Rad für Buer: Siebzig Radfahrer demonstrieren für breite Radfahrstreifen in Gelsenkirchen
Am Freitag fand um 13.00 Uhr eine Demonstration für breite Radfahrstreifen auf der De-la-Chevallerie-Straße in Gelsenkirchen-Buer statt. Die vierstreifige innerstädtische Straße wird bisher in erheblichem Umfang von Durchgangsverkehr missbraucht, der eine Abkürzung für den vorhandenen, überwiegend ebenfalls vierstreifigen Umgehungsring sucht. Die Verwaltung plant bisher einen 1,5 Meter schmalen Schutzstreifen neben einer fünf Meter breiten Kernfahrbahn.1 Die Demonstranten um Volker Czimmeck fordern den Wegfall einer Fahrspur für den motorisierten Verkehr und echte Radfahrstreifen mit einer Breite von mindestens zwei Metern sowie Tempo 30. Letzteres soll die Strecke auch für den Durchgangsverkehr unattraktiver machen. Auch für die angrenzende Goldbergstraße, auf der ebenfalls schmale Schutzstreifen geplant sind (1,75 Meter neben Längsparkern in östlicher Richtung, 1,25 Meter in westlicher Richtung), werden breite Radfahrstreifen und Tempo 30 gefordert.
Bei gutem Wetter fanden sich etwa siebzig Demonstranten aller Altersgruppen ein. Die auf den ersten Blick seltsame Uhrzeit für die Demonstration führte zu reger Teilnahme von Schülern der umliegenden Schulen. Begleitet von einem Streifenwagen und mehreren Motorradfahrern der Polizei wurden zwei Runden auf der De-la-Chevallerie-Straße gedreht, ohne dass der Verkehr in Gelsenkirchen und Umgebung zusammenbrach. Zwischenfälle mit ungeduldigen Autofahrern gab es nicht, nur ein einzelner Fahrer war offenbar vom Anblick so vieler Radfahrer ein wenig überfordert und zeigte Anzeichen von Orientierungslosigkeit.
Auffällig war das Fehlen von Vertretern des örtlichen ADFC bei der Demonstration. Lediglich ein Vertreter aus Marl fand den Weg nach Buer. Auch die Verkehrswacht, der ja nach eigener Aussage die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr sehr am Herzen liegt, konnte sich nicht zu einer Unterstützung der Demonstration durchringen: Initiator Volker Czimmeck berichtete von einem Telefongespräch, in dem der Leiter der örtlichen Verkehrswacht die Forderungen als „zu weitgehend“ ablehnte. Eine Stellungnahme der Verkehrswacht lag bis Redaktionsschluss nicht vor und wird ggf. nachgereicht.
Bereits die Ankündigung der Demonstration hat zu ersten Ergebnissen geführt: Die Grünen wollen sich nun ebenfalls für eine verbesserte Lösung mit tatsächlich benutzbaren Fahrradstreifen einsetzen. Angesichts der absoluten Mehrheit der SPD im Rat der Stadt und den Ausschüssen bleibt abzuwarten, ob das ausreicht.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, wie die Beschlüsse für die 1,5 Meter breiten Schutzstreifen in den Ausschüssen zustande kamen. Sowohl in der Sitzung des Stadtentwicklungs- und Planungsausschusses2 als auch in der Sitzung des Ausschusses für Verkehr, Bauen und Liegenschaften3 wurde die Planung für die De-la-Chevallerie-Straße anhand einer vermeintlich vergleichbaren Planung in Dortmund erläutert: „Frau Ojstersek erklärte mit Hilfe eines Beispielbildes aus Dortmund, was auf der De-la-Chevallerie-Straße passieren solle. Zu erkennen sei ein überbreiter Fahrstreifen und daneben ein Schutzstreifen“.4 Gemeint ist die Faßstraße in Dortmund5, die Norbert Paul hier ausführlich beschrieben hat. Die Verwaltung hat bei diesem Vergleich gegenüber den Ausschussmitgliedern in zwei ganz wesentlichen Punkten falsche und in irreführender Weise unvollständige Angaben gemacht: Zum einen wird in der Faßstraße gerade kein 1,5 Meter schmaler Schutzstreifen geplant, sondern ein (immerhin) 1,85 Meter breiter Radfahrstreifen. Und zum anderen fehlt die ganz wesentliche Information, dass in der Faßstraße Tempo 30 gelten soll. Radfahrstreifen und Tempo 30 – das sind zwei Kernforderungen der Demonstranten, so dass sich diese Beobachtung sicherlich gut politisch verwenden läßt.
Als schwierig könnte sich die Frage erweisen, wie man die Straßen für missbräuchlichen Durchgangsverkehr unattraktiv macht, ohne dabei die Bedingungen für den Busverkehr, der dort in erheblichem Umfang stattfindet, zu sehr zu verschlechtern: An der Kreuzung De-la-Chevallerie-Straße und Goldbergstraße befindet sich der zentrale Omnibusbahnhof Buer, der im Norden der Stadt der wichtigste Verknüpfungspunkt für den öffentlichen Personennahverkehr ist. Hier treffen zahlreiche Omnibuslinien der Vestischen Straßenbahnen GmbH und der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG zusammen. An einer Verbesserung für den Radverkehr, die dazu führt, dass der ÖPNV im Stau steht, kann niemand Interesse haben. Wegen des extrem starken Busverkehrs ist auch eine gemeinsame Führung von Rad- und Busverkehr keine Lösung.
Volker Czimmeck gegenüber VeloCityRuhr: „Grundsätzlich würde ich das befürworten, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel mit dem Radfahrer zusammen einen Streifen haben. Nur an dieser Stelle mit dieser Nähe zum Busbahnhof und sechzehn Bushaltestationen werden da ständig Busse fahren, und so mancher Schüler wird da Angst haben wegen der Busse. Deswegen würde ich das an dieser Stelle nicht unterstützen, sondern bestehe auf dem mindestens zwei Meter breiten roten Radfahrstreifen.
Damit die Busse nicht im Stau stehen, plädiere ich ja auch für die Umgehung, sodass nur der Pkw-Fahrer nach Buer herein fährt, der auch wirklich in die City will und da auch ein Anliegen hat. Ich glaube nicht, dass das zu viele Fahrzeuge sind. Diejenigen, die nur durch Buer hindurch fliegen wollen, die sollten wirklich drumherumfahren. Braucht natürlich eine Übergangszeit, aber ich glaube schon, dass sich das dann normalisiert.“
Da dürfte einige Arbeit auf die Planer zukommen, die die Ampelschaltungen für den Umgehungsverkehr attraktiv und für den Durchgangsverkehr unattraktiv machen müssen und gleichzeitig durch Vorrangschaltungen den Busverkehr flüssig halten müssen.
Schön, dass die 13-Uhr-Strategie aufgegangen ist und das Radfahrer selbstbewusst Forderungen stellen!
Es gab bei der Demo schon ziemlich kontroverse Ansichten zur Uhrzeit. Aber letztlich hat Peter Lange (einer der Sprecher) Recht, wenn er sagt: Egal, ob 30 oder 70, Hauptsache die Zeitungen berichten (tun sie) und es gibt Druck auf die Politik.
Ich kann das auch nie verstehen warum man den Schutzstreifen oder Radfahrstreifen oftmals auf ein Mindestmaß beschränkt und den daneben verlaufenden Kraftfahrstreifen so großzügig gestaltet.
Die Radfahrstreifen bieten meines Erachtens nach nur dann ausreichend Schutz und machen das Radfahren attraktiv, sicher (und auch “gefühlt sicher“) für Radfahrer, wenn sie ausreichend dimensioniert sind. Und hierzu gehört dann auch ein Mindestmaß von 2 Metern, gerne noch mehr, wenn der Kraftfahrzeugstreifen ebenso noch ausreichend breit ist.
Ich habe kein Problem mit vierstreifigen Fahrbahnen innerorts, nur zeigt das eine Bild doch schön, dass daneben dann gerne noch beidseitig Parkstreifen angelegt werden, so dass der Radverkehr hinten runter fällt. Das kann ich nicht verstehen.
Schaut man nach Holland oder nach Kopenhagen zeigt sich doch, dass es entweder vierspurige Straßen gibt oder Parkplätze am Rand. Beides nur wenn noch genügend Platz für eine Radfahrinfrastruktur gegeben ist.
Je besser ausgebaut eine Straße wirkt, desto eher wird man also verleitet, schnell zu fahren. Ich würde drauf wetten, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit geringer ist, wenn die Spur einen Meter schmaler ist.
Es hat nichts genutzt, der Gefährdungsstreifen ist da: https://velocityruhr.net/blog/2019/07/24/gefaehrdungsstreifen-trotz-protesten-markiert/
Nur die Forderung nach etwas Farbe wurde erfüllt. Aber Farbe ist keine Infrastruktur.