Berlin macht sich erst nach Urteil die notwendigen Gedanken zur Anordnung eines Popup-Radweges
Vor einigen Wochen war der Neue Radaktivismus entsetzt. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte festgestellt, dass gut gemeint noch lange nicht rechtskonform ist und entschieden, dass die vorliegende Anordnung eines Popup-Radweges vermutlich rechtswidrig ist und daher aufzuheben ist. „Vermutlich“ deswegen, weil es ein Eilverfahren war. In so einem Verfahren wird noch keine endgültige Entscheidung getroffen.
Die Entscheidung war – anders als von Peter Fricke hier nach dem Urteil nahegelegt – keine Entscheidung zur grundsätzlich Unzulässigkeit. Vielmehr stellte das Gericht die grundsätzliche Möglichkeit nicht in Frage sondern stellte darauf ab, dass die vorgenommene verkehrsrechtliche Anordnung nicht sachgerecht ist. Das ist Rechtsstaatlichkeit, die auch der Neue Radaktivismus wie auch der Traditionelle Radaktivismus von der Verwaltung und den Gerichten einfordern.
Nachdem die Stadt Berlin sich die Hinweise aus dem Verwaltungsgerichtsverfahren zu Herzen genommen hatte, hat das OVG Berlin nun entschieden, dass die rechtliche Bewertung unter Berücksichtigung der neu beigebrachten Unterlagen nun im eigentlichen Verfahren vermutlich anders ausfallen wird.
Wenn man etwas aus den Eilverfahren als – wie man das heute im Hochschulbetrieb sagt – Take-Home-Massage mitnehmen möchte: Jeder Radweg-Anordnung muss sich an der Anforderung von § 49 IX 1 StVO messen.
Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist.
Damit verbunden ist, dass sich die Straßenverkehrsbehörde mit dem jeweiligen Einzelfall auseinandersetzen muss. Sie muss in der Anordnung den Anlass für ihr Tätigwerden begründen und warum dies ein Handeln erforderlich macht. Danach muss sie darlegen, welche Maßnahme sie deswegen ergreifen muss und deutlich machen, warum diese geeignet ist.
Der Vorsitzende des ADFC, Burkhard Stork, nahm das Urteil zum Anlass für die Forderung, genaue Prüfungen in Zukunft sein zu lassen:
Was jetzt passieren muss: Die Hürden für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur müssen weg. Es kann nicht sein, dass eine Kommune erst Fahrradunfälle nachweisen muss, um einen Radweg anlegen zu können. Es muss reichen, dass er wichtig für das kommunale Radverkehrsnetz ist. Das ist auch im Sinne der kräftigen Fahrradförderung, wie sie die Bundesregierung im Klimapaket vorsieht. Hier muss der Gesetzgeber ran!
Stork will also Radwege bauen, um welche zu bauen. Egal ist ihm dabei, ob diese in irgendeiner Weise notwendig sind, was in den meisten Fällen wohl gleichzusetzen ist mit der Frage, ob diese die Sicherheit erhöhen. Wer in Deutschland unterwegs ist, dass es genug Beispiele gibt, in denen es mehr als zweifelhaft ist, dass Radwege die Sicherheit erhöhen. Daher bedarf es im Gültigkeitbereiches unserer Rechtsordnung einer Prüfung, ob eine beabsichtige hoheitliche Maßnahme wie der Anordnung einer Radwegbenutzungspflicht die Prüfung der Geeignetheit.
Stork will Radwege um jeden Preis. Mit Benutzungspflicht, denn statt gegen die Kopplung der Benutzungspflicht mit den bekannten Blauschildern anzugehen, geht er lieber gegen die Hürden vor, die nicht ohne Grund in der StVO stehen um Murks zu verhindern.
Was ich im Artikel vergessen habe, ist die Tatsache, dass es gar nicht so lange her ist, dass der ADFC meines Wissens nach an den entscheidenden Urteilen beteiligt war, die dazu führten, dass Benutzungspflichten eben aufgrund dieser Anforderungen fallen.
Ob er eine generelle Benutzungspflicht will ist mir nicht klar. Gilt doch im Neuen Radaktivismus, die These, dass gute Radwege keine Benutzungspflicht brauchen.
Vielleicht sollte ich noch ergänzen, dass ein schwarz-weiß-Denken hier falsch ist. Stork ist ein Kind unserer Zeit und hat in seiner Prae-ADFC-Phase wohl gelernt, wie das Spiel funktioniert.
https://www.nordstadtblogger.de/lobbyrepublik-und-die-sozialoekonomische-krise-marco-buelow-ueber-politik-demokratie-und-veraenderungsbedarf/
Der ADFC verfolgt diese Strategie und es funktioniert doch. Und die Radentscheide, die ähnlich ticken, funktionieren doch auch. Sie bekommen verkehrsplanerisch und rechtssystematisch nicht so überzeugende Gesetze (unabhängig vom Inhalt). Das muss man erst einmal schaffen.