Kommentar: Viel Aufregung über den abgeschalteten Radroutenplaner-NRW – Warum eigentlich?
Mit großer Aufregung reagierten in den letzten Tagen viele Blogs, Interessenvertreter und Medien auf den (vor über einer Woche) „überraschend“ abgeschalteten Radroutenplaner Nordrhein-Westfalen. Anscheinend wurden Verträge nicht verlängert bzw. die Fortführung unzureichend abgestimmt. Was soll man sagen, plötzlich ist für viele Nutzer ein lieb gewonnener Helfer für den Radalltag Geschichte, das ist ärgerlich. Die tatsächliche Bedeutung für den Tourismus lässt sich als Externer nur schwer beurteilen.
Vor ein paar Jahren war die Einführung und Entwicklung noch „wegweisend“, 2014 ist der Routenplaner allerdings auch in Jahre gekommen. Zwar wurde die App für die wachsende Fangemeinde der Smartphones noch ergänzt, längst ist aber eine Reihe von Alternativen auf dem Markt verfügbar.
Zwischen Ruhr, Lippe und Rhein sind gleichzeitig viele Radrouten auf alten Bahntrassen dazugekommen, die häufig im Radroutenplaner nicht angezeigt wurden, aber auf dem aktuellen Satellitenbild schon sichtbar waren. Die Möglichkeit, einfach die Linie trotzdem über den Wunschweg zu legen, war nicht vorhanden. Die ebenfalls browser-basierte Konkurrenz verfügt längst über entsprechende Angebote.
Chic war bisher besonders für den noch ausdruckenden Teil der Radler die Papierwegweisung – mit der bekannten NRW-Radroutenbeschilderung als Liste. Ein Pluspunkt, den die Konkurrenz aufgrund fehlender Datenbasis nicht zur Verfügung stellen kann. Gleichzeitig waren die Karten der freien Internetprojekte z.B. von openstreetmap.org bzw. opencyclemap.org häufig aktueller, als das abgeschaltete Projekt mit langjähriger Landesförderung.
Parallel verbesserte die Routingfunktion der Anbieter sich immer weiter, die qualifizierte Bewertung von Strecken für Alltagsfahrer, für Rennradfahrer oder verzeichnete Trails für den Mountainbike-Bereich runden die Angebote immer weiter ab.
Die bekanntesten Anbieter (teilweise kostenfrei) sind vermutlich:
die für den Nutzer im Normalfall auch eine App zur Verfügung stellen. Und das nicht als Insellösungen für Bundesländer, sondern häufig auch mit der Möglichkeit europaweite Strecken zu planen.
Charmant an vielen anderen Lösungen sind ebenfalls ortsbezogene Suchfunktionen mit Streckenvorschlägen anderer Nutzer, die man selbst eventuell noch nicht kennt.
Ebenfalls sind Freeware-Lösungen für den Desktop verfügbar, die sämtliche verfügbare Kartenmaterialien online nachladen und besonders für die Nutzer von GPS-Geräten ihren Charme haben. Ich persönlich arbeite seit langem mit dem Angebot von routeconverter.de, das ich nach kurzer Eingewöhnungszeit wirklich lieb gewonnen habe. Und entsprechend nutze ich den Radroutenplaner NRW für die Tracks & Routen auf meinem GPS-Gerät überhaupt nicht mehr.
Der Mensch hat Angst vor Veränderungen des Alltags, so auch in diesem Fall. Die eigenen Gewohnheiten versperren manchmal den Blick auf neue und womöglich bessere Angebote.
Der Radroutenplaner NRW ist 2014 eigentlich ein typisches Beispiel dafür, dass eine Landesförderungen in diesem Bereich als Entwicklungshilfe sinnvoll war, aber der Markt sich schneller entwickelt als gefördert wird. Die sinnvolle Datenbereitstellung, z.B. in Form von Open Data für andere (kommerzielle) Anbieter im Internet wäre eine Hilfestellung und ein Multiplikator für die Radnutzung. Ich bin gespannt, wie diese Planungshilfen in zehn Jahren aussehen werden.
Je länger der Neustart oder die Fortsetzung des Radroutenplaners NRW dauert, desto größer wird der Marktanteil der Konkurrenten. Alles in allem bleibt der Eindruck, dass die Entscheider hinter diesem Produkt den Rad fahrenden Bürger und erhofften Touristen noch nicht wirklich in seinem Bedarf verstanden haben. Zu hoffen bleibt allerdings, dass die Verantwortlichen einmal mehr neue Impulse und Maßstäbe setzen wollen und eine noch besseren Neustart hinlegen.
Wichtiger als überarbeitet Internetangebote wären viel mehr zeitgemäße Infrastrukturangebote in der Region. Die Potentiale sind längst entwickelt, aber häufig für den Alltag noch nicht gut vernetzt. Und der Alltagsradverkehr bleibt das Sorgenkind der Region, trotz aller Fortschritte der AGFS.
Zumal es für viele Radfahrer keine „klassische Fahrradsaison“ mehr gibt, besonders dann, wenn der Winter sich schon wie Frühling anfühlt …
Man sollte nicht vergessen, dass nun auch kein Zugang mehr zum Schilderkataster der NRW-Netzes besteht.