Historischer Radweg restauriert: Brandneu und kein Stück besser
Achtzig Zentimeter breite Holperwegelchen, mit absurden Verschwenkungen zwischen Hindernissen hindurch und im spitzen Winkel über schlecht abgesenkte Bordsteine geführt, selbstverständlich benutzungspflichtig, obwohl nebenan eine schnurgerade Fahrbahn ohne erkennbare Gefahrenstellen verläuft – so baute man in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts jene Altlasten, die uns heute so manches Kopfzerbrechen und so manchen freiwilligen Umweg (oder Konflikt mit dem Gesetz) bescheren.
Heutzutage weiß man es natürlich besser. Kennt die Empfehlungen für den Bau von Radverkehrsanlagen, die Mindestbreite von zwei Metern, die Bedeutung guter Oberflächen, freier Sichtlinien und einer klaren Trennung vom Fußverkehr.
Nur in der fahrradfreundlichen Stadt Dortmund ist die Zeit offenbar stehen geblieben: Am Südwall wurde eine Radwegkarikatur aus dem vergangenen Jahrhundert nicht etwa an heutige Standards angepasst oder gleich die ganze Straße einer Überprüfung unterzogen. Stattdessen wurde das gute Stück detailgetreu restauriert, als würde es sich um ein erhaltenswertes Baudenkmal handeln. Noch nicht einmal das „fahrradfreundliche“ Holperpflaster, auf das Dortmund so stolz ist (Schreiben der Verwaltung, Antwort 16), wurde verwendet – vermutlich „aus gestalterischen Gründen“ und um die authentische Optik und das Fahrgefühl des historischen Wegs nicht zu gefährden. Dass weder die schlecht abgesenkte Bordsteinkante noch die Verschwenkung oder die Hindernisse beseitigt wurden, ist dann natürlich nur konsequent.
Einziger Pluspunkt ist die gute farbliche Absetzung vom Gehweg. Im Bestand unterscheiden sich an vielen Orten die Grautöne von Geh- und Radweg oft nur durch einen minimalen Rotstich des Radwegs, der bei Dunkelheit oder Nässe gar nicht mehr zu erkennen ist und so völlig unnötige zusätzliche Konflikte mit Fußgängern erzeugt, aber auch mit ab- und einbiegenden Fahrzeugführern, die nicht erkennen können, dass dort ein Radweg verläuft. Dieser Pluspunkt reicht aber beim besten Willen nicht aus. Die Straße ist extrem breit und hat mehr als ausreichend Platz für angemessene Infrastruktur für alle Verkehrsarten, wenn man die Flächen richtig verteilt. Eng wird es nur, wenn man der Meinung ist, sieben Fahrstreifen für den fließenden und ein weiterer für den ruhenden Kfz-Verkehr seien vollkommen alternativlos.
Die Stelle ist sicherlich noch eine der harmloseren Karikaturen in Dortmund – aber solange so ein Murks originalgetreu restauriert wird, statt die offensichtlichen Konstruktionsfehler zu beheben (und in ähnlich schlechter Form sogar neu geplant wird), habe ich vollstes Verständnis dafür, dass manche Radfahrer dem Trugschluss „fast alle Radwege sind schlecht, also kann es niemals gute Radwege geben“ zum Opfer fallen.
Als besonderes attraktivitätssteigerndes Element, werden Geisterradfahrer*innen durch eine Werbesäule verdeckt und beim Kurvenfahren muss man auch auf Pfosten achten. So sorgt man für immer aufmerksame Verkehrsteilnehmer’innen.
Geisterradfahrer*innen sind am Wall ja wirklich keine Seltenheit. Erlebe ich jeden Tag. Bei der Werbesäule steht auch mal gerne eine Glastür offen, das könnte in der Nacht gefährlich werden.
Zu den Radwegen in Dortmund im allgemeinen: Ein Besuch in den Niederlanden könnte die Augen öffnen. 😉
Du sprichst ein großes Wort gelassen aus. 🙂