Zwölf Verbände schreiben offenen Brief an OB Sierau: Autospuren zu Radfahrstreifen umwandeln
Ein Bündnis von zwölf Fahrrad- und Umweltverbänden fordert die Stadt Dortmund auf, an einigen mehrspurigen Hauptverkehrsstraßen den rechten Fahrstreifen mindestens für die Dauer der Corona-Krise in einen Radfahrstreifen umzuwandeln.
„Viele vierstreifige Straßen in Dortmund sind überdimensioniert, dort würde ein Fahrstreifen pro Richtung eigentlich ausreichen“, so Sven Teschke von Aufbruch Fahrrad Dortmund, „und in der Corona-Krise gilt das wegen des stark zurückgegangenen Verkehrs natürlich umso mehr.“ Gerade in solchen Straßen entsprächen die Radverkehrsanlagen oft nicht den heutigen Anforderungen oder fehlten ganz.
In einem offenen Brief an den Oberbürgermeister schlägt das Bündnis vor, in solchen Fällen Teile der Fahrbahn temporär für den Radverkehr zu nutzen. Berlin, Brüssel, Mailand und Paris seien diesen Weg bereits erfolgreich gegangen. Dortmund könne das auch und solle dem Vorbild dieser Städte folgen, fordert das Bündnis, zu dem auch die Dortmunder Gliederungen von ADFC, VCD und VeloCityRuhr und von BUND, Greenpeace und Nabu gehören. Auch das Klimabündnis Dortmund, der Bund Deutscher Architekten Dortmund Hamm Unna und die Parents for Future sind mit an Bord.
„Gerade Umsteiger*innen, die das Rad vor der Corona-Krise nur selten genutzt haben, brauchen Infrastruktur, die Radfahren ohne Angst ermöglicht. Breite, vom Autoverkehr getrennte Streifen sind da eine gute Lösung“, erklärt Peter Fricke von VeloCityRuhr und Aufbruch Fahrrad. Wer jetzt zu Fuß gehe, brauche mehr Platz auf den Gehwegen, um die Distanzregeln einhalten zu können. Von guten temporären Radverkehrsanlagen auf der Straße profitiere also auch der Fußverkehr, weil dann weniger Radverkehr im Seitenraum stattfinde.
Am 19. Mai gibt es Gelegenheit für eine Testfahrt: Auf dem Heiligen Weg wird es nördlich der Ernst-Mehlich-Straße von 17 bis 18 Uhr einen temporären Radfahrstreifen auf dem rechten Fahrstreifen geben. Die Aktion ist als Demonstration angemeldet und wird von der Polizei begleitet. Der Heilige Weg wurde aus gutem Grund gewählt: „Der Abschnitt unter den Brücken ist für den Radverkehr nicht gut gelöst,“ erklärt Thomas Quittek vom BUND, denn der Schutzstreifen höre dort einfach auf. Entweder man fahre auf der Fahrbahn zwischen drängelnden Autos, oder man wechsele auf den holprigen Gehweg. Das sei dort zwar erlaubt, aber keine gute Lösung.
„Wo es auf dem Heiligen Weg schmale Schutzstreifen gibt, ist es eigentlich noch schlimmer“, meint Lorenz Redicker vom Verkehrsclub Deutschland und erklärt: „Die Autos orientieren sich an der Linie, und so wird man von fahrenden und parkenden Autos in die Zange genommen. Wenn da plötzlich eine Autotür aufgeht, dann war es das.“ Dabei sei die Rechtslage in der neuen Straßenverkehrsordnung ganz klar beschrieben: Autos müssten beim Überholen immer mindestens 1,5 m Abstand zu Radfahrenden halten, ganz egal, ob da eine Linie sei oder nicht, erklärt Redicker. Wenn ein Rad auf dem Schutzstreifen fahre, müsse das Auto dahinter bleiben oder den Fahrstreifen wechseln.
Das Bündnis betont, dass es nicht pauschal in allen Straßen Radfahrstreifen anlegen will. Man kenne die Bedenken der Verwaltung, die Mehrarbeit befürchtet für Wege, die dann vielleicht nur einige Monate lang genutzt würden. Darum schlage man einige wenige Pilotprojekte an solchen Stellen vor, an denen die Umsetzung ganz besonders einfach sei. Änderungen von Ampelschaltungen seien beispielsweise aufwändig, darum habe man gezielt solche Vorschläge gemacht, wo diese nicht erforderlich seien: Heiliger Weg, Hohe Straße und den Straßenzug Treib-/Grüne/Steinstraße. Mit den gesammelten Erfahrungen aus den Pilotprojekten könne dann entschieden werden, ob eine Ausweitung sinnvoll sei oder nicht.
Der Offene Brief an den Oberbürgermeister ist hier zu finden, die Steckbriefe der vorgeschlagenen Strecken hier. Und die Regelpläne der Stadt Berlin gibt es hier.