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VG Düsseldorf: Lieber Blinde als E-Autos behindern

Das Falschparker abgeschleppt werden dürfen, ist nichts neues. Dies gilt auch für Verbrenner auf Parkplätzen für E-Fahrzeuge. Beispielshaft ein Auszug aus VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23.01.2020 – 17 K 4015/18, 24-27.34:

Auf einem […] eingerichteten Sonderparkplatz für Elektrofahrzeuge war das klägerische Fahrzeug abgestellt, obwohl es kein elektrisch betriebenes Fahrzeug in diesem Sinne ist (vgl. zur Begriffsbestimmung § 2 EmoG). Die damit einhergehende Verkehrsordnungswidrigkeit stellt der Kläger auch nicht in Abrede.

Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist regelmäßig ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge geboten, wenn sie andere Verkehrsteilnehmer behindern. Eine derartige Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn Verkehrsflächen in ihrer Funktion beeinträchtigt sind. […]

So liegt es auch hier. Entgegen der Auffassung des Klägers wurde durch das unberechtigte Parken und die damit bereits eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit in Gestalt einer Verletzung der Rechtsordnung die mit der Ausweisung des Sonderparkplatzes verbundene Funktion, das – bloße – Parken von allein berechtigten Elektrofahrzeugen zu ermöglichen, beeinträchtigt. Die damit einhergehende Funktionsbeeinträchtigung dieser Verkehrsfläche rechtfertigte die Abschleppmaßnahme. Der parkvorberechtigte Personenkreis soll darauf vertrauen können, dass der gekennzeichnete Parkraum diesem jederzeit zur Verfügung steht. Ein Abschleppvorgang ist deshalb auch ohne konkrete Beeinträchtigung des bevorrechtigten Personenkreises grundsätzlich nicht unangemessen. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass in aller Regel zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Erlass einer Abschleppanordnung weder absehbar ist, wann das nächste parkberechtigte (Elektro-) Fahrzeug dort eintreffen wird, noch eingeschätzt werden kann, wann der Verantwortliche das dort unberechtigt abgestellte Fahrzeug selbst wegfahren wird. Ebenfalls ist die Abschleppmaßnahme nicht deshalb unverhältnismäßig, weil das Vorhandensein eines Sonderparkplatzes für Elektrofahrzeuge den diesbezüglichen Fahrern keine Gewähr dafür bietet, diesen Platz auch immer nutzen bzw. einen freien vorfinden zu können.

Soweit der Kläger sinngemäß eingewendet hat, Elektrofahrzeuge und die für diese eingerichteten Sonderparkplätze seien weniger schutzwürdig bzw. die mit dem Aufsuchen eines anderweitigen Parkplatzes verbundenen Beeinträchtigungen seien für den betroffenen Personenkreis weniger gravierend als bspw. in Fällen des verkehrsordnungswidrigen Parkens auf Sonderparklätzen für Schwerbehinderte und er deshalb allenfalls ein Verwarnungsgeld als verhältnismäßig ansehe, nicht aber die mit einem Abschleppvorgang einhergehenden weiteren Belastungen, setzt er in unzulässiger Weise seine eigene Bewertung an die Stelle des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat durch die Regelungen im Elektromobilitätsgesetz deutlich gemacht, dass er der Bevorrechtigung von Elektrofahrzeugen im Allgemeinen und u. a. dem bevorzugten Parken auf öffentlichen Straßen und Wegen im Besonderen eine hohe Bedeutung beimisst. Eine gegenteilige Bewertung steht dem Verkehrsteilnehmer nicht zu. Dies gilt umso mehr als die Auffassung des Klägers die Gefahr begründet, dass Verkehrsteilnehmer unter Inkaufnahme eines Verwarnungs- bzw. Bußgeldes, aber in Erwartung eines jedenfalls vorübergehenden „Abschleppschutzes“, entsprechende Verkehrsverstöße begehen. Einer solchen negativen Vorbildwirkung wird durch ein zeitnahes Abschleppen entgegengewirkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich betont, dass derartige Gedanken der Generalprävention jedenfalls ergänzend in die Gesamtabwägung einfließen dürfen,

Vor dem Hintergrund der Funktionsbeeinträchtigung einer Verkehrsfläche überrascht dann, was in VG Düsseldorf, Urteil vom 19.09.2023 – 14 K 7479/22 keinerlei nähere Betrachtungen nach sieh zieht (Rn. 15.30.40):

[…] Dieser Bereich sei durch die Beschilderung eindeutig als Ladeplatz für Elektro-Fahrzeuge beschildert. Letztlich hänge der Raumbedarf maßgeblich von den dort ladenden Kraftfahrzeugen ab. Unstrittig sei, dass der Ladeplatz von dem dort parkenden Motorrad des Klägers eingeengt worden sei. Durch die Versetzung und die platzsparende Aufstellung auf dem Gehweg sei das mildeste Mittel für den Kläger gewählt worden. […]

[…] Die Versetzung war geeignet und erforderlich, um den Verstoß gegen die Parkregelung zu beseitigen. Sie war unter Inanspruchnahme eines Abschleppunternehmens auch angemessen. Eine den Kläger weniger beeinträchtigende Maßnahme als die vorgenommene Versetzung kam nicht Betracht. Dabei wäre aus Sicht des Gerichts auch ein Verbringen auf das Betriebsgelände des Abschleppunternehmens rechtmäßig gewesen. […]

Von einer derartigen Funktionsbeeinträchtigung ist beim Abstellen eines Fahrzeuges mit Verbrennermotor im Bereich einer Ladestation für Elektrofahrzeuge regelmäßig auszugehen, sodass es keiner Überprüfung bedarf, ob der Kläger durch das verbotswidrige Abstellen konkret ein bevorrechtigtes Elektrofahrzeug am Parken und Laden gehindert hat. Die parkbevorrechtigten Benutzerkreise sollen nach der gesetzgeberischen Wertung darauf vertrauen dürfen, dass der gekennzeichnete Parkraum ihnen unbedingt zur Verfügung steht. […]

Da das Urteil keinen Hinweis auf zulässiges Gehwegparken enthält, stört sich das Gericht also nicht daran, dass das Recht parkbevorrechtigter Benutzerkreise auf Kosten des Fußverkehrs durchgesetzt wurde. Vielmehr hätte das Gericht sich damit auseinander setzen müssen, dass Falschparken nicht durch Umsetzen in die nächste Falschparksituation geeignet begegnet werden kann, auch wenn es vermeidlich platzsparender ist, zumal von einer grundsätzlich zum Parken geeigneten Fläche auf eine dazu nicht freigegebene versetz wurde.

Für „Unberechtigt auf einem Parkplatz für elektrisch betriebene Fahrzeuge geparkt (§ 12 Absatz 2 StVO; Zeichen 314, 315)“ sieht der Gesetzgeber (Anlage zu § 1 Absatz 1 BKatV) einen Regelsatz von 55 € vor. Bei „Unzulässig auf Geh- und Radwegen geparkt (§ 12 Absatz 2 StVO)“ gilt ein höherer Regelsatz bei Behinderung (70 €), bei mehr als einer Stunde (70 €), bei Behinderung und mehr als einer Stunde (80 €), bei Gefährdung (80 €) und bei Sachbeschädigung (100 €). Wo sieht der Gesetzgeber als das größere Problem?

Wen überrascht es da noch, dass das BGG NRW keine Erwähnung findet?

Grundsätzlich darf sich das Gericht nur mit dem Verfahrensgegenstand befassen, aber bei der Prüfung der Geeignetheit der Maßnahme, hätte das Gericht erkennen müssen, dass das Versetzen eines Motorrades auf den Gehweg zu einem vom Gesetzgeber als noch problematischer angesehenen Parkverstoß führt (oder die Zulässigkeit des Gehwegparkens ausführen müssen). Hierbei hätte auch das BGG NRW herangezogen werden können. Wenn die getroffene Maßnahme vom Gericht nun als unzulässig und damit ungeeignet erkannt worden wäre, wäre die Beurteilung der Verfahrensfrage ganz anders zu bewerten gewesen.

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar (Testphase) über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

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