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Ist der abnehmende PKW-Besitz bei jungen Leuten ökologisch?

Grünen-Politiker, Rad-Aktivisten und Andere argumentieren gerne damit, dass junge Leute eher seltener ein PKW haben und/oder Führerschein besitzen und deuten dies als ein Wandel hin zu einem ökologischeren Verhalten. In einem Aufsatz1 argumentiert Christian Holz-Rau, Mobilitätsforscher an der TU Dortmund, in genau die gegenteilige Richtung. Er deutet diese Entwicklung als Ausdruck einer stärkeren Fernorientierung aufgrund der der Verzicht auf das eigene Auto die Konsequenz aus den besonders verkehrsaufwendigen und klimaschädlichen Handlungsmuster ist. Im Hintergrund sieht er in Politik und Gesellschaft das Leitbild der Globalisierung wirken, das eo ipso eine weiteren Zunahme gerade des Personen- und Güterfernverkehrs bedeutet. Die meisten Analysen des Verkehrsverhaltens jedoch blenden jedoch das Verkehrsverhalten jenseits des Wohnortes aus und stellen daher ein Rückgang fest, obwohl der Verkehrsaufwand und die klimawirksamen Emissionen aus Alltags- und Fernverkehr insgesamt steigen. Sollten sich Sharing-Konzepte durchsetzen, rechnet er damit dass das gesparte Geld für Flugtickets ausgegeben wird.

1 Holz-Rau, Christian 2007 (in Erscheinen): Verkehr und Verkehrswissenschaft. Verkehrspolitische Herausforderungen aus Sicht der Verkehrswissenschaftt; in Oliver Schwedes (Hrsg.): Verkehrspolitik. Eine interdisziplinäre Einführung. Springer: Wiesbaden.

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar (Testphase) über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

9 Gedanken zu „Ist der abnehmende PKW-Besitz bei jungen Leuten ökologisch?

  • Ich glaube eher, dass es damit zusammen hängt, dass der Führerschein immer teuer wird und man nicht mehr wie zu meiner Zeit das erste billige Auto für ein paar hundert Mark kaufen kann.
    Immer mehr junge Leute haben keine Arbeit oder stecken in Jobs mit Hungerlöhnen, da ist das Auto schon ein Kostenfaktor den man sich erstmal leisten können muss.

    Ich habe meinen Führerschein Ende der 90er gemacht für unter 1000DM, das erste Auto hat 500DM gekostet mit frischen TÜV, ein Liter Sprit hat etwas über eine Mark gekostet.
    Auch die Versicherungen waren um Längen günstiger, gerade für Anfänger.

    Und um meine These etwas zu stützen, meine Tochter ist 19 Jahre, sie selber hat „nur“ den Führerschein für 125ccm Motorräder, in ihrem Freundeskreis haben soweit ich weiß 3 Leute einen Führerschein und ein Auto, die anderen haben das Geld einfach nicht „über“.
    Und … von den drei Leuten mit Auto sind zwei von den Eltern finanziert.

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    • Norbert Paul

      Der eigene Bekanntenkreis ist selten repräsentativ für den Bevölkerungsquerschnitt, daher sollte man von diesem nicht auf die Gesamtbevölkerung schließen.

      Auch früher gab es arme junge Erwachsene, nur waren die außerhalb der Wahrnehmung der Mehrheitsbevölkerung. Es gibt Entwicklungen, ja, aber dramatische Umbrüche lassen sich m. W. nicht belegen. Und die Generation Praktikum ist vor allem ein Phänomen im Bereich von Journalismus und die haben den Fehler gemacht, zu glauben, dass das überall so wäre.

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      • Also ich glaube schon, dass das finanzielle hier eine große Rolle spielt.
        Wie gesagt, für einen Lehrling kostete der Führerschein mal ein bis zwei Monatslöhne, heute schnell mal bis zu vier Monatslöhne.

        Keine Frage, ich freue mich auch, wenn weniger Autos auf dem Straßen unterwegs sind und die Leute eher zu Alternativen greifen.
        Aber ich glaube nicht, dass es in den meisten Fällen am Umweltbewusstsein oder so liegt.
        Ich meine, dass es ganz einfachere Gründe hat.

        Selbst bei mir gab es Zeiten, wo es mit dem Geld nicht so rosig aussah, da habe ich auch das Auto abgemeldet und verkauft und bin komplett auf Fahrrad umgestiegen. Seiner Zeit waren dass pro Arbeitsweg etwas über 20km, das hat man dann schon im Geldbeutel gemerkt.
        Jetzt bin ich so weit, dass ich den Leuten sage, dass man nicht für jeden Meter das Auto nehmen muss, und dass Fahrräder doch in vielen belangen viel praktischer sind.
        Ab Januar muss ich jeden Tag von Castrop-Rauxel (nähe A2 Henrichenburg) bis nach Hacheney, die Strecke werde ich aus Überzeugung mit dem Fahrrad fahren, obwohl ein Auto hier ist.
        Aber wie gesagt, dieses hat sich im Keim der Notwendigkeit gebildet und ist dann erst zur Überzeugung gewachsen.

        Klar bin ich jetzt nicht für den Schnitt der Bevölkerung zu sehen, bei weitem nicht.

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        • Norbert Paul

          Das widerspricht sich doch nicht. Jährliche Flugreisen können ja durchaus billiger sein als Führerscheinerwerb und Kfz-Unterhalt.

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  • Ich finde es komisch, das Mobilitätsverhalten an ca. 220 Arbeitstagen dem Verhalten an 30 Urlaubstagen oder meinetwegen auch an den restlichen 145 Tagen im Jahr gegenüberzustellen (kaum jemand wird aber jedes Wochenende irgendwohin fliegen). Ganz und gar vernachlässigbar ist vermutlich die Anzahl derer, die täglich fliegen.

    Ja, sicherlich nur eine verschwindend geringe Anzahl Personen bezieht in die Entscheidung über eine Flugreise oder Kreuzfahrt die ökologischen Auswirkungen ein. Geht es um die Wahl des alltäglichen Mobilitätsverhaltens, spielt die ökologie dann schon eine größere Rolle – allein damit lockt man aber dennoch niemanden hinter’m Lenkrad hervor.

    Warum aber sollte jemand auf das Auto verzichten, weil öfter mal irgendwohin geflogen wird? Autobesitz und Flugreisen schließen sich doch nicht aus… Ich könnte mir nur vorstellen, dass sich Leute, die immer mit dem Flugzeug verreisen, kleinere Autos halten, weil man im Flugzeug ohnehin nicht Fahrrad-, Wander-, Kletter-, Schwimm-, Photo- und Stadtausrüstung mitnehmen kann. Jedenfalls ist das für mich ein Grund, weshalb ich noch immer mein Auto hier vor der Tür herumstehen habe – weil ich bei entsprechendem Urlaub all das transportieren will. Andersherum würde ich mir heute vermutlich gar kein Auto mehr kaufen sondern eines für den Urlaub mieten wollen (obwohl die Auswahl tatsächlich geräumiger Mietfahrzeuge verschwindend gering ist, wie wir bei einem 5-Personen-Kletterurlaub schonmal arg eingezwängt feststellen mussten…).

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    • Norbert Paul

      Es geht darum, dass komplett Mobilitätsverhalten zu betrachten und nicht nur den Alltag. Dazu gehören immer längere Alltagswege durch Ausbau der Infrastruktur (ja auch der RS 1 wird den Effekt haben, wenn er vernünftig umgesetzt wird). Dazu gehören auch immer häufig, immer längere Fernreisen. Gerade dort sind die Emissionen besonders problematisch, weil das Hotel mit Schweröl bewegt wird („Kreuzfahrt“) oder die Emissionen richtig schön weit oben erfolgen beim Flug.

      Warum aber sollte jemand auf das Auto verzichten, weil öfter mal irgendwohin geflogen wird? Autobesitz und Flugreisen schließen sich doch nicht aus…

      Die Antwort gibst du eigentlich selber. Weil es eine rationale Entscheidung ist. Man hat keine Parkplatz, wo man es unterstellen kann, während man in der Welt unterwegs ist z. B. Und es braucht eine hohe Anfangsinvestition. Die brauche ich für den Urlaubsflug in der Form nicht.

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  • Norbert Paul

    Zeit Online

    Das Lieblingreiseziel der jungen Leute ist zwar nach wie vor Spanien, doch werden auch Fernreisen immer beliebter. „Hierzu zählen unter anderem Kuba, die Dominikanische Republik, Mauritius oder die USA“, sagt Jennifer Schulte-Tickmann von Urlaubsguru.

    Also Übersee statt Spanien – ob man das ausgleichen kann, indem man statt einem eigene Auto CarSharing oder das Auto der Eltern nutzt, sodass man nicht mehr Klimaschäden anrichtet?

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  • Rüdiger Kladt

    Bei vielen Leuten wird die Wahl des eigenen Autos durch Reichweiten- und Platzbedürfnisse bestimmt, die nur bei Urlauben zutreffen. Viele junge Menschen im städtischem Umfeld, die ich kenne, benötigen für ihre tägliche Mobilität schlichtweg kein Auto und haben deshalb keinen Führerschein. Und ihre Fernreisen organisieren die anders; oft mit dem Flieger am kostengünstigsten.

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    • Norbert Paul

      … aber das produziert immense Mengen Schadstoffe genauso wie der regelmäßige Austausch von Elektronik.

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