Hier bitte keine Fahrräder abstellen!
Ein Gastbeitrag von Sarah Kusché
Nach knapp 14 h Zugfahrt stieg ich am Hauptbahnhof Dortmund aus. Voll bepackt mit großem Rucksack, riesigem Trolly und natürlich meinem treuen Begleiter – meinem Fahrrad – stand ich da und wollte mein Erasmus-Semester beginnen. Schon vor meiner Ankunft war ich von Freunden und Bekannten vor einem möglichen Kulturschock gewarnt worden. Der erste Unterschied zu Wien fiel mir sofort auf: lauter gelb-schwarz gekleidete Menschen mit Bierkisten und dazwischen ein paar uniformierte Polizisten – um 9 Uhr morgens wohlgemerkt. Unbeirrt dessen suchte ich jetzt erst einmal in der Nähe des Haupteinganges einen Abstellplatz für mein Fahrrad, um mich zu Fuß leichter durch die Stadt bewegen zu können.
Obwohl an jeder Stange, Halterung und Gerüst mindestens ein Fahrrad angebracht war schien die Beschilderung diesem Verhalten eher ablehnend gegenüber zu stehen: „Hier bitte keine Fahrräder abstellen!“ prangte mir in Augenhöhe entgegen. Nachdem ich ein ganzes Stück am Bahnhof entlang gegangen war, entdeckte ich, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite komplett leere Fahrradbügel angebracht waren. Mir ist nach wie vor nicht klar, warum solche Bügel nicht direkt am Bahnhof vorzufinden sind und stattdessen das illegale Abstellen anscheinend geduldet wird. (Einige der Räder, die ich am ersten Tag dort beobachtete, erkannte ich in den folgenden Tagen wieder.) Erst viel später und mit Hilfe eines Luftbilds fand ich heraus, dass es sehr wohl auch auf dieser Seite des Walls am Bahnhof Abstellplätze gibt, allerdings sind diese gut versteckt hinter zwei baulichen Objekten, die mein ungeschultes Auge eher als „Bahnhof Ende – hier nur noch Parkplätze“ interpretierte.
Erfahrungen mit versteckten, meist auf dem Gehsteig und nicht im Parkraum angebrachten, Fahrradbügel durfte ich später auch noch an verschiedenen Stellen in Dortmund machen. Positiv ist allerdings zu bemerken, dass es überhaupt solche Stellplätze gibt. An Punkten wie Supermärkten und öffentlichen Einrichtungen sind sie doch sehr regelmäßig vorhanden.
Weniger oft, beinahe gar nicht vorhanden sind dafür öffentliche Luftpumpen und Fahrradwerkzeug. Nachdem mein ursprünglicher Plan direkt mit dem Fahrrad zum Campus zu düsen durch einen Platten durchkreuzt wurde, musste ich zunächst erst einmal selbst Hand anlegen. Werkzeug zum Flicken des Loches hatte ich zwar mit, aber keine Fahrradpumpe. Nach oberflächlicher Recherche konnte ich nur herausfinden, dass es so etwas mal gab, aber wohl nicht mehr gibt und entschloss mich schließlich einfach ein Fahrradgeschäft in der Nähe des Westentors aufzusuchen. Dort traf ich zu meiner Überraschung nicht nur auf einen sehr freundlichen Verkäufer, sondern auch auf eine im Außenbereich angebrachte Pumpe und einige Werkzeuge. Deren Funktionstüchtigkeit konnte ich jedoch nicht feststellen, da mich das Wetter schlichtweg in den Innenraum trieb und mir dort sehr schnell geholfen wurde.
Die folgenden Tage nach meiner Ankunft erkundete ich die Innenstadt. Aufgrund des schlechten Wetters war ich zunächst hauptsächlich zu Fuß unterwegs und stieß dabei auf das lokale Fahrrad-Sharing-Angebot. Aus Wien verwöhnt durch ein extrem günstiges und städtisch subventioniertes System (citybike) – 1€ Registrierungsgebühr und eine Stunde gratis bei jedem Mal ausborgen – schienen die Preise sehr hoch – 1€ für 30 Minuten oder eine Jahresgebühr von 48€ mit 30 Minuten Gratisfahrt und kein Rabatt für Studierende der TU Dortmund – für mich keine nutzbare Alternative oder Ergänzung. In Wien nutze ich dieses Angebot sehr gerne, weil es vor allem Wege außerhalb der Betriebszeiten des ÖPNV erleichtert und intermodale Wege nicht von langer Hand geplant werden müssen, sondern auch spontan umsetzbar machen. Besonders im Sommer bei unklarer Wetterlage gibt es nichts Besseres als mit einem Leihrad durch die frische Morgenluft zu düsen, und abends während eines Sommergewitters mit dem Bus nach Hause chauffiert zu werden.
Dortmund ist eigentlich wie gemacht zum Fahrrad fahren
Nach ein paar Tagen trieb mich das immer besser werdende Wetter schon vor Semesterbeginn zum Campus der TU Dortmund und ich genoss die grüne Landschaft und fast ländliche Idylle. Die Umgebung in Dortmund ist eigentlich wie gemacht zum Fahrrad fahren, die Infrastruktur jedoch leider nicht. Trotz Fahrradnavigationssystem (bikecitizen) verfuhr ich mich ein paar Mal, entweder weil ich so konzentriert auf die Straße sehen musste, um nicht in einem Schlagloch zu versinken, mir eine Glasscherbe einzufahren oder weil die Markierungen des Radwegs mitten auf der Straße endeten und auf einmal auf dem Gehsteig fortgesetzt wurde. Gerade an steileren Stücken und in komplizierten Kreuzungssituationen machte dies die Radfahrerfahrung zu einem negativen Erlebnis. Das umständliche Ausweichen bei gefährlichen oder einfach sehr unebenen Stellen verringert außerdem mein Sicherheitsgefühl beim Fahren erheblich. Spontane Ausweichmanöver werden möglicherweise von überholenden Autos oder anderen VerkehrsteilnehmerInnen nicht wahrgenommen und bringen mich dadurch in die Zwickmühle – entweder trotzdem darüber zu fahren und möglicherweise zu stürzen oder ausweichen und eventuell von unachtsamen anderen in einen Unfall verwickelt werden. Natürlich sind die meisten Situationen nicht direkt lebensbedrohlich, aber in Kombination mit anderen Aspekten durchaus ein „turn-off“ wenn es um das Radfahren geht.
Die Problematik der unklaren Fahrradwegführung ist einer dieser weiteren Aspekte. Bei einem kleinen Ausflug zum Phoenixsee durfte ich unter anderem die folgende Erfahrung machen: Ich war bei strahlendem Sonnenschein mit meinem treuen Navigationssystem unterwegs, dessen Bildschirm ich aus Energiespargründen ausgeschaltet hatte und mir ansagte, dass es nach der Kreuzung links weiter gehe. Daraufhin bog ich bei der U-Bahnstation „An der Palmweide“ in Richtung Kreuzviertel ab. Dass versteckt hinter einem Gebüsch noch ein direkterer Weg verborgen war, der mich nicht erst einmal am Stadion vorbei und über einen großen Umweg zum Ziel brachte, wurde mir erst auf der Rückfahrt bewusst – ein einfaches Straßenschild hätte an dieser Stelle Wunder wirken können.
Dieses Wochenende zeigte mir trotz aller ärgerlicher Umwege eines sehr deutlich: Das Fahrrad ist durchaus beliebt! Vor allem in den vielen Parks und auf abgelegenen Wegen und entlang der verschiedensten Gewässer sind dann viele mit ihren Drahteseln unterwegs. Für mich stellte sich da die Frage: Hört die Liebe zum Fahrrad wirklich am Montagmorgen auf?
Ich genieße trotz aller Unannehmlichkeiten das Radfahren hier sehr. Schnell und flexibel von Ort zu Ort zu kommen, nicht abhängig von Öl-Preisen und Staus zu sein, nie Verspätungen zu haben und keine Klimananlagenluft atmen zu müssen – das kann sonst einfach kein Verkehrsmittel.
Vielen Dank für den schönen Beitrag. Es ist immer spannend, mal Eindrücke von außen zu erfahren.
Darüber, dass man die Fahrradbügel am Hbf gar nicht sehen kann vom Ausgang, habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.
Öffentliche Luftpumpen gibt es auch in Hamburg.
Den bewachten Fahrradparkplatz der dobeq direkt am Hauptausgang des Hbf hat die Autorin nicht bemerkt? Steht zumindest groß genug dran, wozu der gläserne Bau dient …