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OLG Oldenburg hält Überholen über Gehweg für zulässig

Kürzlich berichtete ich, dass in Utrecht der Fußverkehr unter der Dominanz des Radverkehr leiden muss. Den gleichen Effekt kann man in Oldenburg beobachten. Dort sollen Oldenburger und Oldenburgerinnen 42,7 % aller Wege innerhalb des Stadtgebietes mit dem Fahrrad zurücklegen. In einer Pressemitteilung des OLG Oldenburg heißt es, dass fast 80 % der Einwohner regelmäßig das Rad nutzen würden. In dieser Pressemitteilung finden wir den Straßennamen, der hilft, mit den Angaben aus dem Urteil (Endurteil vom 21.09.2021, Az.: 2 U 121/21) den Ort des Unfalls bei Google StreetView mit hoher Wahrscheinlichkeit zu finden. Soweit der Sachverhalt aus Urteil und Pressemitteilung rekonstruierbar ist, fuhr der beklagte Radfahrer aus der Toreinfahrt rechts im Bild. Der klagende Radfahrer kam entlang der Straße und fuhr erst hinter dem langsam und unsicher fahrenden Radfahrer hinterher. Dennoch setzt er dann zum linken Überholen hinter der Bushaltestelle an. Der andere Radfahrer zog währenddessen um einen halben Meter nach links nach links, so dass der überholende Radfahrer stürzte und verletzt war. Lassen wir die Haftungsfragen beiseite. Ohne sich mit damit auseinander zusetzen, wo Radfahrer fahren dürfen, heißt es im Urteil: „Der Radweg ist nur optisch von der Fläche für Fußgänger abgegrenzt, weshalb diese, insbesondere wenn mehrere Radfahrer unterwegs sind, mitbenutzt werden kann.“ Ob das Urteil da nicht erkennen lässt, wie sich der Senat des OLG Oldenburg beim Radfahren – zu Lasten des Fußverkehrs – verhält? Wir werden es wohl nie erfahren. Eine wirkliche Trennung gibt es zumindest Stand Juli 2022 am der mutmaßlichen Unfallstelle nicht. Wenn sich der Zustand zum Unfallzeitpunkt darstellte, wie Juli 2022 für Google, hätte man angesichts einer Beschilderung am Anfang des Straßenzugs durchaus die Frage stellen müssen, ob es sich nicht um zwei Gehwegradler handelt. Das hätte an der Haftungsfrage vermutlich nichts geändert, aber es hätte zur begrifflichen Präzision beigetragen. Jedoch hätte sich aus der fehlenden Benutzungspflicht jedoch – in der Logik des Gerichts bleibend, man müsse doch überholen können (kennt man das nicht als Sichtweise von Kfz-Lenker*innen?): „er Senat vermag die Auffassung des Landgerichts, dass der Kläger hier von einem Überholvorgang hätte absehen müssen, weil er einen Seitenabstand von 1,5 bis 2 m nicht habe einhalten können, nicht zu teilen. Eine solche Annahme erscheint aus Sicht des Senats lebensfremd. Sie würde bedeuten, dass man als Radfahrer nahezu im gesamten Stadtgebiet andere Radfahrer nicht überholen könnte, weil ein solcher Seitenabstand auf praktisch keinem Radweg einzuhalten wäre.“ – durchaus Überlegungen ergeben können, dass der Radfahrer legal auf die Fahrbahn zum Überholen hätte ausweichen können, was zu einer schlechteren Haftungsverteilung für ihn hätte führen dürfen.

 

 

 

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar (Testphase) über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

2 Gedanken zu „OLG Oldenburg hält Überholen über Gehweg für zulässig

  • Ist gar nicht so einfach das Verkehrsrecht zu regeln. Ich hätte nicht gedacht, dass ich eine Abkürzung über den Gehweg nehmen darf. In Zukunft werde ich das also tun.

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    • Norbert Paul

      Es geht nicht um Abkürzungen.

      Antwort

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