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Dortmunder Lokalpolitiker gegen erkennbare durchgehende Verbindungen für den Radverkehr

Da es mit dem großen Wurf beim Radverkehr (Kopenhagen Westfalens, Radschnellweg Ruhr) in Dortmund nichts wird, sollen es seit ein paar Jahren nun Velorouten richten. Dahinter verbirgt sich die Idee, im bestehenden Straßennetz aus allen Stadtbezirkszentren eine erkennbare Route in die City zu schaffen. Laut Ruhr Nachrichten vom 7.3. soll die Kenntlichmachung aber mal in roter, mal in grüner Farbe erfolgen. Was für eine planerische Überlegung dahinter steht, erschließt sich erst einmal nicht. In der Natur der Sache liegt es, dass dies Strecken sein werden, die eh schon genutzt werden. Die Erarbeitung läuft noch, während erste Maßnahmen in die Umsetzung gehen. Da es sich voraussichtlich vor allem um die bei Radaktivisten, Politik und Verwaltung beliebten symbolpolitischen Maßnahmen handeln wird wie die Ausweisung von von Fahrradstraßen, in denen jeglicher Kfz-Verkehr zulässig ist.

Die Velorouten werden vor allem aufgehübschter Bestand  sein und hier und da wird etwas verbessert. Für Kfz-Nutzende und Anlieger wird sich wohl selten etwas ändern. Ob Tempo 30-Zone oder Fahrradstraße Kfz frei, die praktischen rechtlichen Unterschiede gehen gegen Null. Hier und da wird es womöglich kleinere Lückenschlüsse oder ein bisschen Ordnen des Parkens geben. Da Dortmund aber eine Tradition hat, genau die schwierigen Stellen erst einmal nicht anzugehen (z. B. bei der Franziskanerkirche gibt es eine Lücke zwischen den beiden Fahrradstraßen, die Körne und City verbinden sollen ausgerechnet an der Stelle, wo wirklich Handlungsbedarf bestand und beim Wallring hat man den unproblematischeren Teil überarbeitet – das wird von der Reihenfolge auch nicht überzeugender, wenn man in Resignation über den geringen Output das als „Low hanging fruits“-Ernte bezeichnet: Erst wenn man für die schwierigen Stellen eine planerische Lösung hat, lohnt es sich, über den Rest nachzudenken), sollte die Hoffnung nicht zu groß sein.

Wenn es halbwegs gut läuft, ist der Fortschritt also die Sichtbarmachung einer durchgehenden Verbindung, die man als Ganzes betrachtet und dafür, wenn alles gut läuft, gezielt Schwachstellen der Verbindung angeht. Verbindungen zwischen den Stadtbezirkszentren, Anbindung aller größeren Ortsteile und besondere durchgehende Qualitätsstandards gehören nicht dazu. Aber es ist die Abkehr von dem gescheiterten Ansatz, Radverkehr bei anderen Maßnahmen mitzumachen, und und in Verbindungen zu denken. Zeitlich nach hinten geschoben wurde für die Velorouten de facto die Planungen für ein stadtweites Netzes von Verbindungen, wobei auch da die Frage ist, ob da am Ende mehr bei raus kommend würde, als ein überarbeitetes HBR-Netz + Einzelmaßnahmen, die für die Stadtverwaltung personell und finanziell umsetzbar sind und nicht an Wiederständen scheitern.

Es geht also um den nächsten Verbesserungsschritt, nicht um die Entwicklung des überüberüber…übernächsten Schrittes, der dann noch nicht gegangen werden kann, wenn die Schritte davor fehlen. Es gibt da nur ein ganz grundlegendes Umsetzungshindernis und das ist die Lokalpolitik. Aktuell rebelliert die BV Eving gegen eine durchgehende Route aus Brechten über Eving in die City. Laut Ruhr Nachrichten vom 7.3. erklärte ihnen der der Stadtbezirkssprecher des ADFC, die Velorouten seinen ausgemachter Quatsch. Gegen alles zu schießen, was aus der Stadtverwaltung kommt, scheint inzwischen primäres verkehrspolitisches Ziel geworden zu sein.

Während die Lokalpolitik sich ansonsten nicht an gemeinsamen Geh- und Radwegen stört, wurde seitens der Grünen laut dem Bericht der Ruhr Nachrichten kritisiert, dass nicht an den Fußverkehr gedacht würde an einem Anschnitt. Wenn ich die Aussage richtig verorte, gilt da bisher eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h für Kfz und keine für Radfahrer. Mit Einrichtung einer Fahrradstraße würde diese nun für alle 30 km/h betragen. Ich habe rechtlich Zweifel daran, dass auf Nebenfahrbahnen eine Fahrradstraße eingerichtet werden kann, aber das soll hier nicht weiter erörtert werden. Auch trieb die Grünen um, wo die Anwohner in der Straße Holzheck den parken sollen. Bei Einfamilienhäusern (ich habe jetzt nicht vor Ort geschaut, ob eins der Häuser womöglich ein Zweifamilienhaus ist) mit Garagen und Stellplätzen auf dem Grundstück natürlich eine drängende, aber leicht zu beantwortende Frage.

Die vorsichtige Abkehr vom Flickenteppich wurde laut den Ruhr Nachrichten als Flickenteppich bezeichnet, was fast dafür spricht, dass die Verwaltung in vorauseilendem Gehorsam schon möglichst wenig Veränderungen plant, um die politische Zustimmung nicht zu gefährden, dass die durchgehende Verbindung als Planungsansatz nicht mehr erkennbar wird. Der Bezirksbürgermeister meinte sogar ein Konzept zu erkennen, dass in Holland gut funktionieren würde, dass aber nicht einfach auf die hiesigen Verhältnisse übertragen werden könne. Vielleicht kann ja die Leserschaft mir weiter helfen, was an den Velorouten ein konzeptioneller Import aus den Niederlanden ist und was genau der Unterschied ist, der die Übertragbarkeit verhindert. Haben nicht die niederländischen Planenden den Ruf, es mit durchgehenden Standards etwas entspannter zu sehen, als die deutschen Kolleginnen und Kollegen?

Ergebnis der Diskussion: Die Verwaltung wurde aufgefordert, die Planungen einzustellen und stattdessen die bestehenden Radwege zu sanieren. In Verbindungen zu denken, ist dem BV wohl nicht in den Sinn gekommen. In der Ausgabe vom 17.5. berichten die Ruhr Nachrichten, dass die BV Eving, den Beschluss nach umfangreichen Beratungen nun verändert hat. Adressat ist nun nicht die Verwaltung, sondern der Stadtrat. In dem Artikel wird nochmal die Sorge der Grünen thematisiert. Demnach sei es Kindern nicht zu erklären, dass Radfahrer dort künftig Vorrang haben. Man kann fast beruhigt sein, dass Kinder für rechtlichen Unfug nicht zugänglich sind.

Eine große Sorge der Lokalpolitiker war wohl auch, ob es denn überhaupt einen Bedarf gäbe. Wir erinnern uns an die Sorge um das Parken auf der Fahrbahn bei Häusern mit Stellplätzen und Garagen, die in der Märzsitzung ausgedrückt wurde. Ob der CDU-Vertreter auch bei anderen Maßnahmen vorher fragt, ob man da nicht womöglich etwas umsetze, von dem man nicht wisse, ob es überhaupt genutzt wird. Für Menschen ohne Ortskunde: Die Straße Holzheck ist teilweise ein Geh- und Radweg und der andere Teil dieses Bauabschnittes ist die Nebenfahrbahn der B 54, der einzigen direkten Nord-Süd-Verbindung in dem Bereich und wie gesagt, es geht um darum, bestehende Routen zu qualifizieren, nicht um einen grundlegenden Neubau. Was es wohl bringen mag, nur ein Teilstück der Straße Holzheck aufzuwerten?

Schon länger habe ich den Eindruck, dass es parteiübergreifend in der Dortmunder Lokalpolitik keinen Gestaltungswillen gibt, der aus einer politischen Vision für Dortmund herrührt. Wenn überhaupt, will man kontextlos und ohne Bezug zu übergreifenden Gestaltungsideen punktuellen Impulsen, gerne in der Form von partikularen Einzelinteressen, nachgeben. Ansonsten scheint man mit dem Status quo – darüber darf das rituelle Geschimpfe auf die Verwaltung, die man mit widerstreitenden Arbeitsaufträgen bedenkt, nicht hinwegtäuschen – doch ganz zu frieden zu sein in der durch und durch konservativen Lokalpolitik. Verkehrswende oder der verwandte Klimaschutz verkommen zu bedeutungslosen Begriff der politischen Sprache wie „innovativ“ und „pragmatisch“, die immer dann eingesetzt werden können, wenn man sich profunde Argumentationslinien ersparen möchte oder seine eigentlichen Zielsetzungen nicht offenlegen möchte wie dies insbesondere auch beim Begriff Bürokratieabbau der Fall ist. Dann kann man auch Maßnahmen, die auch für Haushalte ohne Kfz ein Auto verfügbar machen als Klimaschutzmaßnahme labeln. Mehr Car-Sharing-Stationen trügen so zur Klimaneutralität bei, hieß es kürzlich aus Mainz. Eine Aussage, die sich die Dortmunder Lokalpolitik sicherlich auch zu eigen machen könnte ohne ein Störrgefühl zu haben. Wissenschaftlich nachgewiesen sind die zugrunde gelegten Annahmen über Wirkmechanismen nicht. Zudem: Car-Sharing ist nur wirtschaftlich, wenn die Kfz auch genutzt werden und dafür müssen Anreize geschaffen werden, Wege auf das Car-Sharing-Auto zu verlagern und das erreicht man z. B. durch eine verbesserte Verfügbarkeit durch mehr Stationen und damit einhergehend kürzere Zugangswege.

Ob diese konservative Zufriedenheit mit dem Ist-Zustand die Ruhe vor dem Sturm ist oder es am Ende doch ganz gut läuft? Vielleicht auch beides. Man kann im Dortmunder Stadtgebiet fast überall entspannt Rad fahren, wenn man nicht auf Konflikte aus ist. Das größte Problem sind meistens freilaufende Hunde und Schlaglöcher und nicht die immer mehr, gleichzeitig jeweils immer weniger genutzten Autos, die überall rumstehen. Diese Zunahme ist Folge der autoorientieren (s. g. „autogerechten“) Verkehrsplanung, für  die es im immer schneller werdende Wechselspiel aus induziertem Verkehr und daraus als notwendig angesehenem Straßenausbau, der Verkehr induziert, immer schwerer hat, ihre Versprechungen zu erfüllen und den Erfüllungsaufwand für das Bedürfnis der Ortsveränderung gesamtgesellschaftlich immer mehr erhört ohne das man dem Ziel näher kommt. Die „autogerechte“ Verkehrsplanung hat setzt implizit das Verkehrsaufkommen eher statisch und das Reisezeitbudget eher dynamisch. Die Forschungsergebnis sprechen aber für die gegenteilige Annahme.

Bis die Dortmunder Lokalpolitik bereit ist, wenigsten das Minimalprogramm Velorouten wenigstens nicht zu bekämpfen, bleibt der Verwaltung nur übrig, das zu tun, was Peter Pez von der Leuphana Universität Lüneburg Radverkehrsförderung 3.0 nennt und was am Ende viel wichtiger ist. Da der Radverkehr sich nur schwer bündeln lässt und hierfür auch nur eine geringe Notwendigkeit besteht, findet der auch bei einem massiven Ausbau von Radverkehrsnetzen – unabhängig von deren baulichen Ausgestaltung – größtenteils komplett, zumindest immer auch teilweise außerhalb dieser Netze statt. Dafür sind abgesenkte Bordsteine, Abbau von Umlaufsperren, Fahrradbügel und ähnliche Maßnahmen entscheidend. Dadurch kann man dann durchaus Verbindungen schaffen bzw. aufwerten, sie müssen dann aber selber gefunden werden, wenn sie keinen Namen haben dürfen, der absurde Abwehrreflexe auslöst. Bei zwei Feldern dieser Radverkehrsförderung 3.0 steht Dortmund gar nicht so schlecht da. Es gibt kaum noch für den Radverkehr relevante Einbahnstraßenregelungen und fast alle Sackgassen, die für den Radverkehr keine sind, sind entsprechend beschildert. Hierbei gehört Dortmund zu den TOP-Kommunen in Deutschland, wenn meine Eindrücke aus anderen Kommunen halbwegs repräsentativ sind. Und beides sind zufälligerweise Themen, in die ich in den letzten Jahren viel Engagement gesteckt habe. Das hätte ich aber vermutlich nicht gemacht, gäbe es nicht engagierte Mitarbeiter an entsprechender Stelle in der Straßenverkehrsbehörde, denen man mit entsprechenden Hinweisen unterstützen kann. Und natürlich gibt es auch beim ADFC jemanden, der an beiden Themen genauso dran ist.

Wie man sich selber präsentiert, wenn man nicht viel Radverkehrsförderung vorzuweisen hat, zeigt die Webseite der Stadt Remscheid, die die Förderung konzeptionell verortet und eine verständliche, sachliche Einordung der Ist-Situation hinbekommt und mit Quellenangaben an passender Stelle den Nachvollzug der Aussagen nicht scheut.

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

2 Gedanken zu „Dortmunder Lokalpolitiker gegen erkennbare durchgehende Verbindungen für den Radverkehr

  • Die Evinger BV hat einen extrem pragmatischen Ansatz für die Nutzung der Wege/Strassen ohne grosse Ausgaben und Ressourcenverschwendung favorisiert.
    Das ist gut, umweltschonend und richtig. Die Wege werden seit Jahren problemlos von Radfahrenden etc benutzt und sind oft noch relativ neu.

    Da gibt

    Antwort
    • Norbert PaulAutor des Beitrages

      Das ist doch der Ansatz der Velorouten, ohne großen Aufwand bestehende Wege zu ertüchtigen und eine durchgehende Strecke als erkennbare Routenempfehlung zu verdeutlichen.

      Der zweite Absatz ist leider unvollständig.

      Antwort

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