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Vorfahrt fürs Fahrrad!

Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) ist eine Arbeitsgemeinschaft der deutschen Jugendverbände. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen die Interessen der Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Er vertritt ihre Interessen und Forderungen gegenüber dem Parlament und der Regierung sowie gegenüber europäischen Institutionen und nimmt laut Satzung auf die Jugendpolitik und die Entwicklung der Jugendgesetzgebung Einfluss. Er wirkt darüber hinaus im Interesse der Jugend in zahlreichen Organisationen der Jugendbildung, Jugendhilfe und Jugendarbeit mit. Im Deutschen Bundesjugendring arbeiten mehr als 50 Mitgliedsorganisationen zusammen. Neben den 16 Landesjugendringen gibt es 29 Jugendverbände oder Dachstrukturen als Vollmitglieder und sieben Anschlussverbände. Insgesamt sind rund sechs Millionen Jugendliche im DBJR organisiert.

Vorfahrt fürs Fahrrad!


Die DBJR-Vollversammlung hat am 26./27. Oktober 2018 die Position „Vorfahrt fürs Fahrrad – für eine Verkehrswende insbesondere im urbanen Raum!“ beschlossen:

Der Deutsche Bundesjugendring und die in ihm zusammengeschlossenen Jugendverbände und Jugendringe setzen sich für ein Recht auf Mobilität ein, das unabhängig vom ökonomischen Kapital des Individuums bestehen muss. Ein solches Recht, das wichtige Grundlage für die Teilhabe am öffentlichen Leben ist, kann nur durch die Implementierung nachhaltiger Verkehrskonzepte umgesetzt werden. Diese müssen sich konsequent von der Forcierung des motorisierten Individualverkehrs verabschieden und neben einer umfassenden Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und der Entwicklung von fußgänger*innenfreundlichen Verkehrskonzepten das Fahrrad als zentrales Verkehrsmittel im urbanen Raum begreifen.

Für einen Großteil der jungen Menschen ist das Fahrrad heute schon das wichtigste Verkehrsmittel und aus dem Alltag nicht wegzudenken. Sie sind die Gruppe, die das Fahrrad am häufigsten für die alltäglichen Wege nutzt. Nicht nur Jugendliche, die aufgrund des Alters und/oder der ökonomischen Lage nicht die Möglichkeit haben das scheinbare Privileg des Personenkraftverkehrs oder den ÖPNV wahrzunehmen, sind auf das Fahrrad angewiesen. Für viele fällt die Wahl bewusst auf das Fahrrad als Fortbewegungsmittel. Es ermöglicht günstige unabhängige Mobilität und hat in Städten sowohl für das Individuum als auch für die gesamte Bevölkerung große Vorteile gegenüber motorisiertem Individualverkehr (umweltbewusste Mobilität, gesundheitsfördernde Fortbewegung, bessere Erreichbarkeit von Zielen in der Stadt, schnellere Fortbewegung in der Stadt, Entlastung der Parkplatzsituation in Städten). Durch die starke Zunahme der Nutzung von Elektrofahrrädern, haben sich neue Spannungsfelder und Sicherheitsaspekte eröffnet. Schon auf Grund dieser Wandlung ist eine Erneuerung des innerstädtischen Fahrradverkehrskonzeptes unerlässlich.

Das Ziel einer nachhaltigen zukunftsfähigen urbanen Verkehrsstrategie muss sein, mehr Verkehr auf Fahrräder, Fußgänger*innen und den ÖPNV zu verlagern, damit sich Schadstoffemissionen langfristig reduzieren. Die ökologische Perspektive ist hier zentral für die zukunftsfähige Entwicklung von urbanen Räumen. Wir begrüßen die vielseitigen zivilgesellschaftlichen und auch staatlichen Entwicklungen, die sich in den letzten Monaten zu diesem Themenkomplex abgezeichnet haben und fordern, dass ganzheitliche Verkehrskonzepte deutschlandweit entstehen, die das Fahrrad in Kombination mit dem ÖPNV als zukünftige Hauptverkehrsmittel im urbanen Raum begreifen.

Wir fordern daher von der Bundesregierung:

  • die deutliche Erhöhung der Bundesmittel zur Radverkehrsförderung,
  • dass sie sich auf EU-Ebene für eine gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung von Abbiegeassistenten bei LKW einsetzt,
  • die Implementierung einer Öffentlichkeitsarbeit, die insbesondere junge Verkehrsteilnehmende über die Rolle und Rechte von Fahrradfahrer*innen aufklärt,
  • die Förderung von Verkehrssicherheitstrainings und Schulungen für Verkehrsteilnehmende,
  • die Möglichkeit der Abrechenbarkeit von Fahrradkilometern, Fahrradanschaffungen und -verschleiß im Bundesreisekostengesetz und in der Förderung aus dem Kinder- und Jugendplan zu schaffen,
  • ein flächendeckendes Förderprogramm für Fahrräder, insbesondere Lastenräder,
  • (finanzielle) Anreizsysteme für Kommunen, um den Fahrradverkehr zu fördern.

Wir fordern von den Kommunen:

  • Die konsequente bauliche Trennung von Straßen, Radwegen und Fußwegen,
  • Eine stärkere Berücksichtigung des Radverkehrs in der Stadt- und Verkehrsplanung,
  • den Ausbau von Radschnellwegen und Fahrradstraßen auch dort, wo dies Einschränkungen für den Kraftverkehr zur Folge hat,
  • Radwege weit über das Mindestmaß zu verbreitern, sichere Fahrradabstellanlagen flächendeckend auszubauen,
  • Beschädigungen und Verschmutzungen von Radwegen mit einem transparenten Meldeprozess schnell und effektiv zu beheben,
  • das konsequente und gleichberechtigte Räumen von Radwegen analog zu Fußwegen und Straßen durch den Winterdienst von Städten und Kommunen,
  • das Parken und Halten von KFZ auf Radwegen konsequent zu verfolgen und zu ahnden,
  • die Verkehrsführung, insbesondere an Ampelanlagen, zugunsten des Radverkehrs zu verändern,
  • den Umbau von Kreuzungen zur Steigerung der Sicherheit von Fahrradfahrer*innen,
  • die grundsätzliche Förderung, aber auch stärkere Regulierung von Fahrradverleihsystemen,
  • preisgünstige Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln.

 

Mehrheitlich bei acht Gegenstimmen beschlossen von der DBJR-Vollversammlung am 26./27. Oktober 2018 in Dresden.

Peter Fricke

Peter aus Dortmund schreibt mit der Absicht, auch von jenseits der Stadtgrenzen zu berichten. Interessiert sich für Infrastruktur und die Frage, wie man des Rad als Verkehrsmittel für die große Mehrheit attraktiv machen kann. Ist leider nicht in der Lage, mit Falschparkern auf Radverkehrsanlagen gelassen umzugehen. Per E-Mail erreichbar unter peter.fricke, dann folgt das übliche Zeichen für E-Mails, und dann velocityruhr.net.

6 Gedanken zu „Vorfahrt fürs Fahrrad!

  • Peter Maier

    Sehr schön. Ich sehre zwar nicht nur bei jungen Verkehrsteilnehmenden Aufklärungsbedarf über die Rolle und Rechte von Fahrradfahrer*innen, sondern altersunabhängig bei vielen Verkehrsteilnehmenden. Wenn sie kraftfahren, wirkt sich das besonders negativ aus.

    Antwort
    • Alfons Krückmann

      Aufklärung über bestehende Rechte und Pflichten ist das Eine.
      Genauso wichtig wäre eine Veränderung der gesetzlichen Grundlagen, die in weiten Teilen die Dominanz des MIV zementieren, und die einer ökologischen Verkehrswende an allen Ecken und Enden Steine in den Weg werfen.
      Artikel 2.2 GG Satz1 und 2.2 GG Satz 2 wird durch das geltende Verkehrsrecht immer noch massiv negiert. Satz 3 wird dabei in bizarrem Ausmass überdehnt.
      Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit darf nicht länger durch das untergeordnete ‚Recht auf Automobilität‘ missachtet werden.
      Da hilft dann auch keine Status-Quo basierte Separation. Es braucht einen echten Paradigmenwechsel auch in der Legislative und kein ‚Weiter So‘ auf den neuen separierten „Radwegenetzen“.
      Auch Art. 2.1 GG wird gerade im Kinder- und Jugendbereich, aber auch im Bereich Inklusion/Senioren durch die herrschende automobile Gesetzgebung grob missachtet.

      Davon ab böte natürlich die bestehende StVO bei entsprechender Auslegung Ansatzpunkte (Sichtfahrgebot, §1.1 u.a.), aber hier stellt sich das Problem, dass Gerichte gerade in den unteren Instanzen oft genug im Sinne des automobilen Paradigmas urteilen.

      Eu schreibst „Rolle und Rechte“ !
      Wenn begriffen würde, dass dieses Begriffspaar derzeit – im Sinne einer „Rolle“ innerhalb einer ökologischen Verkehrswende, also einer potentiellen Rolle – einen Antagonismus darstellt, wären wir vielleicht einen Schritt weiter.
      Bis auf Weiteres aber ist die „Rolle“ des Radverkehrs die, für flüssigeren Autoverkehr auf den längeren Distanzen zu sorgen und die MIV-Erreichbarkeitsradien weiter auszuweiten.
      Separation sei Dank.

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      • Norbert Paul

        Dein utopistisches Denken ist nicht kompatibel mit den Steuerungsparadigmen des Neoliberalismus, bei dem nur der sich kooperativ zeigende und im Sinne des Staates handelnde Bürger ein guter Bürger ist. Bürgerinnen haben selbst Verantwortung zu übernehmen und Vorsorge gegen die Unbillen des Lebens zu betreiben durch private Rentenversicherungen, Fahrradhelme, Warnwesten, Gesundheitstrekking, als Vorsorge verkaufte Früherkennung, gesundes Essen, Sport … Diese Bürger*innen stellen auch nur „zulässige“ Forderungen, um Kooperationsbereitschaft aufzuzeigen. Ohne die jeweilige Sinnhaftigkeit und Richtigkeit zu diskutieren, fällt doch auf, dass sich große Überschneidungen zwischen staatlichen Programmen und Radaktivisten gibt („Radfahrer müssen geschützt werden“, „Es braucht mehr sichere Radwege“, „Lastenräder fördern für den Klimawandel“, „Mehr Werbung für den Radverkehr“ (statt Restriktionen für den Autoverkehr), „Irgendwer soll freiwillig mehr Radfahren, weil das gut fürs Klima ist.“ …). In der Fachliteratur unter dem Stichwort Governance verhandelte Dinge.

        Antwort
  • Norbert Paul

    Der Begriff Verkehrswende ist nicht unumstritten, da „wenden“ bedeutet, da hin zurück zu fahren, wo man herkommt. (Editorial in Mobilogisch 2/18)

    Antwort
  • Christoph S

    ….fordern eine „konsequente bauliche Trennung von Straßen, Radwegen und Fußwegen“
    Interessant.
    Augenscheinlich haben die Mitglieder des Deutschen Bundesjugendrings die Dominanz des MIV derart verinnerlicht, dass sie „Straße“ mit „Fahrbahn“ gleichsetzt und diese als originäres Revier des motorisierten Verkehrs betrachten.
    So fehlt auch konsequenterweise die Forderung nach Reduktion des MIV. „das Fahrrad in Kombination mit dem ÖPNV als zukünftige Hauptverkehrsmittel im urbanen Raum begreifen“ ist einfach. Nur umsetzen wird es man es mit dieser Wasch-mir-den-Pelz-aber mach-mich-nicht-nass-Forderungen nicht können. Nicht mal mit allen.
    Schöne Radwege reichen nicht.

    Antwort
  • Alfons Krückmann

    Schön wenn sich Organisiationen vermehrt den wachsenden Problemen mit dem überbordenden Autoverkehr zuwenden.
    Einerseits.
    Andererseits ist es umso bedauerlicher, dass die Diskurshoheit klar in Richtung Separation gedreht worden ist.
    Bislang hat es noch keine der Separationsregionen geschafft mittels Separation den Autoverkehr zurückzudrängen.
    NL hatte über viele Jahre intensive Separation (auf höherem Qualitätsniveau als es für D zu erwarten steht) und wies parallel stark steigende Autoverkehre auf. Über lange Jahre lagen die Steigerungen weit über denen in Deutschland oder etwa GB.
    Dann auch noch die üblich gewordene Ausrichtung auf die urbanen Verkehre.
    Diese machen in der Mehrheit Kurztrecken unterhalb von 5KM aus.
    Selbst wenn hier eine 100%ige Verlagerung aufs Fahrrad gelänge würde das gerade mal eine Reduktion von MAXIMAL 6% der Verkehrsleistung ausmachen.
    Werden die zusätzlich induzierten mittleren und längeren Distanzen des MIV in die Rechnung aufgenommen sind zumindest in den Wachstumsregionen sogar negative Umwelteffekte wahrscheinlich (Erhöhuing der Verkehrsleistung des MIV).
    Bliebe auf der Habenseite noch eine lokale Entlastung der Innenstädte von Emissionen und Lärm.
    Immerhin, aber auch hier sind weitere Politikfelder zu beachten:
    gerade die urbanen Krnbereiche sind verstärkt Ziel von Gentrifizierungsprozessen. Was passiert in der Folge?
    Finanziell Schwächere werden verdrängt, hoher Wohnflächenverbrauch pro Person im inneren Bereich, Verstärkung des Trends zur Re-Suburbanisierung, ähnlich der Entwicklung in den 70er Jahren.

    Was ökologisch hülfe, wäre eine wirksame Verlagerung der Reisezeiten (Entschleunigung des MIV, Beschleunigung des Umweltverbundes) um die Erreichbarkeitsradien mit Präferenz Umweltverbund zu verschieben.
    Bei den Separations’lösungen‘ wird leider in der Regel das Gegenteil erreicht.

    Typisch leider auch, dass mal wieder das Freihalten von Radwegen von MIV gefordert wird, ohne auch nur einen Buchstaben für das Freihalten von Gehwegen zu verlieren, die im Übrigen oft genug niocht nur von Blechkisten, sondern auch von Fahrrädern zugestellt werden.

    Ich seh’s trotzdem überwiegend positiv, da einige Forderungen in die richtige Richtung gehen.
    Zwingend notwendig für die Transformation von ‚Radverkehrsförderung‘ hin zu einer echten ‚ökologischen Verkehrswende‘ wäre es allerdings endlich das dümmliche Separationsdogma aufzugeben und endlich eine realistische Folgenabschätzung von Massnahmepaketen auf den Gesamtverkehr zu betreiben.
    Selbstverständlich sind dabei Reboundeffekte (vor allem induzierte MIV-Verkehre) zu berücksichtigen, statt einfach blind den griffigen populistischen ‚Heilslehren‘ hinterherzurennen und dann Jahre später mal wieder ganz verblüfft zu sein, dass der Autoverkehr trotz der tollen ‚Radverkehrsförderung‘ massivst zugenommen hat.
    Der ‚Biosprit‘ hätte doch eigentlich eine Lehre sein können, dass qualifizierte Folgenabschätzungen NOTWENDIGER Bestandteil von Massnahmen zur ökologischen Umgestaltung sein MÜSSEN.

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