Zur Relevanz von Erfolg in den Sozialen Medien
Der Publizist Gal Beckerman denkt auf Zeit Online über die Rolle von s. g. Sozialen Medien im politischen Aktivismus nach.
Wir sind es gewohnt, dass die Dinge schnell und effizient geschehen und erwarten das auch von gesellschaftlichen Veränderungen. Und ein Versprechen auf schnelle und effiziente Veränderung liegt in der Vorstellung, man müsste nur die richtige Aufmerksamkeit erzeugen. Wenn wir nur eine laute Aktion durchführen, wenn wir die Leute nur dazu bringen, irgendwie emotional zu reagieren, oder sie inspirieren, dann ist das alles, was passieren muss, damit die Dinge sich verändern.
Er kritisiert, dass der Sinn dafür verloren gegangen sei, dass gesellschaftliche Veränderungen einen harten Kampf bedeuten. Unzählige Radverkehrsplaner im kommunalen Dienst werden das sicherlich bestätigen können.
Er führt weiter aus, dass es einen Zusammenhang zwischen es einen Zusammenhang zwischen Kommunikationsmittel und dem Inhalt gibt, der mit diesen kommuniziert wird.
Wir alle kennen diese Dynamiken aus den sozialen Medien: Diese Plattformen wollen, dass wir die lustigste, lauteste, emotionalste Person im Raum sind. So bekommt man die meisten Likes. Und es ist einerseits toll, dass sich Dinge so viral verbreiten können. Aber in dieser speziellen Art zu kommunizieren, ist wenig Raum für langsame und manchmal mühselige politische Arbeit.
Er beschreibt Soziale Medien so:
Die Metapher, die ich am treffendsten finde, ist die: Soziale Medien sind in dem Sinne sozial, wie eine Cocktailparty sozial ist. Es ist laut, es sind viele Leute um einen herum, man hört viele Unterhaltungen so halb mit, jemand erzählt einen Witz und kurzzeitig hören der Person mehr Leute zu. Im nächsten Zimmer fällt ein Glas herunter und alle drehen sich um. Es ist ein schöner Abend, man ist in Gesellschaft, aber wenn man nach Hause kommt und die Schuhe auszieht, denkt man: Hm, ich habe mich mit niemandem so richtig unterhalten.
Ob Soziale Medien davon ablenken, wirklich wichtige Schritte zu machen?
Auf progressiver Seite ist auf jeden Fall die Vorstellung lebendiger, wenn wir nur unsere Forderung deutlich machen, für Gleichberechtigung oder gegen Waffenbesitz, dann wird uns letztlich jeder zustimmen und die Sache ist ein Selbstgänger. Die sozialen Medien verstärken die Vorstellung, dass allein moralische Empörung diese Wirkung hat, weil sie dort so erfolgreich ist.
Entsprechend beschrieb Sarah Bosetti kürzlich Twitter:
Wir sitzen den ganzen Tag rum, sind wütend, gucken vorwurfsvoll und fühlen uns moralisch überlegen, bisschen wie Twitter also, nur analog.
Beckerman stellt dem ein anderes „sozial“ gegenüber, das er für gesellschaftliche Veränderungen als maßgeblicher hält: Den intensiven Austausch einer überschaubaren Gruppe in einem geschlossenen Raum.
Ein Narrativ reiche nicht aus.
Es war immer wichtig, auch ein Narrativ zu einer Bewegung zu haben. Aber wir leben in einer Zeit, in der es maßlos überbetont wird und wir öfter in die Falle tappen, zu glauben, wenn ich nur die richtige Story erzähle, wenn ich es nur schaffe, die Leute zu berühren, dann wird sich alles lösen. Das mag ein menschlicher Impuls sein, aber die sozialen Medien machen es uns sehr viel leichter, dem auf den Leim zu gehen.
Mir scheint das alles kein uninteressanter Ansatz sein, um zu verstehen, warum viele Radinitiativen ein paar Jahre nach ihrem „Erfolg“ meist ernüchtert feststellen, dass sich nicht wirklich was geändert hat, so z. B. in München.