UmsteiGERN: Werbekampagne statt Infrastruktur?
In diesen Tagen sieht man überall Werbeplakate, die zum „Umsteigern“ einladen. Sie sind Teil des Förderprojekts Emissionsfreie Innenstadt, mit dem die Erreichbarkeit der City mit nachhaltigen Verkehrsmitteln verbessert werden soll. Neben dem Lieferverkehr und der Elektromobilität spielt bei diesem Projekt auch der Radverkehr eine wichtige Rolle.
„Tausend neue Fahrradbügel soll es in der Innenstadt geben, das ist ein ganz wichtiger Schritt nach vorn“, meint Thomas Quittek vom BUND. Und auch der fahrradfreundliche Umbau von Ost- und Schwanenwall sei ein gutes Projekt und habe das Zeug dazu, die Qualitätswende im Radverkehr in Dortmund einzuleiten.
„Eine Qualitätswende kann nur mit durchgängigen und sicheren Fahrradachsen gelingen“, sagt Dirk Becker vom BDA Dortmund Hamm Unna. Durch gute Planung könnten Konflikte minimiert werden, und auch die Umverteilung von Verkehrsraum zugunsten von Fuß- und Radverkehr dürfe dabei kein Tabu mehr sein, meint Becker. Doch gerade bei den Fahrradachsen werde offenbar gerade der Rückwärtsgang eingelegt. „Anstelle von ursprünglich drei bis sechs geplanten Fahrradachsen mit je zwei Kilometer Länge werden nur zwei Achsen mit je weniger als einem Kilometer umgesetzt“, so Peter Fricke von VeloCityRuhr und Aufbruch Fahrrad Dortmund. Der Grund sei wie so oft fehlendes Personal. Das Zwischenstück zwischen diesen beiden Achsen solle auch erst ab 2022 in Angriff genommen werden, sodass ein Flickenteppich entstehe. Als Grund würden unter anderem die „vorhandenen Planungskapazitäten“ genannt, es fehle also auch hier das Personal.
„Die Fahrradbügel und der Radwall mit einer Länge von 0,9 km sind sinnvolle Maßnahmen“, meint Quittek, aber das Straßennetz habe eine Länge von 1800 km, und in der Breite gehe es viel zu langsam voran. Nur 10 % der Wege würden mit dem Rad zurückgelegt, genau wie im Jahr 2005. Andere Städte hätten in diesen 15 Jahren viel mehr erreicht, nun müsse auch in Dortmund endlich durchgestartet werden.
„Werbekampagnen wie Umsteigern haben sicher ihre Berechtigung“, ergänzt Fricke. Aber für den Umstieg aufs Rad sei letztlich eine bessere Infrastruktur entscheidend. Und der ganz große Hemmschuh beim Ausbau dieser Infrastruktur sei das fehlende Personal.
Die SPD habe dazu im vergangenen Sommer einen wichtigen ersten Schritt gemacht und eine erfolgreiche Initiative für zehn neue Planstellen für den Radverkehr gestartet. Dazu könne man ihr gar nicht oft genug gratulieren, meint Fricke. Wenn diese Stellen vollständig besetzt seien, werde das die Not lindern. Aber klar sei auch: Mit nur 14,5 Stellen könne man eine Autostadt nicht fahrradfreundlich machen, daher müsse nun der zweite Schritt folgen und 15 weitere Stellen geschaffen werden.
Auch finanziell müsse nachgelegt werden. Dortmund wolle Fahrradstadt werden und Kopenhagen nacheifern, plane aber ab 2022 nur mit jährlichen Ausgaben für den Radverkehr von 10 € pro Kopf, während Kopenhagen 36 € investiere. „Dortmund muss auf 36 € erhöhen, damit die Aufholjagd gelingen kann“, fordert Max Kumpfer von Aufbruch Fahrrad Dortmund.
Und auch bei den einzelnen Maßnahmen seien mehr Mut und mehr Tempo nötig. „Wenn ein Drittel des Walls fahrradfreundlich wird, bleiben zwei Drittel wie bisher“, so Kumpfer. Dieser Teil dürfe nicht auf die lange Bank geschoben werden, sondern müsse jetzt zügig angegangen und spätestens 2026 fertig gestellt werden. Wenn jetzt endlich durchgestartet werde und die Bedingungen fürs Rad sich verbesserten, dann klappe es am Ende auch mit dem Umsteigern.
Artikel dazu in den Ruhrnachrichten:
Großes Umwelt- und Verkehrsbündnis kritisiert „Umsteigern“-Kampagne