mindestens 100.000 €/Jahr für investive Radverkehrsmaßnahmen in Dortmund: Was wurde damit gebaut?
Am 23.05.2002 hat der Stadtrat der Stadt Dortmund unter TOP 3.13 einen 5-Jahresplan „Radverkehr in Dortmund“ beschlossen. Im Vorgang im Ratsinformationssystem fehlt das Dokument, obwohl es offizielle Anlage des Beschlusses ist. Auch meine Kontaktaufnahme mit der allgemeinen Verwaltung führten bisher nicht zu Ergänzung und auch nicht zu einer Übersendung per E-Mail. Außerdem wurden einstimmig beschlossen:
Der Rat der Stadt beschließt einstimmig folgenden gemeinsamen Antrag der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion vom 16.05.2002:
Der Rat der Stadt beschließt, jährlich mindestens 100.000 Euro aus den Einnahmen der Stellplatzablöse für investive Maßnahmen zur Verbesserung des Fahrradverkehrs zur Verfügung zu stellen.
Zu den Wesensmerkmalen einer Verwaltung gehört es, dass es Vorgänge gibt und diese in Akten archiviert werden. Innerdienstliche Regelungen und Gesetze regeln im Detail, was in diese Akten gehört und wie lange diese aufbewahrt werden müssen. Da ich Artikel dieser Arbeit ohne Monetarisierung in der Freizeit schreibe, muss ich darauf verzichten, das Thema fallbezogen aufzudröseln. Aber so viel allgemein:
Aufbewahrungsfristen beginnen mit Abschluss des Vorgangs, nicht vorher. Da es keinen Aufhebungsbeschluss zu geben scheint, ist das mit den 100.000 Euro je Jahr ein fortlaufender Verwaltungsauftrag. Selbst wenn man daraus für jedes Jahr ein Vorgang macht, müsste es noch für einige Jahre rückwirkend Vorgänge geben. Man könnte hier auch eine dauerhaften Hauptvorgang machen und für die haushalterische Detailabwicklung Vorgänge je Jahr. Auch bei einem Arbeitsprogramm kann man das unterschiedlich betrachten. Bei baulichen Maßnahmen wird es Bauakten für die Straßen geben in den die bautechnischen Unterlagen sind, für die finanzielle Abwicklung wird es in der Buchhaltung Akten geben (die schon aus Mengengründen nicht alle aufgehoben werden können). Aber ob ein Aktenvorgang zur Koordinierung eines solchen Programms ewig aufgehoben werden muss?
Um mein Interesse zu stillen, was eigentlich aus dem Programm geworden ist und vor allem, was mit den 100.000 € passiert jedes Jahr, wollte ich im Sommer mit einem IFG-Antrag in die Akten schauen, etwas was bisher sehr wenig Menschen machen. Auch wenn es manchmal etwas dauert, hat das Tiefbauamt inzwischen Strukturen, um dieser Pflicht nachzukommen. In der Folge musste die Amtsleiterin des Tiefbauamtes mit vielen Kolleginnen und Kollegen laut eigener Aussage diesen Sommer einen Monat lang daran arbeiten, meinen IFG-Antrag zu prüfen, mit denen ich Zugang zu
- Auszüge aus den Jahresabschlüssen o. ä. zu den seitdem jährlich im Sinne o. g. Ratsbeschlusses ausgegebener Gelder,
- dem Aufhebungsbeschluss, soweit der Beschluss aufgehoben wurde, und
- der aktuellsten Übersicht zum Umsetzungsstand der einzelnen Maßnahmen
begehrte. Da die Mehrheit der damals damit betrauten Mitarbeitenden nicht mehr im Dienst sei und die Aufbewahrungsfristen der Akten abgelaufen sein, lägen nur rudimentäre Informationen vor.
Aus den schriftlichen Aufzeichnungen (ob es sich um s. g. Handakten oder offizielle Akten handelt, ist bei der Wortwahl unklar) ergäbe sich,
dass der erste Maßnahmenplan Radverkehr (2001 – 2005) in großen Teilen zum Ende des Jahres umgesetzt worden war. Eine detaillierte Dokumentation der Umsetzung liegt jedoch nicht vor. Eine Fortschreibung sollte ab 2006 als zweiter Maßnahmenplan Radverkehr (Maßnahmenplan II) erfolgen. Erste Ansätze hierzu hatte es gegeben, diese sind jedoch nicht weiter verfolgt worden.
Es gab dann ja weitere Pläne unterschiedlicher Begrifflichkeit, es ging somit irgendwie weiter. Systematisch untersucht wurde deren Umsetzung meines Wissens nach bisher nicht. Ein schönes Thema für eine Abschlussarbeit, die ich als Zweitbetreuer auch mitbetreuen würde, falls jemand Interesse hat.
Interessanter ist die Frage, was aus dem Beschluss geworden ist, Stellplatzablöse investiv für den Radverkehr zu nutzen, geworden ist. Diese werden vom Stadtplanungsamt im Rahmen der Baugenehmigung eingenommen und im Haushalt für das Tiefbauamt eingestellt.
Die generischen Einzahlungen eines laufenden Jahres fließen buchungstechnisch in die Stellplatzrücklage. Soweit eine investive Maßnahme des § 51 Abs. 6 Bauordnung NRW realisiert und aktiviert wird, könnte die Stellplatzrücklage zur späteren Entlastung der Ergebnisrechnung herangezogen werden;
In der Ergebnisrechnung werden Erträge und Aufwendungen einer Haushaltsperiode gegenübergestellt. Soweit, so gut: Extra gebuchte Stellplatzablösen können zu haushalterischen Reduzierung von Kosten herangezogen werden.
d. h. parallel zur Abschreibung der Baumaßnahme würde die Stellplatzrücklage aufgelöst werden, so dass lediglich das Saldo aus Abschreibung und Stellplatzrücklage zum Tragen käme. Die Finanzierung der eigentlichen Auszahlung für eine entsprechende investive Maßnahme (Liquidität) muss allerdings im Haushalt bereitgestellt werden.
Was das jetzt mit der Abschreibung zu tun hat, erschließt sich mir nicht wirklich, weil es dabei ja um den Buchwert einer Anlage geht und der ist unabhängig von der Art der Finanzierung.
Im Ergebnis führe das aber alles dazu, dass es für die Stadt nicht möglich ist, darzustellen, ob und wenn ja wie sie den Ratsbeschluss umgesetzt hat, da sie nicht herausfinden kann, welche Gelder seinerzeits (warum nicht fortlaufend?) in welche konkreten Maßnahmen unter Bezug auf diesen Beschluss geflossen sind.
Das Ratsinformationssystem der Stadt lässt leider nicht zu, zuverlässig mit überschaubarem Aufwand zu prüfen, ob es seitens der Politik Nachfragen hierzu gab. Gefunden habe ich zumindest nichts. Dass es keine Aufstellungen in der Verwaltung gibt, legt nahe, dass die Politik eine solche nie eingefordert hat. Für die Öffentlichkeit ist also nicht nachvollziehbar, ob diese Gelder überhaupt jemals so eingesetzt wurden, geschweige denn wofür. Politische Beschlüsse, die versanden, stärken nicht das Vertrauen in die Demokratie, sondern sind Futter der Populisten, die den starken Mann (und die schwache Frau) für erstrebenswert halten. Auch wenn es am Ende nur Haushaltskosmetik ist, weil es im Beschluss nie um zusätzliche Gelder ging. Der Beschluss wäre auch erfüllt, wenn einfach buchungstechnisch Einnahmen eh erfolgenden Ausgaben zugeordnet worden wären und das frei gewordene Geld andersweitig genutzt worden wäre.