Radkultur

Drei tragische Fahrradunfälle in Essen – dringender Handlungsbedarf für sichere Infrastruktur

Essen wird aktuell von einer Serie tragischer Fahrradunfälle erschüttert: Innerhalb weniger Wochen sind drei Menschen bei Fahrradunfällen ums Leben gekommen. Diese Todesfälle ereigneten sich rund um den jährlichen „Ride of Silence“, der am 15. Mai in Essen stattfand – einer weltweiten Gedenkfahrt für getötete Radfahrende. Die zeitliche Nähe macht deutlich, dass der Ruf nach sicherer Radinfrastruktur nicht nur berechtigt, sondern überfällig ist. Die konstante Priorisierung des Autoverkehrs um jeden Preis kostet Menschenleben. Somit bleiben die Beschlüsse der Politik zum Radentscheid Essen nur reine Show, während die Verwaltung schon scheitert rechtssichere Anrodnungen in Fahrradstraßen auf den Weg zu bringen. Gleichzeitig sind weite Teile des Rates immernoch ideologisch autogerecht unterwegs und blockieren Dinge, die in anderen europäischen Ländern und Großstädten, mit denen der Wirtschaftsstandort Essen in Konkurrenz steht, längst Normalität sind. Metropolen wie Paris und London demonstrieren seit Jahren, wie der Schutz der Menschen und der Ausbau der Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer die Lebensqualität erhöhen.
Während dort die Städte lebenswerter, sauberer und leiser werden, sieht die Bilanz von Oberbürgermeister Thomas Kufen und seiner Verwaltung in Essen in dieser Wahlperiode im Radverkehr und beim 25%-Ziel der Grünen Hauptstadt verherrend aus. Kaum Radwege, juristischer Grabenkrieg auf der Rüttenscheider Straße und Stillstand bei der Schaffung neuer Wege. Egal ob neue tödliche „freie Rechtsabbieger“, Schutzstreifchen oder und die fehlende bautliche Trennung: Moderner Radverkehr findet woanders statt.

Die Politk interessiert sich im Gegesensatz zu Gewaltverbrechen offenbar nicht für die Opfer im Straßenverkehr. Stellungnahmen der Parteien sind bisher jedenfalls nicht zu finden.

Für alle Unfälle sucht die Polizei Essen noch Zeugen:


Radfahrerin stirbt zwei Wochen nach Unfall in Essen-Südviertel

Am 12. Mai kam es auf der Rellinghauser Straße zu einem folgenschweren Unfall: Eine 47-jährige Radfahrerin kollidierte mit einem Pkw. Sie wurde schwer verletzt und verstarb am 26. Mai im Krankenhaus. Der Unfall ereignete sich in Höhe der Fußgängerampel Richard-Wagner-Straße, als die Frau offenbar die Fahrbahn querte. Die genaue Dynamik des Unfalls bleibt unklar.


Pedelecfahrer (82) stirbt nach Sturz in Essen-Bredeney

Bereits am 11. Mai stürzte ein 82-jähriger Pedelecfahrer auf der Norbertstraße schwer. Vermutlich versuchte er, einen Absperrzaun zu umfahren, als er mit dem Hinterrad an einer Bordsteinkante hängen blieb. Eine vorbeifahrende Radlerin fand ihn bewusstlos vor. Trotz Reanimation verstarb der Senior wenige Tage später am 15. Mai im Krankenhaus. Der genaue Hergang konnte nicht abschließend geklärt werden.


75-jähriger Radfahrer stirbt bei Lkw-Kollision in Essen-Kray

Am 26. Mai ereignete sich ein weiterer tödlicher Unfall an der Kreuzung Schönscheidtstraße / Am Zehnthof, als ein 75-jähriger Radfahrer mit einem Lkw kollidierte. Beide Fahrzeuge wollten offenbar nach links abbiegen, als es zur Kollision kam. Der Radfahrer erlitt tödliche Verletzungen und verstarb noch am Unfallort.

Brisant: Die Kreuzung wurde erst kürzlich umgebaut – inklusive sogenannter „Fahrradquetschen“, bei denen Radfahrende in enge, konfliktanfällige Bereiche gedrängt werden. Verkehrssicherheitsinitiativen hatten bereits im Vorfeld auf die Gefährdung durch solche Umbauten hingewiesen. Dieser Unfall zeigt, wie berechtigt diese Kritik war.


Verkehrssicherheit ist kein Zufall – sie ist das Ergebnis von Entscheidungen

Drei Todesfälle innerhalb von zwei Wochen sind kein tragischer Zufall – sie sind das Ergebnis einer Verkehrsinfrastruktur, die den Bedürfnissen von Radfahrenden nicht gerecht wird. Verkehrssicherheit entsteht durch Planung – genauso wie Unfallrisiken. Jede Straßenführung, jede Ampelschaltung, jede Bordsteinkante ist Ausdruck politischer und planerischer Entscheidungen.

Gerade ältere Menschen, die zunehmend mit Pedelecs unterwegs sind, benötigen eine Infrastruktur, die Fehler verzeiht und Risiken minimiert. Kreuzungen, Fahrbahnquerungen und Engstellen dürfen keine lebensgefährlichen Konfliktzonen sein.

Der Appell an Politik und Stadtverwaltung ist klar: Lippenbekenntnisse reichen nicht. Die Zahl der Radfahrenden wächst – doch ohne sichere Wege, gute Sichtbeziehungen und konfliktfreie Verkehrsführung bleibt jede Fahrt ein Risiko. Die Ereignisse im Mai 2025 sind ein tragischer Beleg dafür. Sie dürfen nicht folgenlos bleiben.

Simon Knur

Planer, Falt- und Liegeradfahrer aus dem Sauerland, wegen der Liebe und dem Job im Ruhrgebiet. Seit 2012 bei VCR und beruflich unterwegs zu den Themen Infrastruktur, Abwasser, Klimaschutz und Klimaanpassung. Blogge mit dem lokalen Schwerpunkt Essen, Radschnellweg und Radkultur.

8 Gedanken zu „Drei tragische Fahrradunfälle in Essen – dringender Handlungsbedarf für sichere Infrastruktur

  • Alfons Krückmann

    Ja, die tödlichen Fahrradunfälle in Deutschland sind zu zahlreich. Zwar ist die Radunfall Todesbilanz besser als zB in den Niederlanden, aber da ist sicher noch Luft nach oben.
    Schlüsselfaktor (der übrigens in den Niederlanden krass negiert wird):
    Signifikante Reduktion des Autoverkehrs!

    Zudem natürlich ausreichend Platz und sichere gute Oberflächen für den Radverkehr, wie es i.d.R. auf den in Deutschland gut ausgebauten Fahrbahnen gegeben ist.
    Der Weg, den etwa Heiner Monheim für Köln vorschlug (1.000 Fahrradstraßen) sollte beherzt und zügig beschritten werden. Das mindert zusammen mit MIV Temporeduktionen auf Haupt- und Schnellstraßen auch die Reisezeitdifferenz auf den ökologisch wichtigen mittleren Distanzen zugunsten des Radverkehrs, so dass die Chancen steigen, dass die sogenannte ‚Radverkehrsförderung‘ nicht einfach – wie bislang – auf den weiter steigenden Autoverkehr draufgesattelt wird (NL-Modell), sondern endlich eine längst überfällige Fahrleistungsreduktion des MIV eingeleitet wird.
    Wo zusätzlich separate Radwege (bauliche Trennung usw.) angelegt werden, sollten diese grundsätzlich nicht gleichzeitig zu Fahrbahnverboten führen, wie es derzeit immer noch die Regel ist.

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  • Simon Knur

    „Wo zusätzlich separate Radwege (bauliche Trennung usw.) angelegt werden, sollten diese grundsätzlich nicht gleichzeitig zu Fahrbahnverboten führen, wie es derzeit immer noch die Regel ist.“

    Das ist nur ein Beispiel für völligen deutschen Unsinn, da gute und nutzbare Infrastruktur von Nutzer*innen erkannt und akzeptiert wird, das ist stumpfe Überregulierung.

    Aus dem Dilemma kommen wir gerade, dass irgendein Politiker Nutzungspflichten erlässt, die baulich das nicht hergeben. Das wird bis heute durch die Stadt Essen und die Politik hier methodisch mißbraucht. Gleichzeitig war die Stadt aber auch Vorreiter beim Rückbau absurder Nutzungspflichten.

    Antwort
    • Norbert Paul

      Vorbemerkung: Nutzbare und gute Infrastruktur sind für mich nicht das Gleiche.

      da gute und nutzbare Infrastruktur von Nutzer*innen erkannt und akzeptiert wird,

      Ich zweifle schon daran, dass es bei der Vielzahl an Akteuren überhaupt einen Konsens darüber gibt, was gute Radinfrastruktur ausmacht und somit, welche Indikatoren herangezogen werden können und müssen. Selbst wenn es den Konsens geben sollte: Woran sollen die Leute gute Radinfrastruktur erkennen, wenn schon viele beruflich damit befasste Menschen primär nach Bauchgefühl entscheiden, was gute Radinfrastruktur ist, als hierfür valide Grundlagen heranzuziehen. So einem PBL sieht man ja nicht direkt an, dass tödliche Unfälle im Längsverkehr selten sind, die „P“ im „PBL“ schon theoretisch nix gegen die vielen tödlichen Abbiegeunfälle machen kann, weil sie im Kreuzungsbereich schlicht nicht vorhanden sein kann. Und wenn man so sieht, was da in der Realität als „P“ verbaut wird, habe ich meine Zweifel, ob die zusätzlichen Gefahren das Erschweren von Falschparken (viel mehr werden die nicht leisten) aufwiegen.

      „Gute Infrastruktur braucht keine Benutzungspflicht“ ist für mich schon aufgrund der Unbestimmtheit von „gute Radinfrastruktur“ eine unbelegte Share-Pic-Weisheit. Vor allem verkennt dies, dass bei dem Thema von der Fahrbahn hergedacht wird, und von dem Grundsatz, das Verkehrsbeschränkungen eine Erforderlichkeit brauchen. Irgendwie schon fast unglaublich, dass es in Dt. rechtlich mehrheitsfähig ist, dass es eine Beschränkung eines VT ist, wenn er mit dem Rad Radwege benutzen muss. 😉

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      • Simon Knur

        Norbert, Kinder und Jugendliche erkennen das, die brauchen keinen „Konsens“ sondern Wege, die NICHT enden oder zwischen LKW stattfinden.

        Besorg dir ein paar Kinder zum Radfahren, falls du danach noch Stimme hast, warst du irgendwo mit guten Radwegen.

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        • Norbert Paul

          Die Kinder durchlaufen eine Sozialisierung und seine keine von Umwelteinflüssen unabhängige Beobachter. Wenn ich Kinder frage, wo man ihrer Auffassung nach sicher Radfahren kann, spiegelt sich in den Antworten vermutlich wieder, dass die in einer Gesellschaft aufwachsen, in der alle die Idee des autogerechten Städtebaus verinnerlicht haben, dass man Verkehrsarten trennen muss, die dann auf ihren Wegen dahingleiten und zu Fuß gehen eine Freizeitbeschäftigung im Grünen ist.

          Wenn man deiner Theorie folgt, dürften Kinder sich auf den autofreien Nordseeinseln und anderen Orten ohne nennenswerten Kfz-Verkehr äußerst unwohl fühlen beim Radfahren. Wenn man hingegen annimmt, das Problem sei die Anzahl an Kfz und der Art ihrer Nutzung, käme man zu der Erwartung, dass Kinder dort gerne Radfahren und die Eltern dies auch zulassen. Ob wir es noch erleben werden, dass die Radaktivisten-Szene die Prämisse des autogerechten Städtebaus aufgibt, Kfz-Verkehr sei etwas, das auf natürliche Art da sei und nicht Folge politischer und individueller Entscheidungen sei. Es ist maximal unprogressiv, die Forderungen darauf zu beschränken, es möge ein besseres Gefühl beim Radfahren durch Radwege erzeugt werden in ansonsten konstanter Umwelt mit ständig mehr Kfz und ständig zunehmenden Kfz-Verkehrsaufkommen.

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  • Norbert Paul

    Essen wird aktuell von einer Serie tragischer Fahrradunfälle erschüttert:

    Was ist der innere Zusammenhang, dass man von einer Serie sprechen kann und nicht von einer zufälligen zeitlichen Nähe?

    Diese Todesfälle ereigneten sich rund um den jährlichen „Ride of Silence“, der am 15. Mai in Essen stattfand – einer weltweiten Gedenkfahrt für getötete Radfahrende. Die zeitliche Nähe macht deutlich, dass der Ruf nach sicherer Radinfrastruktur nicht nur berechtigt, sondern überfällig ist.

    Bei den Unfällen steht, dass die genauen Abläufe unklar sein. Keine gute Grundlage, um daraus Forderungen abzuleiten, zumal bei n = 3, wobei eher 3 x n = 1, da unterschiedliche Unfalltypen.

    Und warum macht die zeitliche Nähe zum RoS dies deutlich? Umkehrschluss wäre ja: Ohne zeitliche Nähe wäre die Überfälligkeit nicht deutlich geworden. Also ich würde bei der zufälligen zeitlichen Häufung solcher drei Unfälle im November keine anderen Schlüsse ziehen. Gut, ich war nie, bin nicht und habe nicht vor Radaktivist zu sein.

    Gleichzeitig sind weite Teile des Rates immernoch ideologisch autogerecht unterwegs und blockieren Dinge, die in anderen europäischen Ländern und Großstädten, mit denen der Wirtschaftsstandort Essen in Konkurrenz steht, längst Normalität sind. Metropolen wie Paris und London demonstrieren seit Jahren, wie der Schutz der Menschen und der Ausbau der Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer die Lebensqualität erhöhen.

    Will hier ernsthaft jemand behaupten, für den Wirtschaftsstandort ist die im Vergleich zu Deutschland nachholende Verkehrsberuhigung in Innenstädten eine entscheidende Größe? Warum erklären nicht deutsche Youtuber wie Verkehrsberuhigung in Innenstädten geht, so wie die nl. Youtuber das zum Radverkehr machen?

    Was hat der 2. Unfall überhaupt mit Infrastruktur zu tun?

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  • Jan-Philipp

    RIMs (Radwege in Mittellage) sind nicht so unsicher, wie sie sich vielleicht anfühlen, daher ist die Berichterstattung und Aufregung etwas übertrieben. Aber Fan bin ich von Ihnen auch nicht, wir wollen ja auch Radfahrer die aus Angst noch nicht aufsteigen aufs Rad begeistern, das geht mit RIMs sicher nicht.

    Das Foto zeigt auch eher, dass der LKW den Radfahrer offenbar von hinten überfahren hat. Wie und warum ist weiter unklar.

    Schwerer Unfall in Essen – Kreuzung komplett gesperrt
    https://www.radioessen.de/artikel/schwerer-unfall-in-essen-kreuzung-komplett-gesperrt-2337168.html

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    • Norbert Paul

      Radfahren erlernt man nicht auf Hauptstraßen in der Hauptverkehrszeit. Wer eine gewisse Grundsicherheit mit dem Rad selber hat, soll sich auf den Hauptstraßen nicht nur sicher fühlen, sondern auch sicher sein. Zumindest wenn man verantwortlicher Planer ist, muss man das beachten. Wer nur Internet-Experte ist, kann frei von persönlichen Haftungs- und Jobverlustrisiken sich auf subjektive Sicherheit beschränken. Die komplexe Situation einer Kreuzung räumlich zu entzerren verringert Komplexität, was es einfacher macht diese zu bewältigen. Risiko dabei bleibt, dass sich Leute deswegen unaufmerksamer bzw. risikoaffiner verhalten und wie Rebound-Effekte haben. Das kann man durch Beobachtungsstudien näher betrachten.

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