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Castrop-Rauxel will fahrradfreundlich werden

Benutzungspflichtige Radwegschäden in Castrop-Rauxel (Foto: Peter Maier).

Der Rat der Stadt Castrop-Rauxel hat gestern die Verwaltung beauftragt, die Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen (AGFS) zu beantragen. Ein richtiger Schritt, wenn er dazu führt, dass nun endlich die Ärmel hochgekrempelt werden und fehlende Infrastruktur ergänzt und marode Infrastruktur mit Qualität saniert wird.

Der Antrag der Koalition aus SPD, Grünen und FDP lässt mit seiner Betonung der geringen Kosten allerdings Zweifel aufkommen, ob wirklich das nötige Umdenken stattgefunden hat:

Die Verwaltung wird beauftragt eine Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen (AGFS) zu beantragen. Bei einem Jahresbeitrag von 2.500 € hat unsere Stadt bei Aufnahme kompetente Unterstützung, das Ziel einer fußgänger- und fahrradfreundlichen Stadt zügig zu erreichen.

In der Vorlage ist unter „Finanzielle Auswirkungen“ das Feld „keine haushaltsmäßige Berührung“ angekreuzt. Und in der Begründung des Antrags schreibt die Koalition, zusätzliche Stellen seien unnötig (Hervorhebung von mir):

Die AGFS erarbeitet gemeinsam mit unserer Verwaltung passende Maßnahmen und hilft bei der Umsetzung. Da der Weg zu einer fußgänger- und fahrradfreundlichen Stadt eine Querschnittsaugabe ist, muss keine zusätzliche Stelle eingerichtet werden.

Fußgänger- und Fahrradfreundlichkeit zum Nulltarif?

Noch 2016, als die Politik schon einmal die Aufnahme in die AGFS verfolgte, schrieb die Verwaltung: „Die Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte ist an eine Vielzahl von Kriterien gebunden. Grundvoraussetzung ist die Bereitschaft und der Wille hin zu einer fahrradfreundlichen Stadtentwicklung.“1 Anschließend benannte sie drei wesentliche Faktoren, um die Aufnahmekriterien zu erfüllen: Die Bestrebung, den Radverkehrsanteil im Modal Split deutlich zu erhöhen, ein (extern erstelltes) Radverkehrskonzept für 50.000 € und die Stelle eines/einer Radverkehrsbeauftragten. Außerdem nannte die Verwaltung Kosten von 20.000 € pro Jahr für kleinere fußgänger- und radverkehrsfördernde Maßnahmen wie Querungshilfen und Bordsteinabsenkungen (zusätzlich zu den größeren Straßen- und Infrastrukturbaumaßnahmen).

Konfrontiert mit einmaligen Kosten von 67 Cent und jährlichen Kosten von etwas über einem Euro pro Einwohner verschob die Politik die Angelegenheit und beauftragte die Verwaltung, „die notwendigen personellen und monetären Ressourcen zur Umsetzung des Konzeptes darzustellen und entsprechende Mittel für das Jahr 2017 zu generieren (i. S. der Haushaltsaufstellung 2017).“1

Irgendwo auf diesem Weg müssen die personellen Ressourcen für den/die Radverkehrsbeauftragte(n) abhanden gekommen sein. Hinweise auf die Bereitstellung von Mitteln für das externe Radvehrskonzept konnte ich auch noch nicht finden.

Dabei wäre ein entschlossenes Vorgehen mit angemessener finanzieller Ausstattung dringend erforderlich, denn trotz einzelner positiver Ansätze ist die Infastruktur für den Radverkehr in Castrop-Rauxel insgesamt lückenhaft und marode. Selbst neue Maßnahmen sind teilweise so wenig durchdacht, dass sie eine klare Verschlechterung für den Radverkehr bedeuten (z.B. die neuen Gefährdungsstreifen in der Castroper Altstadt). Dass der Radvehrsanteil nur bei vier Prozent (Stand 2008, aktuellere Zahlen liegen nicht vor) liegt, ist unter diesen Bedingungen nicht überraschend. Es wird abzuwarten sein, ob der Antrag auf die AGFS-Mitgliedschaft die nötige Kehrtwende um 180 Grad bringen wird.

1Auschuss für Bauen, Verkehr und Sport vom 12.05.2016, TOP 8

Gemeinsame Führung von Rad- und Busverkehr ist zwar keine wirklich gute Lösung, weil sie für Kinder und Einsteiger unattraktiv ist und den Busverkehr bremst, aber als Sofortmaßnahme für Städte, die in Sachen Radverkehr mit leeren Händen dastehen, zumindest vorübergehend sinnvoll. (Foto: Peter Maier)
Gemeinsame Führung. (Foto: Peter Maier)
Der Rumpelradweg an der Wittener Straße geht bald… (Foto: Peter Maier)
… in einen zumindest abschnittsweise recht ordentlichen Radfahrstreifen über. Für Kinder und Einsteiger sind solche Pinsellösungen nicht attraktiv. (Foto: Peter Maier)
Der Radfahrstreifen an der Wittener Straße ist recht gut zu befahren. An einer Stelle gab es eine unzulässige Markierung (durchgezogene Linie), die den Radverkehr auf den Gehweg drängte… (Foto: Peter Maier)
… doch seit Anfang des Jahres wird die Wahlfreiheit zwischen Fahrbahn und Gehweg durch eine geänderte Markierung vorbildlich verdeutlicht. (Foto: Peter Maier)
Linksseitig benutzungspflichtiger Gehweg bei Tempo 30. (Foto: Peter Maier)
Die neuen „Schutz-„Streifen in der Castroper Altstadt sind eine Katastrophe. (Foto: Peter Maier)
Links sieben Meter glatter Asphalt, rechts ein schmaler Streifen benutzungspflichtiger Radwegschäden. (Foto: Peter Maier)
Enge Umlaufsperren. (Foto: Peter Maier)
Schlecht endender Schutzstreifen vor einem Kreisverkehr. Eine gute Lösung würde das Verhalten der Verkehrsteilnehmer füreinander frühzeitig berechenbar machen. (Foto: Peter Maier)
Widersprüchlichkeit: Ordentlicher Radfahrstreifen… (Foto: Peter Maier)
… wird zu einer unbenutzbaren, benutzungspflichtigen Rumpelpiste. (Foto: Peter Maier)
Widersprüchlichkeit: Die Bettelampel am Bahnhofsvorplatz ist zumindest vom Radweg erreichbar, aber im Hintergrund droht schon wieder ein nicht benutzbarer, benutzungspflichtiger Radweg. Der Ampelmast links neben dem Blauschild… (Foto: Peter Maier)
… wird aus der Nähe nicht schöner. (Foto: Peter Maier)

Peter Fricke

Peter aus Dortmund schreibt mit der Absicht, auch von jenseits der Stadtgrenzen zu berichten. Interessiert sich für Infrastruktur und die Frage, wie man des Rad als Verkehrsmittel für die große Mehrheit attraktiv machen kann. Ist leider nicht in der Lage, mit Falschparkern auf Radverkehrsanlagen gelassen umzugehen. Per E-Mail erreichbar unter peter.fricke, dann folgt das übliche Zeichen für E-Mails, und dann velocityruhr.net.

11 Gedanken zu „Castrop-Rauxel will fahrradfreundlich werden

  • Uii, da werde ich als Castroper Radfahrer doch gleich mal hellhörig.
    Das oben gezeigte Drängelgitter ist eine Zumutung, wenn ich mit dem Anhänger da ankomme, dann geht das gerade noch so, aber spätestens wenn ich mit dem Lastenrad komme wird das Teil problematisch.
    Ein paar Meter weiter am BugerKing hat man auch eine Entscheidung getroffen, die ich nicht nachvollziehen kann.
    Der Radweg ist ja benutzungspflichtig, aber trotzdem haben die Radfahrer auf dem Weg den Autos die auf dem Parkplatz von BurgerKing wollen die Vorfahrt zu gewähren:

    Die am Bahnhof gezeigte Ampel auf dem Radweg sorgt täglich die Beinaheunfälle.
    Wenn man dort um die Ecke komme, hat man keine freie Sicht ob da nun jemand steht oder nicht, und meist steht dort ein Fußgänger, gerne dann auf dem Radweg.

    Der Schutzstreifen in der Altstadt ist echt ein Witz. Das Teil ist so schmal…
    Und das Problem ist, dass der ADFC Castrop mit der Lösung recht zufrieden ist.
    Autofahrer meinen aber, dass diese gestrichelte Linie genug Schutz für die Radfahrer sind und überholen genau so, wie man den Bus auf dem Bild sieht.
    Wenn man als Radfahrer sich hier nicht den Platz einfach nimmt den man braucht hat man verloren.

    Gut gemacht finde ich hingegen die neuen Markierungen auf der Langestr. Ecke B235, hier war ich vor einigen Tagen schwer überrascht.

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    • Peter Maier

      Zur Castroper Altstadt kommt demnächst eine Ergänzung des alten Artikels, denn sie haben ja die Drohung, die „fehlenden“ „Schutz“-Streifen zu ergänzen, wahr gemacht, teils sogar bei Tempo 20.

      Die Situation bei Burgerking hatte ich schon fast im Artikel, aber mein Foto zeigte die Situation nicht so gut wie deins, darum hab ichs gelassen. :-) Das Problem gibt es in noch extremerer Form am Kreisverkehr Klöcknerstraße (?): Ein winziger, kaum benutzter Parkplatz…

      …dessen Ausfahrt Vorrang vor dem benutzungspflichtigen Gehweg hat.

      Schräg auch der weitere Verlauf: Die Führung scheint zu versanden und die Benutzungspflicht zu enden….

      … die vielen geparkten Autos legen nahe…

      … dass es sich wohl um einen Gehweg handeln muss…

      … und dann kommt die Überraschung. Scheint wirklich ernst gemeint zu sein.

      Hast du Lust, ein paar Fotos von der guten Lösung an der Langen Straße zu machen und mit ein paar Zeilen zu erläutern? Ich könnte das dann hier als Artikel einstellen. Wir sind ja immer froh, wenn es auch mal was Positives zu berichten gibt.

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  • Norbert Paul

    Hat die Aufnahme in die AGFS in irgendeiner Stadt eine positive Verbesserung bewirkt?

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    • Peter Maier

      Ich sehe z.B. in Bochum schon positive Ansätze in einigen Bereichen (in anderen Bereichen gilt aber weiter: Gar nichts verstanden). Insgesamt bleibt die AGFS eine Lachnummer, wenn man keine verbindlichen Mindesstandards einführt, z.B. verpflichtende Einhaltung der ERA, auch Details wie Umlaufsperrenverbot, Mindestinvestitionen nach oder über den Empfehlungen aus dem Nationalem Radverkehrsplan (z.B. mehr als 10 €/Einwohner) usw.
      Wenn für die Aufnahme vage Absichtserklärungen reichen und der Rauswurf bei Untätigkeit die absolute Ausnahme bleibt, kann man sich das auch sparen.

      Antwort
      • Norbert Paul

        Aber die Veränderungen in Bochum sind nicht durch die Mitgliedschaft gekommen, sondern haben 1-2 Jahre vorher begonnen.

        Antwort
        • Peter Maier

          „haben 1-2 Jahre vorher begonnen.“

          Eben. Genau in der Vorbereitungs- und Bewerbungsphase.

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          • Norbert Paul

            … und dann kommt der Stillstand i. d. R., was die AGFS unterstützt, weil sie immer von „fahrrad- und fußverkehrsfreudlichen“ Städten spricht, die Mitglied sein anstatt zu verdeutlichen, dass sie der Verband der Kommunen ist, die dran arbeiten es zu werden. Irgendwann einmal.

            Antwort
            • Peter Maier

              Darum, siehe oben: Mindeststandards, Mindestinvestitionssummen und keine quasi-automatische Mitgliedschaftsverlängerung, sondern echte Option auf Rauswurf.

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  • Die Strecke von Mengede kommend über diesen Kreisverkehr kenne zu gut, da ich nicht weit entfernt wohne.
    Ich nutze dort generell die Straße, da man sonst am laufenden Band von Autos übersehen wird die auf die Straße wollen.

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