Berlin dreht sich: Radgesetz-Entwurf vorgestellt
(Pressemitteilung Radentscheid) Berlin, 4. August 2017. Heute wurde der Referentenentwurf von Deutschlands erstem Radgesetz vorgestellt. Die Initiative Volksentscheid Fahrrad stieß diesen Gesetzgebungsprozess vor über 24 Monaten an und sammelte für ihren ersten Gesetzesentwurf über 100.000 Unterschriften. Der Referentenentwurf ist nicht nur ein gemeinsames Ergebnis von Initiative, ADFC, BUND, den Regierungsfraktionen und der Senatsverwaltung; er ist auch der erste gesetzliche Vorstoß in Deutschland für eine Verkehrswende, die ihren Namen verdient.
Seit Februar 2017 verhandelten Verbände, Politik und Verwaltung gemeinsam in über 17 Sitzungen. Der daraus resultierende Referentenentwurf wurde heute von Frau Günther vorgestellt.
„Das Radgesetz und die Regelungen zur Verkehrswende sind ein voller Erfolg für 24 Monaten Kampagnen-Arbeit. Angesichts Dieselkandal, galoppierender Klimakatastrophe und steigenden Verletztenzahlen ist das ein gutes Ergebnis für alle Beteiligten”, begrüßt Heinrich Strößenreuther, Mit-Initiator des Gesetzgebungsprozesses und des Volksentscheid Fahrrads, die Vorstellung des Entwurfs.
80 – 90 Prozent der Inhalte des ursprünglichen Radgesetz-Entwurfs des Volksentscheids Fahrrad wurden übernommen, im Radverkehrsrahmenplan sind jetzt noch klare Zielvorgaben und Zeithorizonte zu verhandeln.
„Wir werden jetzt Qualitäten, Mengen und Jahresziele ausverhandeln und die rot-rot-grüne Koalition dabei unterstützen, das gemeinsame Ergebnis gegen die Autolobby zu verteidigen und bis zum 14.12.2017 zur Abstimmung im Abgeordnetenhaus zu bringen”, erläutert Denis Petri vom Volksentscheid Fahrrad.
Im August 2015 wurde die Initiative Radgesetz gestartet, 24 Monate später liegt nun von staatlich-offizieller Seite ein Entwurf vor – und zwar nicht nur für ein Radgesetz, sondern auch für eine Verkehrswende. Den Entwurf finden Sie im Folgenden als Link.
“Mit dem Radgesetz wird Berlin die erste Stadt Deutschlands, die sich gesetzlich der Verkehrswende festschreibt und ist somit Vorreiter für den städtischen Klimaschutz deutschlandweit. Ohne die Aktiven des Radentscheid wäre dies nicht möglich gewesen. Zivilgesellchaftliches Engagement ist wieder einmal Grundlage für den Klimaschutz”, sagt Lena Osswald, Vorstandsmitglied des Vereins Changing Cities, der neben der Initiative noch weitere Projekte zu nachhaltiger Mobilität und lebenswerten Städten anschiebt.
Vorneweg: Bei der ersten Lektüre macht der nun amtlicherseits vorgelegt Entwurf einen passablen Eindruck und hat mit der einseitigen Ausrichtung, wie es die Radgesetz-Initiatoren wollten, nicht mehr viel zu tun, wenn ich mir die Gliederung des Entwurfes Initiative und die des aktuellen amtlichen Entwurfes angucke. Aus dem einseitigen Radgesetz wurde ein umfassendes Gesetz, dass dann die Regelungen zum Fußverkehr erst einmal auf später verschiebt. Im Detail wäre noch zu prüfen, wie gelungen das Gesetz im Detail ist. Wenn z. B. § 49 die Anordnung von temporären Schutzstreifen als Sicherheitsmaßnahmen anordnet, ist das natürlich weder gut noch hat das was man mit der Separierungsideologie der Initianten zu tun.
Schon § 1 Abs. 1 macht deutlich, dass es nicht auf eine konsequente Verkehrswende hinauslaufen soll.
Entsprechend spricht § 3 Abs. 1 auch von „Mobilitätsbedürfnissen der Menschen und
den Verkehrsbedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs“ und erst in § 5 kommt dann eine – nicht einklagbare – Soll-Bestimmung.
Von einer gesetzlich festgeschriebenen Verkehrswende würde ich also nicht sprechen, auch wenn in § 6 dann doch noch etwas konkreter und verpflichtender formuliert wird, dass die Klimaauswirkungen reduziert werden sollen. Nach § 5 Abs. 3 ist selbst Car-Sharing klimaneutral. Das gibt einen Ausblick darauf, was man alles an Schein-Ansätzen verfolgen wird.
Im Detail muss ich mir das aber noch angucken.
Eine andere Sache finde ich auch interessant, die andernorts bereits gelobt wird.
Schauen wir zuerst in §1 Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin. In § 1 Abs. 1 Satz 1 heißt es:
Zu der Gefahrenabwehr gehören auch die Prävention (§ 1 Abs. 3 ASOG Bln) sowie die durch das Gesetz übertragene Aufgaben (§ 1 Abs. 2 ASOG Bln), zu denen nach dem Zuständigkeitskatalog Ordnungsaufgaben zu § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 11 Buchstabe a Ordnungsaufgaben nach dem Straßenverkehrsgesetz gehören und damit die Verfolgung von Verstößen gegen die StVO.
§12 überträgt der Polizei die Befugnis, weitgehend selbst zu entscheiden, wie sie die Aufgaben erfüllen möchte.
Demnach obliegt es der Polizei zu entscheiden, ob sie mit dem BobbyCar, Roller, Fahrrad oder Auto eine Aufgabe erledigt, wenn diese alle (gleichermaßen) geeignet sind.
Die Frage ist für mich nun, wie sich das mit den Regelungen in § 38 Abs. 5 Satz 3 verträgt.
Lassen wir mal beiseite, dass der Begriff „Fahrradstaffel“ bisher verkehrsrechtlich vermutlich vollkommen unbestimmt ist und keinerlei Bestimmung im Gesetz erfährt (Das lässt der Polizei viel Interpretationsspielraum). Aber greift das nicht in die Rechte der Polizei arg weit ein? Mal ganz davon abgesehen davon, dass ich bekanntlich nichts davon halten, wenn die Aufgaben bei der Polizei aus dem Fahrzeug ergeben sollen, das verwendet wird. Wenn man da keine grundsätzlichen Bedenken hat, sollte man aber bedenken, dass die Konsequenz sein wird, dass sich die Besatzung in Streifenwagen gar nicht mehr für Radverkehr zuständig fühlt, wenn es für den Radverkehr ja Fahrradstaffeln gibt.
Es gibt übrings schon die Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes über Geh- und Radwege (AV Geh- und Radwege)