Andernorts und überallVereine

ADFC befragt Aktive zur Verbandsentwicklung

Der ADFC befragt aktuell seine Aktiven zur Verbandsentwicklung. Der Fragebogen ist frei im Internet zugänglich und damit für Mehrfachabgaben auch durch Externe offen. Zum Hintergrund heißt es:

Der ADFC hat in den fast 40 Jahren seines Bestehens viel erreicht:
  • Er ist auf mehr als 160.000 Mitglieder gewachsen und er wächst weiterhin.
  • Durch den ADFC wurde in den Städten und Kommunen vieles für Radfahrerinnen und Radfahrer vieles erreicht.1
  • Der ADFC hat den Radtourismus erfunden [sic!] und zu einer bekannten und beliebten Urlaubsform gemacht.
  • Der ADFC hat ehrenamtlich und hauptamtlich Mitarbeitende, die sich mit Kompetenz und viel Engagement für die Ziele im ADFC einsetzen. Beides sorgt für hohe Identifikation mit dem Verband.
Aber der ADFC hat noch viele Ziele, die er erreichen will:
  • Ein gemeinsames Selbstverständnis.
  • Den Schritt vom „Ein-Generationenprojekt“ zu einer gemischten Altersstruktur.
  • Eine schnellere Entscheidungsfindung.
  • Mit einer Stimme nach außen sprechen.
  • Neue Zielgruppen erschließen.
  • Klare Strukturen: Regeln, Prozesse und Instrumente für die Zusammenarbeit, die Kommunikation und den Austausch von Wissen.
  • Ein Wirgefühl.
  • Eine breit akzeptierte Haltung zu geschäftlichen Aktivitäten, mit denen Geld verdient wird.
Mit seinen heutigen Mitteln wird der ADFC bei der Umsetzung der Verkehrswende wenig erreichen. Der ADFC muss sich erneuern, um zukunftsfähig zu sein.
Die ehren- und hauptamtlichen Mitwirkenden des Verbandsentwicklungsprozesses erarbeiten Vorschläge, wie sich der ADFC weiterentwickeln soll. Der Verbandsentwicklungsprozess soll im Rahmen dieser Veränderungen die Handlungsfähigkeit und Schlagkraft des ADFC erhalten und erweitern, denn der ADFC möchte die Verkehrswende in Deutschland entscheidend voranbringen. Es gilt, den ADFC zukunftsfähig zu machen.
Es ist aus meiner Sicht richtig, sich mit der Zukunft der Verbandes zu beschäftigen, gerade auch, weil die Spannung zwischen den Wurzeln (ehrenamtlicher Umweltverband) und sich durch den Wachstum ergebenen Professionalisierungstendenzen seit Jahren sichtbar werden. Die Bundesgeschäftsstelle wird immer mehr zum Kopf eines zentral agierenden Verbandes und ist immer weniger die Koordinierungs- und Servicestelle für eigenständige Ortsverbände, wie sie es lange war. Die einen mögen den ersten Jahrzehnten hinterher trauern, andere die Neuausrichtung begrüßen. Mit der Befragung soll, so mein Eindruck, ausgelotet werden, wie schnell und wie weitgehend der Zentralisierungsprozess verlaufen soll und kann. (Nicht wirklich gefragt wird, ob diese Tendenz überhaupt begrüßt wird. ) Daher wird die Zustimmung zu Ansichten wie:
Die Entscheidungen der Bundeshauptversammlung sind in Zukunft für den ADFC als Ganzes verbindlich.
oder
Bei bundespolitischen Stellungnahmen und Positionierungen sowie aktuellen Themen spricht in Zukunft der Bundesvorstand für den ADFC (z. B. zum Straßenverkehrsgesetz, zu Koalitionsverhandlungen der Bundesregierung).
oder
Bei kurzfristigen Stellungnahmen und Positionierungen (z. B. Kommentierung von Studien, Antworten auf Äußerungen von Bundespolitiker*innen) spricht in Zukunft der Bundesvorstand oder der/die Bundesvorsitzende für den ADFC.

Anderseits kann die Umfrage auch gedeutet werden als Versuch, Ehrenamtliche mitzunehmen bei den unvermeidlichen strukturellen Veränderungen. Aber: Der Handlungs- und Meinungsspielraum der Aktiven vor Ort wird mit der Zentralisierung unvermeidlich eingeschränkt. Auch das kann man sicherlich unterschiedlich beurteilen. Zwingend notwendig ist das sicherlich nicht. Man müsste das mal näher untersuchen, aber mein Eindruck ist, dass Akademisierung und Professionalisierung der Öffnung in die gesellschaftliche Breite entgegenlaufen. Wenn ich diesen Weg weiter denke, läuft es darauf hinaus, dass der ADFC mittelfristig ein Service-Club wie der ADAC wird in dem Hauptamtliche tätig sind und das Ehrenamt gut bezahlte und/oder prestige-/einflussreiche Posten sind ohne Alltagsgeschäft. Ein Großteil der Ehrenamtlichen wird die damit einhergehenden Anforderungen nicht erfüllen können und/oder wollen. Es wird unter diesen Vorzeichen schwieriger werden, Ehrenamtliche zu gewinnen, wenn es nur noch um die Ausführung von Dingen geht, die andere entschieden haben. In der Breitenmasse der Aktiven vor Ort dürfte es sehr schwer sein, zu vermitteln, warum man sich auf Bundesebene mit Fragestellungen wie

Der ADFC benötigt in Zukunft, neben ideellen und verbandspolitischen, auch wirtschaftliche Kriterien zur Beurteilung seiner Dienstleistungen/Produkte.

beschäftigt. Schon die Sinnhaftigkeit der CI-Regeln, die schon länger bestehen, konnte ich zu meiner aktiven Zeit im ADFC nicht wirklich vermitteln. Schon das sind Fragestellungen, die unendlich weit weg sind von Leuten, die Radtouren in die Nachbarstadt anbieten oder mehr oder auch weniger Radwege auf ihren Alltagswegen fordern. Spannend bleibt also der Spagat zwischen Leuten, die sich für Problem vor Ort interessieren und mittel- bis langfristigen Zielsetzungen auf Bundesebene. Da kann es vor Ort sinnvoll erscheinen, einen Radweg zu fordern (und eine Schutzstreifen zu bekommen), obwohl das ein System manifestiert, dass den mittel- und langfristigen Zielsetzungen einer Verkehrswende entgegen steht. Apropos Verkehrswende. Auffallend ist, welche Rolle der Begriff Verkehrswende bei der Befragung spielt, ohne das nur ansatzweise definiert ist, was damit gemeint ist. Der Begriff wird doch sehr unterschiedlich gefüllt. Und kaum ein Aktiver wird erst einmal ergoogeln, was der Bundesvorstand darunter aktuell versteht.

Wie seht ihr die Entwicklung und die strukturelle Neuausrichtung? Was wünscht ihr euch für eine Verbandsstruktur vom ADFC?

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar (Testphase) über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert