Dortmund will doch keine Fahrradstadt werden
Im Dezember 2019 hat der Rat der Stadt Dortmund beschlossen, dass Dortmund Fahrradstadt werden will und den Anteil des Radverkehrs an allen Wegen verdoppeln möchte. Dortmund wollte sich Kopenhagen zum Vorbild nehmen und den Radverkehr massiv ausbauen. An allen Straßen in der Baulast der Stadt sollten Radwege mit Qualität und einer Regelbreite von 2,3 m entstehen.
Nun hat die Stadt den Entwurf einer Fahrradstrategie für die nächsten zehn Jahre in die politischen Gremien gegeben, und es zeigt sich: Das alles soll nicht mehr gelten. Qualität und breite Radwege soll es nur noch auf einem winzigen Bruchteil der Straßen geben, auf allen anderen sollen nun wieder 1,5 m schmale “Schutz”-Streifen im Türbereich parkender Autos möglich sein. Statt eines vollwertigen Alltagsnetzes in hoher Qualität soll es in den nächsten zehn Jahren nur ein paar kümmerliche Velorouten geben, die dem Radverkehr kaum Vorteile bringen. Ein klarer Zeitplan, verbindliche Zwischenziele und eine engmaschige Kontrolle des Radverkehrsanteils fehlen völlig, sodass noch nicht einmal sichergestellt ist, dass die Stadt das Wenige, was sie sich vornimmt, auch tatsächlich umsetzt.
Aufbruch Fahrrad Dortmund, Campus for Future, Fridays for Future Dortmund, VeloCityRuhr und das Team der Kidical Mass Dortmund lehnen die vorgeschlagene Radverkehrsstrategie daher ab, denn ihre Umsetzung würde zu einem weiteren verlorenen Jahrzehnt für den Radverkehr in Dortmund führen.
Die Radverkehrsstrategie weist aus unserer Sicht vier grundsätzliche Probleme auf.
Erstens folgt sie einer Vorstellung von Radverkehrsplanung, die überholt ist. Weltweit hat sich in den letzten fünfzehn Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass erfolgreiche Radverkehrsförderung das subjektive Sicherheitsgefühl viel stärker berücksichtigen muss und dass Radverkehrsplanung nicht primär für Intensivradler stattfinden soll, sondern ein attraktives und einladendes Angebot für den Alltagsverkehr von Kindern, Ungeübten, Älteren und denjenigen schaffen muss, die heute noch das Auto nutzen. Dazu müssen auf Hauptstraßen Rad- und Kfz-Verkehr stärker getrennt werden und aus Nebenstraßen der Kfz-Durchgangsverkehr herausgenommen werden. Die Radverkehrsstrategie hat dafür nur Lippenbekenntnisse übrig, die ohne konkrete Auswirkungen auf die Qualitätsstandards und die Maßnahmenpakete bleiben und bezieht sich ansonsten nur auf fünfzehn Jahre alte Regelwerke, die de facto veraltet sind.
Zweitens steht sie im Widerspruch zum Ratsbeschluss zur Fahrradstadt Dortmund vom Dezember 2019. Damals waren Qualitätsstandards beschlossen worden. Für alle Radwege an Straßen in der Baulast der Stadt sollte künftig eine Regelbreite von 2,3 m und eine Mindestbreite von 2,0 m gelten. Die Radverkehrsstrategie will den Beschluss aufheben und diese Standards nur noch auf einen winzigen Anteil der Straßen anwenden. Das ist eine Kriegserklärung an die Radfahrenden.
Drittens ist sie unambitioniert und ungeeignet, in den nächsten zehn Jahren eine wesentliche Verbesserung für den Radverkehr zu erreichen. Die geplanten Hauptrouten sollen an Hauptstraßen nur „anlassbezogen“ umgesetzt werden, wenn eine Straße ohnehin umgebaut wird, was vielleicht alle 50 Jahre passiert. Für die Nebenrouten gibt es gar keinen Zeitplan, sie sollen irgendwann in der unbestimmten Zukunft folgen. Das Einzige, was in den nächsten zehn Jahren wirklich umgesetzt werden soll, sind die sogenannten Velorouten, die dem Radverkehr aber wenig nutzen. Die geplanten Velorouten sind heute schon gut befahrbare Tempo-30-Zonen, bei denen man das Tempo-30-Schild durch ein Fahrradstraßenschild austauscht und dabei etwas rote Farbe und viel Marketing mitbringt. Für den Radverkehr verbessert sich kaum etwas, aber für den oberflächlichen Beobachter sieht es so aus, als würde etwas getan. Die Änderung der Vorfahrt von Rechts-vor-Links zugunsten der Veloroute ist zwar ein Pluspunkt. Aber ein paar Velorouten als einziges halbwegs verbindliches Element einer Radverkehrsstrategie, die ein ganzes Jahrzehnt abdecken soll, sind viel zu dürftig.
Viertens fehlen verbindliche quantitative jährliche Ausbauziele für Haupt-, Neben- und Velorouten ebenso wie ein Zeitplan, Zwischenziele und eine regelmäßige Erfolgskontrolle auch bezüglich des Radverkehrsanteils. Das Fehlen dieser Instrumente in der Vergangenheit hat dazu geführt, dass die Stadt in den letzten 25 Jahren alle selbst gesteckten Ziele zur Steigerung des Radverkehrs verfehlt hat. Schon die alte Radverkehrsstrategie des Masterplans Mobilität aus dem Jahr 2004 sollte den Radverkehr bis 2020 deutlich erhöhen und scheiterte dabei krachend: Der Radverkehr stieg nur von 9,9 % (2005) auf 10,1 % (2019), weil es keine verbindlichen Ausbauziele und keine Erfolgskontrolle gab. Das darf sich nicht wiederholen.
Eine Erläuterung der einzelnen Argumente, konstruktive Verbesserungsansätze sowie weitere Kritikpunkte finden sich in der ausführlichen Stellungnahme:
Der Entwurf der Radverkehrsstrategie der Stadt ist hier zu finden.