Hat der Autoverkehr als Gesamtheit in Essen eine eigene Rechtsposition?
Die Rheinische Post berichtet über die Bedeutung des Radwegebaus als hochumstrittenes Thema im Kommunalwahlkampf im Ballungsraum Rhein-Ruhr.
Um seine Wiederwahl zu sichern, hat Oberbürgermeister Kufen keine Alternative, als wie viele Parteifreunde im Land eine eher mittlere Linie vorzugeben: „Alle Verkehrsträger haben ihre Berechtigung. Wir wollen die Radwege ausbauen, aber auch der Autoverkehr hat Rechte. Da müssen wir kluge Lösungen finden und insbesondere den ÖPNV ausbauen.“ […] sagt Thomas Kufen, stellvertretender Präsident des NRW-Städtetages und Oberbürgermeister von Essen (CDU). „Viele Bürger wollen zwar mehr Radwege, aber Einschränkungen des Straßenverkehrs wollten wiederum viele auch nicht.
Ob der Autor Reinhard Kowalewsky einfach nur schlecht zitiert oder ob der erfahrende Lokalpolitiker das wirklich so gesagt hat oder ob sich beides hier vereint, weiß ich nicht. Was man aber sagen kann: Es hat sich in der Redaktion keiner daran gestört, dass dem Text nach
- Radwege eine Verkehrsart sein soll
- Radwege und Autoverkehr eigene Rechte haben sollen
- Radwegeausbau durch Ausbau des ÖPNV erreicht werden soll
- Radwege nicht Teil des Straßenverkehrs sein sollen.
Spricht nicht für die Redaktion, soetwas zu veröffentlichen.
- Welche Rechtspositionen mag der Autoverkehr als Gesamtheit haben und wie setzt er die als Rechtssubjekt durch? Und wie siehr das bei den Radwegen aus?
- Ist der einzelne Radweg dann ein Verkehrsmittel? Und wenn ja, sind Fahrräder das auch?
- Wie entsteht durch den Ausbau des ÖPNV neue Radwege?
- Woran nimmt die Verkehrsart „Radweg“ nicht teil, wenn nicht am Straßenverkehr?
- Wäre es nicht wichtiger, für mehr Radverkehrsanteil zu sorgen?
Vielleicht hat man sich auch gar nicht so genau mit dem Zitat befasst. So richtig durchdacht und durchdrungen klingt das alles nämlich nicht und Lokaljournalismus sollte das dann herausarbeiten und einordnen. Vielleicht hat man schlecht zitiert und es gab keine Qualitätskontrolle. Vielleicht waren das aber ausräumbare Unschärfen in der mündlichen Kommunikation, die im Nachgang nachgeschärft werden hätten können.
Vielleicht zeigt sich in der Wortwahl aber doch ein bisschen mehr, gerade auch im Zusammenhang mit den auf den ersten Blick plausibel erscheinenden Phrasen wie „Alle Verkehrsträger haben ihre Berechtigung.“, die am Ende ziemlich wenig sagen und im Kontext jeweils eine andere Bedeutung haben, nämlich etwas zu relativieren. Auch mit der Wahrnehmung davon beginnt erst ein wesentlicher Teil der journalistische Arbeit, die über die Reproduktion von Aussagen hinausgehen muss.