorsprung vor Essen haben.
„Alle Akteure betonen, dass die Verkehrswende eine langfristige Aufgabe ist, die neue Rahmenbedingungen in Europa und durch Bund und Länder erfordert. Dabei besteht ein enger Zusammenhang mit Zielen der räumlichen Entwicklung, der Energiewende und des Klimaschutzes sowie dem Trend zur Smart City.
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Die Stadt Essen steht wie auch viele andere Kommunen unter besonderem Leidens- und Handlungsdruck. Für eine erfolgreiche Verkehrswende in Essen benötigt sie Unterstützung durch das Land, den Bund und die EU sowie von lokalen und regionalen Partnern.“
Im Kern ist der „Verkehrswende“-Plan ein erster Ansatz, der mit weiterem Leben gefüllt werden muss, aber auch er klingt erstmal nur nach Zukunftsmusik. Und in den nächsten Jahren drohen ja weitere autogerechte Ausbauten, die auf Jahre den Stau betonieren.
In dem Papier werden weitere Ziele und Leitlinien diskutiert. Hochaktuell, aber so lange die Politik die eigenen Ziele und Informationen bei parteipolitischem Klüngel ignoriert, so lange sind diese Ziele in erster Linie nutzlos. Was nutzen Radrouten, wenn jeder einzelne Parkplatz wichtiger ist, als einen dringend benötigten Standard durchzubauen? Aber es ist ein wichtiger Schritt.
Im weiteren wurdne Leitlinien für alle Verkehrsträger aufgesetzt, wir beschränken uns hier mal auf den Radverkehr.
Würde man das konsequent zeitnah umsetzen wollen, dann bräuchte man einen Planungsstab und eine Bautruppe in der Verwaltung, die deutlich größer wäre, als die zukünftige Mannschaft in Dortmund. Und die EinzelkämpferInnen in der Verwaltung wären mit dem Thema nicht mehr so alleine gelassen, wie bisher. Wir drücken da die Daumen.
Auch unter dem 2. Punkt sind interessante Vorschläge zu entdecken. Dort wird erstmalig über Qualitäten der Wegführung gesprochen, etwas das man bisher auf den Essener Wegen grundsätzlich vermisst. Bisher glänzten Personen der Leitungsebene ja öffentlich sogar dadurch, dass sie nichtmal freigegeben Gehwege von richtigen Radvekrehrsanlagen unterscheiden konnten. Inhaltlich wäre das ein großer Sprung. Es wäre toll, wenn hier echte Taten folgen. Die gute Nachricht ist aber, dass offensichtlich das Know-How in der Verwaltung doch vorhanden ist. Andere Großstädte (z.B. Berlin) setzen da längst schon auf erfahrene Dienstleister aus den Niederlanden und Dänemark.
Im Dritten Punkt geht es um den Mobilitätswandel im Radverkehr, der trotz der bisherigen Blokaden längst stattfindet. Die erfolgreichste und neuste Form der Elektromobilität wird politisch weitestgehend ignoriert. 2019 wird vermutlich das Jahr werden, wo bundesweit mehr als 1 Mio. Elektofahrräder gekauft werden, die Politik ignoriert diesen Trend völlig. Und die Behörden diskutieren lieber die Unfallzahlen und fahren Angstkampagen. Aber schön, dass hier Unterstützung kommen soll. Wichtiger wäre die Infrastruktur, um den bestehenden Boom zu unterstützen.
In Position 4 kommen wir zu einem wichtigen Punkt, der konsquenterweise auch die Polizei umfassen muss und zur Folge hätte, dass Alibikampagnen zur Verkehrsicherheit abgeschafft werden. In einem Artikel konnte man in diesen Tagen lesen, dass wir ständig über die Gefahr diskutieren, denen nichtmotorisierte Verkehrsträger ausgesetzt sind. Aber wir diskutieren nicht über die Hauptunfallursache, den Autoverkehr. Konsquenterweise müssten somit sämtliche Angstkampagnen eingestellt werden.
In den Position 5 und 6 ist nur schwammig die Rede von einer besseren Organisation und mehr Ressourcen für der Radverkehrsplanungen. Das ist schlicht zu dünn, da die Personaldecke der entscheidende Faktor bei Planung, Vergabe und Bau von Infrastrukturen ist und seit einiger Zeit in sämtlichen Verwaltungen in NRW das Nadelohr darstellt. Es gibt schlicht genug Fachleute, die umsetzen können und die Verwaltungen haben mehr als genug damit zu tun, die zerbröselnden teuren Autostädte irgendwie funktionsfähig zu halten.
Ein ähnliches Paket gibt es für den Fußverkehr ebenfalls.
Erstmals wird von push- und Pullfaktoren gesprochen, so ganz traut man sich noch nicht den führenden Metropolen bei dem Thema anzuschließen. Fläche ist nicht vermehrbar, die Förderung des Umweltverbundes kann nur auf Kosten des Autoverkehrs passieren. Kurzfristige Maßnahmen, wie die unpopuläre Wiedereinführung der StVO im ruhenden Verkehr sind zwingend erforderlich um die Pakete umzusetzen.
Sollte die Essener Politik das Strategiepaket nicht erfolgreich zerstören, wäre hier endlich mal ein strategischer Ansatz den Rückstand in der Verkehrsentwicklung wieder aufzuholen. Und die Welt wartet nicht auf Essen, Fachkräftemangel und Technologiewandel wirken auf jede Stadt ein. Es ist halt eine politische Entscheidung den Wandel zu verlangsamen, oder ihn zu gestalten. Zumal die Micromobilität an die Tür klopft, das autonome Fahren 2019 Realität wird und nicht zuletzt werden die globalen Ressourcen immer knapper. Und ob wir 2035 überhaupt noch so viele Autos in der Stadt haben werden, ist mehr als fraglich. Im Klimaschutz läuft uns gleichzeitig schlicht die Zeit davon. Im anstehenden Kommunalwahlkampf sollten viele von Euch die Politiker fragen:
Kennt ihr den Strategievorschlag zur Mobiltät 2035 der Stadtverwaltung und unterstützt ihr es?
Hat man das nicht alles so ähnlich schon häufiger gelesen? 🙂
Die angestrebtem Veränderungen kann man auch erreichen, wenn das Kfz-Aufkommen nur mäßig steigt, während der s. g. Umweltverbund deutlich stärkerer Zuwächse beim Verkehrsaufkommen hat, was auch mit negativen Folgen für die Umwelt einhergeht.
Zu glauben, ohne Einschränkungen würde es zu deutlichen Verlagerungen weg vom MIV kommen, ist naiv. Aber gut, man kann es ja nochmal versuchen. Damit verlagert man die unliebsamen Entscheidungen halt ein paar Jahre.