InfrastrukturRadkultur

Der finnische PISA-Erfolg und der Protected-Bike-Lane-Hype [mit Ergänzung]

Bisher gelingt es mir nicht so recht, damit Gehör zu verschaffen, dass man beim Thema Protected Bike Lanes kulturelle Differenzen berücksichtigen muss. Wie wichtig das ist, genau hinzuschauen, wenn eine Entwicklung aus dem Ausland gehypted wird, zeigt ZeitOnline aktuell an dem Beispiel Bildungspolitik. Jahrelang galt Finnland als das leuchtende Beispiel. Nun kam die Ernüchterung. Ein sehr lesenswerter Bericht. Ich finde ihn darüber hinaus aber auch deswegen interessant, weil er konkret an einem Beispiel beschreibt, warum ich darauf insistiere, dass man sich ganz genau anschauen muss, was andernorts weshalb so funktioniert und man sehr genau prüfen muss, was man darauf lernen kann. Der Unterschied dabei ist, dass Finnland bei PISA besser abschnitt als Deutschland, beim Thema Radinfrastruktur aber die USA Als Vorbild dienen mit einem geringeren Radverkehrsanteil.

Was kann man aus alldem lernen? Vermutlich war der Hype um die finnische „Schule für alle“ übertrieben. Viele haben sich zu sehr vom leicht Sichtbaren beeindrucken lassen. Sie sind keinem Trugbild aufgesessen, denn in Finnlands Schulen ist Beeindruckendes zu sehen. Doch sie haben einen Bildausschnitt zu stark vergrößert. […] Lohnt sich der Blick ins Ausland für uns denn noch? „Inspirationen sollte man dort unbedingt suchen“, sagt Christine Sälzer, aber Konzepte direkt zu übernehmen bringe nichts, weil das Umfeld sich zu sehr voneinander unterscheide.

Genauso wird es, wette ich, beim Thema Protected Bike Lanes kommen. Man muss nur wenige Wörter austauschen.

Was kann man aus alldem lernen? Vermutlich war der Hype um die angloamerikanische Protected Bike Lanes übertrieben. Viele haben sich zu sehr vom leicht Sichtbaren beeindrucken lassen. Sie sind keinem Trugbild aufgesessen, denn in entsprechenden Städten ist Beeindruckendes zu sehen. Doch sie haben einen Bildausschnitt zu stark vergrößert. […] Lohnt sich der Blick ins Ausland für uns denn noch? „Inspirationen sollte man dort unbedingt suchen“, sagt Norbert Paul, aber Konzepte direkt zu übernehmen bringe nichts, weil das Umfeld sich zu sehr voneinander unterscheide.

Der Artikel endet mit der Feststellung, dass eine neugierig-kritischen Haltung der ungestüme Begeisterung für Finnland Platz gemacht hat. So wird es auch bei den Protected Bike Lanes sein.

Auch Wilde1 verweist auf die Bedeutung der kulturellen Dimension.

Zwar ist nach wie vor die Perspektive  von Verkehrsingenieuren und Wirtschaftswissenschaftlern von immenser Bedeutung […]. Mobilität ist weder ausschließlich ein funktionaler Vorgang zur Überwindung  von Distanzen noch ein physischer Akt zwischen zwei Punkten im Raum – Mobilität ist zuerst ein komplexes soziales Phänomen. […] Insofern greift eine Denkweise zu kurz, die sich überwiegend auf die Verkehrsträger konzentriert. Ein solches Vorgehen vernachlässigt die kulturelle Dimension. […] Auch die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, der man eine gewisse Ingenieurslastigkeit zuschreibt, betont in den neuen Hinweisen zur Verkehrsentwicklungsplanung deutlicher als zuvor […] die kulturelle Dimension von Mobilität.

Beide Seiten der Debatte sind zur Zeit noch viel zu sehr in dieser Ingenieurspersektive verhaftet.

Ergänzung 27. 03. 2017 19:06

Der Abschnitt zu Wilde wurde ergänzt.

1 Wilde, Mathias 2015: Die Re-Organisation der Verkehrssysteme. Warum sich die städtische Verkehrsplanung zu einer Mobilitätsplanung weiterentwickeln sollte, Standort (39), S. 24-25; DOI 10.1007/s00548-015-0364-2.

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

2 Gedanken zu „Der finnische PISA-Erfolg und der Protected-Bike-Lane-Hype [mit Ergänzung]

  • Simon Knur

    Klar, „wir Deutschen“ sind was Besonders. Hat ja beim letzten Mal schon nicht funktioniert, als die anderen drumherum ihr Erfolgsmodell gestartet haben. Merkste selbst, oder?

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    • Norbert Paul

      Das hat nix mit Deutsch zu tun. Das Problem gilt auch bei Übertragungen von Burundi nach Lichtenstein. Und es gibt noch andere Nachbarländer als die Niederlande und Kopenhagen.

      Antwort

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