Ausschuss unterstützt SPD-Forderung nach acht neuen Stellen für den Radverkehr in Dortmund
Das größte Hindernis für besseren Radverkehr in Dortmund ist derzeit der Personalmangel in Planungs- und Tiefbauamt. War noch vor einigen Jahren fehlendes Geld das Hauptproblem, so bleiben jetzt teilweise Fördermittel ungenutzt, weil die Personalkapazitäten zur Antragstellung oder zur Umsetzung fehlen.
Die Förderung des Radverkehrs in Dortmund bestand daher in den letzten Jahren überwiegend aus Ankündigungen, Absichtserklärungen, nicht eingehaltenen Zusagen und Verzögerungen. Einige Beispiele:
- Für den ersten Bauabschnitt des Radschnellwegs Ruhr von der Wittekindstr. bis zur Ruhrallee sollte 2017 die Ausführungsplanung erstellt und dann umgesetzt werden. Nach aktuellem Stand und unzähligen Verzögerungen soll nur ein Drittel (Wittekindstr. bis Arneckestr.) der ursprünglich geplanten Strecke ab Herbst 2019 umgesetzt werden.
- Der Verbindungsweg vom Leierweg zur Rosemeyerstraße unter der Schnettkerbrücke kommt nicht voran.
- Der Ausbau des Bahnseitenwegs an der S5 von der Palmweide zur Schnettkerbrücke ruht seit Jahren.
- In einer Ratsvorlage aus dem Jahr 2015 wurde als Hauptaufgabenfeld der nächsten zehn Jahre der systematische Ausbau des Hauptroutennetzes in Dortmund mit Schwerpunkt auf der Qualitätsverbesserung genannt. 40% der zehn Jahre sind rum, passiert ist nichts. Die Planungen sollten Anfang 2016 in die Gremien eingebracht werden (dort kamen sie nie an), Baubeginn sollte 2017 sein. Das Projekt „ruht wegen anderer Prioritäten.“
- Der Ausbau der Achenbachtrasse in Mengede „ruht wegen anderer Prioritäten.“
- Das Projekt Güterbahnhof-Radweg „ruht wegen anderer Prioritäten.“ Nach Aussage des zuständigen Beigeordneten im Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen wurden die erwähnten Projekte aufgrund von fehlenden Kapazitäten auf „ruhend“ gesetzt.
- Im Förderprojekt „Emissionsfreie Innenstadt“ werden von den ursprünglich geplanten 12 km Fahrradachsen (6 Achsen zu je 2 km) mehr als 10 km entfallen und nur weniger als 2 km realisiert werden (zwei „Achsen“ zu je weniger als 1 km). Begründung: „Ursache für die Reduktion der Strecken sind die fehlenden Personalkapazitäten für die Vorbereitung dieser Maßnahme.“
Die Fahrrad- und Verkehrsverbände planen darum seit Monaten für die Sitzung des Beirats Nahmobilität am 4. Juni eine Empfehlung an Politik und Verwaltung, die Zahl der Planstellen um insgesamt acht auf zwölf zu erhöhen. Zwei zusätzliche Stellen sollen im Planungsamt geschaffen werden und die vorhandene Stelle ergänzen, sechs sollen im Tiefbauamt zu den vorhandenen drei Stellen hinzukommen.
Die Empfehlung, die Planstellenzahl deutlich zu erhöhen, beruht dabei nicht nur auf der Einschätzung der Verbände. Auch die Verwaltung selbst hat mehrfach deutlich gemacht, wie viel zusätzliches Personal erforderlich ist, um die Aufgaben angemessen bewältigen zu können: Zwei Stellen im Planungsamt und sechs im Tiefbauamt.
Nachdem noch in den Haushaltsberatungen für 2019 Vorschläge der Grünen für mehr Personal keine Mehrheit fanden, hat nun die SPD-Fraktion überraschend für die Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen am 15. Mai einen Zusatzantrag zu einer Vorlage zum Förderprojekt „Emissionsfreie Innenstadt“ gestellt, der es in sich hat:
Der Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen fordert die Verwaltung auf weitere Stellen zur Planung und Umsetzung der Verbesserung des Fahrradverkehrs im Stadtgebiet Dortmund einzurichten. Hierzu sollen kurzfristig 2 Stellen im Planungsamt und 6 Stellen im Tiefbauamt geschaffen und möglichst zeitnah besetzt werden. Aus diesen geschaffenen Stellen soll ein Team entstehen, das sich primär um die Verbesserung der Fahrradverkehre kümmert.
Nach einer Diskussion, in der die AfD die Schaffung von acht Planstellen, „die sich rein mit den Belangen von Fahrradfahrern beschäftigen“ als „unverantwortliche Verschwendung von Steuermitteln“ bezeichnete, beschloss der Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen:
Der Ausschuss stimmt den o. a. Zusatz-/Ergänzungsantrag der SPD-Fraktion mehrheitlich, bei Gegenstimmen (CDU-Fraktion und Fraktion AfD) sowie einer Enthaltung (Fraktion FDP/BL), zu und überweist diesen mit der Bitte um weitere Befassung an den Ausschuss für Bauen Verkehr und Grün (ABVG) sowie an den Ausschuss für Personal und Organisation (APO). Die Verwaltung wird damit beauftragt, zu den Sitzungen dieser Gremien, in Form eines Soll/Ist/Vergleichs darzustellen, wie der Stellenplan in diesen Fachbereichen (Planungs-und Bauordnungsamt und Tiefbauamt) aussieht.
Es bleibt also spannend. Wenn das so oder ähnlich kommen sollte (und dafür spricht wegen der breiten Unterstützung viel), wäre das eine dramatische Verbesserung für den Radverkehr in Dortmund.
Schon jetzt kann man sagen: Nach dem Beschluss, Radwege grundsätzlich zu asphaltieren und mehreren erfreulichen kleineren Beschlüssen in den Bezirksvertretungen überrascht die SPD erneut positiv.
Was soll der Güterbahnhof-Radweg sein?
Hinsichtlich der SPD bleibt es tatsächlich spannend, ob es da einen Lernprozess gibt, der anhält, oder ob das eine zufällige Häufung von Anträgen ist, die in die richtige Richtung gehen. (Am wegweisensten finde ich den Mut, in Brackel über die Gestaltung des Hellweges nachdenken zu wollen.) Jedoch muss man hier – abgesehen davon, dass für den Fußverkehr mal wieder nicht gleichzeitig Verbesserungen angestoßen werden sollen, obwohl dieser von größerer Bedeutung ist – bei dem Antrag das Themenfeld doch etwas weiter fassen.
Gegen bessere Radverkehrsbedingungen ist auch in den letzten Jahren politisch kaum jemand grundsätzlich gewesen. Auch die Forderung nach mehr Personal steht in dieser Tradition. Mehr Personal bringt nichts, wenn am Ende dann die entscheidenden Maßnahmen politisch nicht gewollt werden. Dortmund hat ja bereits Erfahrung damit, dass schon das Planen von Pilotversuchen zu politischen Aufständen führt – Stichwort Chemnitzer Straße. In Dortmund löst das Unterbinden illegaler Abstellvorgänge politisch mehr Emotionen aus als im Straßenverkehr getötete Kinder. Wenn ein paar Planer nun mehr Pläne erarbeiten, die am politischen Widerstand scheitern, ist das kein Gewinn, sondern kann kontraproduktiv sein, wenn am Ende trotz zusätzlicher Planstellen der Radverkehrsanteil nicht steigt. Damit sehen sich dann all die bestätigt, die schon immer wussten, dass die Leute nicht mit dem Rad fahren wollen und damit dann erfolgreich gegen alle Fördermaßnahmen opponieren. Ich zweifle auch daran, dass es sinnvoll ist, den Radverkehr aus der eigentlichen Verkehrsplanung rauszunehmen. Damit kann diese sich dann – wenn sie will – wunderbar zurecht legen, warum sie sich nur noch um den Kfz-Verkehr kümmert. Und ganz vergessen wird dann der Fußverkehr. Wenn nur noch Verkehrsarten-Fachplanungen nebeneinander die Infrastruktur für eine Verkehrsart planen, produzieren wir nur noch mehr Verkehrsvolumen auf immer mehr Wasserstraßen, mit immer mehr Flughäfen, auf immer mehr Radwegen und Kfz-orientieren Straßen.
Neben der Politik darf man auch die verwaltungsinternen Widerstände nicht übersehen. Auch mehr Personal kann von Vorgesetzten auf allen Ebenen bis zum Oberbürgermeister ausgebremst werden.
Unabhängig von den Widerständen gegen konkrete Planungen gibt es in vielen Verwaltung aber noch viel ungenutztes Potenzial, dass durch den massiven neoliberalen Personalabbau bedingt ist. Wenn Planerinnen zunehmend mit fachfremden Aufgaben betraut werden, bleibt kaum noch Zeit für die eigentliche Arbeit. Nehmen wir an, eine größere Deutsche Stadt richtet ein Gremium zum Radverkehr oder gar zum Rad- und Fußverkehr ein. Dann kann man eine Verwaltungskraft mit der nicht inhaltlichen Vor- und Nachbereitung betrauen. Man kann aber auch den Radfahr- und Fußgängerbeauftragten damit betrauen. Wenn das Gremium 4-6 mal im Jahr tagt, kommt da ein Aufwand von schnell einer viertel bis halben Stelle zusammen. Das eine Verwaltungskraft i. d. R. weniger verdient, wäre zudem im Sinne von § 75 I Satz 2 GO NRW.
Das der Output höher und besser ist, wenn man Arbeitsbedingungen schafft, unter den man gute Arbeit leisten kann und so das Personal weniger frustriert, ist ein Aspekt, der in der öffentlich Diskussion nicht vorkommt. In vielen Verwaltungen gibt es da noch Luft nach oben.
Selbst wenn eine Stadtverwaltung diese Probleme beseitigt hat, muss sie erst einmal geeignetes Personal finden. Auch beim Nachwuchs hat sich weitesgehend die Überzeugung verinnerlicht, dass es darum geht, den Autoverkehr in den Mittelpunkt der Planung zu stellen. Sicherlich auch, weil mit zunehmender Nutzung s. g. Sozialer Medien die Bereitschaft zur Lektüre von komplexer Fachliteratur nicht gerade gestiegen ist, kann man nicht voraussetzen, dass alle Planer ihr tun ausreichend kritisch hinterfragen. Folglich kann eine nicht besetze Stelle im konkreten Fall weniger negativ sein als eine falsch besetze Stelle.
Bei der Stadt Dortmund kommt noch hinzu, dass die Besetzung viel zu lange dauert. Auch da hat die Stadt Erfahrung bei der Stelle des Radfahr- und Fußgängerbeauftragten.
Wenn das Problem angeblich nicht mehr das Geld ist, sondern das fehlende Personal, kann man auch Planungsaufgaben vergeben. Wenn es sein muss, werden Büros wie die Dortmunder Planersocietät in wenigen Monaten die Pläne für den dringend nötigen Radweg am Wall fertig haben. Angesichts des Straßenquerschnitts ist das kein besonders kompliziertes Unterfangen, wenn man denn dann will. Ja, wenn man will.