DortmundInfrastrukturVerkehrspolitikVerwaltung

Stadt Dortmund hängt Gewerbegebiet vom Schienenverkehr ab und verkauft das als Radverkehrsförderung

Aus einer Reihe von Gründen ist es sinnvoll, den innerstädtischen Kfz-Verkehr drastisch zu reduzieren. Ein Nebeneffekt wird dann sicherlich mehr Radverkehr sein. Im Gegensatz zu einem großen Teil des lautstarken und meinungsmachenden Neuen Radaktivismus möchte ich mich nicht auf die Steigerung des absoluten Radverkehrsaufkommens (ich bin mir häufig nicht mal sicher, ob auch der Anteil des Radverkehrs am Verkehrsaufkommen wirklich im Blick ist) fokussieren, da dies für mich zu kurz greift. Radverkehrsförderung hat für mich Ihren Eigenwert vor allem dann, wenn es darum geht, die Situation für den vorhanden Radverkehr zu verbessern, also z. B. fehlerhaft den Radverkehr einbeziehende Einbahnstraßenregelungen zu korrigieren oder sinnlose Durchfahrtverbote aufzuheben. Wie man diese beiden unterschiedlichen Stoßrichtungen des Begriffes der Radverkehrsförderung sinnvoll in zwei getrennte Begriffe überführen kann, weiß ich noch nicht. Natürlich ist das nicht klar zu trennen, aber den beiden Stoßrichtungen liegen andere Argumentationsmuster zugrunde, von denen es sich lohnen würde, diese diskursanalytisch herauszuarbeiten. In den Kommentaren könnt ihr gerne versuchen, diese Gedanken zu schärfen und weiter zuführen.

Erst genanntes Verständnis ist nicht nur entscheidender Ansporn des Neuen Radaktivismus sondern gerade auch ein Top-Thema der Lokalpolitik. Das Ziel ist aber weitesgehend zum Scheitern verurteilt, da der Ansatz wie der Teufel das Weihwasser das Aufgreifen der Tatsache scheut, dass die erfolgsversprechenste Maßnahme für mehr Radverkehr eine massive Einschränkung des Kfz-Verkehr ist und dabei mehr Radverkehr nicht Ziel sondern Beifang ist. Damit weniger Kfz-Verkehr möglich wird, braucht es selbstverständlich geeignete, bessere Alternativen. Diese sind zwar besser als Kfz-Verkehr, aber immer noch schlechter als der ökologische Nullfall, dem Barfuß-Gehen auf natürlichem Untergrund. Zweitgenanntes Verständnis macht Veränderungen gerade da erforderlich, wo es weh tut, erst genanntes Verständnis macht es viel einfacher, Radverkehr dort zu „fördern“ wo gerade Platz ist.

Ein gutes Beispiel dafür ist eine neue Maßnahme der Stadt Dortmund. Abseits aller zentralen Verbindungen wurde nun im Umfeld des Hafens ein Gleistrasse erworben, die bisher noch nie im Gespräch war und auch keine Lösung für irgendeine bisher bekannte relevante Forderung sein könnte. Im Rahmen des Aktionsprogramm Grüne bekommt Lückenschlüsse bekommt sie nun den Flächenankauf einer bisherigen Bahntrasse im Bereich Gewerbegebiet Westfaliastraße gefördert. Wann dort überhaupt mit einer Planung begonnen wird, steht angesichts des Planungstempos beim RS 1 und dem Gartenstadtradweg sicherlich in den Sternen, so sie nicht von der Lichtemission der vielen Logistikstandorte der Stadt überleuchtet werden. Das Amt für Stadterneuerung verfolge damit das Ziel, die Grundlage für die Entwicklung einer grünen Fuß- und Radwegeverbindung zu schaffen inmitten eines verdichteten Gewerbegebiets und schaffe damit einen Lückenschluss von der Westfaliastraße bis zum südlichen Hafenquartier.

Vielleicht hat ja einer der Leser*innen eine idee, wofür die Trasse gut sein kann. Die ist so abseits der Wohnbebauung, dass sie selbst für die meisten Gassi-Runden uninteressant sein dürfte. Die Stadt meint dazu:

Die Trasse verbindet die Stadtbezirke Innenstadt-West und Nordstadt und knüpft dabei inhaltlich an die drei bedeutenden städtischen Entwicklungsprojekte „SMART RHINO“, Hafenquartier Speicherstraße sowie „Emscher nordwärts“ an. Die Trasse versteht sich auch im Sinne der städtischen Klimaanpassungsstrategie als grüner Korridor, der nachhaltig zur Verbesserung der bioklimatischen Verhältnisse, insbesondere in einem verdichteten Gewerbegebiet, beitragen kann.

Rad (und Fuß-)verkehr zu fördern, wo gerade Platz ist, war in Dortmund bisher noch nie erfolgreich, weil es im Kern gar keine Förderung ist, weil die Maßnahme höchstens untergeordnete Bedeutung hat. Das kann man alles belächeln als hilflosen Aktionismus. Wenn man aber davon ausgeht, dass der ausufernde Kfz-Verkehr das eigentliche Problem ein anderes. Auch unter Ausblendung des Albi-Programms Emmissionsfreie Innenstadt stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit davon, eine dichtes Gewerbegebiet vom Bahnverkehr abzukoppeln und damit das ganz am Anfang genannte Problem zu verstärken und damit alles zu tun, dass es nicht mehr Radverkehr gibt, weil selbst in einer Stadt, in der alle Beton-, Asphalt- und Metallphantasien des Neuen Radaktivismus befriedigt sind, werden dann Emmissionen aller Art auf den ausgebremsten und protecteden Radverkehr einwirken und in vielen Straßen werden sich weiterhin alle Fahrzeuge die Fahrbahn teilen und da werden die durch die angebliche Radverkehrsförderung verunmöglichten Transporte über die Schiene als immer größere LKW unterwegs sein.

Update 12.02.2021:

Gleisanschlüsse für Gewerbegebiete sollen nun die Zukunft sein in Deutschland.

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

2 Gedanken zu „Stadt Dortmund hängt Gewerbegebiet vom Schienenverkehr ab und verkauft das als Radverkehrsförderung

  • Mario Berger

    Hallo Norbert,

    ich muss Dir mal wieder recht geben, die Trasse da bringt dem Radverkehr so ziemlich gar nichts.
    Da wird Geld ausgegeben wo keiner was von hat, aber wenigstens kein heiliger KfZ-Verkehr gestört wird.
    Das Geld was dort verbrannt wird könnte an vielen vielen Stellen besser investiert werden und wenn es nur dafür wäre vorhandene Radwege ordentlich zu sanieren.
    Ich bin auch gelegentlich mit dem Rad in der Gegend unterwegs… wirklich ganz gelegentlich, aber viel Radverkehr oder Fußgänger habe ich da noch nie gesehen. Und wenn ich die Westfaliastraße runter fahre finde ich den Weg sogar für dortmunder Verhältnisse noch angenehm.

    Antwort
  • Jürgen Utecht

    Hallo,
    auf der Gleistrasse möchte das Nahverkehrsmuseum Mooskamp, das ja mit der IGA gehypet wird, einen Museumsverkehr bis zum Hafenanleger realisieren. EIn Radweg macht da wenig Sinn.
    Lieber sollte man sich mein Nordwärtsprojekt zum Nord-Süd Radweg auf dem Gütergleis vom Abzweig Deusen zum Hauptbahnhof mal näher ansehen und umsetzen.

    Gruß Jürgen

    Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert