Sonderausstellung im Deutsches Technikmuseum zur Fahrraddebatte
Das Deutsche Technikmuseum in Berlin präsentiert vom 29. November 2024 bis 7. September 2025 die Sonderausstellung „Rückenwind. Mehr Stadt fürs Rad!“ Zum einen geht es um die Geschichte des Fahrrades, zum anderen geht es laut der Ankündigung um die aktuellen Konflikte auf Straßen und Fußwegen.
Leider gibt es in der Ausstellung eine Vielzahl an Ungenauigkeiten bei straßenverkehrsrechtlichen Aspekten, die eine nicht unwesentliche Raum in der Ausstellung einnehmen.
Fangen wir unseren kurzen Rundgang, mit vier Beispiele für explizit falsche Aussagen zum geltenden Straßenverkehrsrecht an:
- Juristisch falsch ist es, davon zu sprechen, dass Fahrräder und E-Scooter immer Vorrang hätten in Fahrradstraßen. In der StVO heißt es hingegen, dass der Radverkehr weder gefährdet noch behindert werden dürfe und Kraftfahrzeugverkehr wenn nötig die Geschwindigkeit weiter verringern müssten. Vorrangregelungen werden dadurch nicht aufgehoben und das Behinderungsverbot gegenüber Fahrrädern gilt auch für E-Scooter anstatt auch zu ihren Gunsten zu gelten.
- Das Verkehrszeichen 254 <Verbot für Radverkehr> verbiet, wie es der Name schon erkennen lässt, den Radverkehr und den Verkehr mit Elektrokleinstfahrzeugen im Sinne der eKFV, aber eben nicht Fahrräder, Pedelecs und E-Scooter ansich, wie die Ausstellung behauptet. Die Abgrenzung von Pedelecs als eigene Kategorie neben Fahrrädern kommt mehrfach vor.
- Die Darstellung der Benutzung von gemeinsamen Geh- und Radweg durch Mofas und E-Bikes gibt die Rechtslage innerorts wieder, behauptet aber fälschlicherweise, mit einer Freigabe ginge eine Benutzungspflicht einher. Das generelle Benutzungsrecht außerorts gemäß § 2 Absatz 4 Satz 5 StVO wird ausgelassen.
- Entgegen einer Infotafel gibt es das Schild 350.1 <Radschnellweg> schon in der StVO. Da es ein Richtzeichen mit Hinweis-Funktion ist (Anlage 2 StVO), fehlt es auch nicht an einer bundesweiten Regelung. Vermischt wird auf der entsprechenden Infotafel auch straßenverkehrsrechtliche und planerische Aspekte ohne das dies für Laien erkennbar ist, wenn es zudem heißt, Radschnellwege dienen dem schnellen und sicheren Vorankommens vor allem im Pendlerverkehr.
An der Grenze zwischen Vereinfachung und Fehlinformation bewegt sich die Aussage, Anlieger wären bei einer Fahrradstraße diejenigen, die dort wohnen oder etwas erledigen müssen. Das Problem ist hier aber in der StVO angelegt. In der StVO ist der Begriff des Anliegers undefiniert geblieben. Es gibt in Dortmund z. B. Fälle, bei denen Straßen in Tempo 30-Zonen nur über Fahrradstraßen erreichbar sind (in Dortmund sind ist die Fahrradstraße aber für sämtlichen Kfz-Verkehr freigegeben).
In die Ausstellung hat es auch eine historische Fahrradampel als Exponat geschafft. Jedoch wird nicht herausgearbeitet, dass diese Form so heute unzulässig ist. Nicht richtig erfasst wird von den Ausstellungsmachern, dass es keine Kfz-Ampeln gibt, jedoch der allgemeine Kfz-Verkehr bei Lichtzeichenanlagen immer zum Normalfall gehört und nie zu gesondert geregelten Verkehren. Daher gibt es nie Streuscheiben mit Kraftfahrzeugen.
Auf einer Tafel wird als Exponat ein Verkehrszeichen erläutert, mit dem die Benutzungspflicht aufgehoben werden könne. Das gibt es nicht und so ist es folgerichtig, dass man dieses Exponat schon am Eröffnungstag nicht sehen konnte.
Auch das angeblich (s. o.) noch nicht existierende Verkehrszeichen für Radschnellwege hat an einer weiteren Stelle eine Exponatbeschriftung bekommen, fehlte aber als Exponat.
Aber auch bei anderen Themen ist die Ausstellung problematisch:
Die Ghostbikes werden sicherlich vielerorts alleine oder zusammen mit dem ADFC aufgestellt, aber ganz sicher nicht immer und allein vom ADFC.
Beim Thema Fahrradhelm misslingt der Versuch der Einordnung m. E., indem weder darauf eingegangen wird, dass es methodisch äußerst schwierig ist, die Wirksamkeit zu belegen oder auch zu widerlegen, noch die verschiedenen Sichtweisen dargestellt werden:
Eine fehlende thematische Durchdringung lässt sich auch erkennen, wenn unter einem Foto von einer Rechtsabbiegerspur rechts des Radfahrstreifens angemerkt wird, dass dieser problematisch sei ohne zu erläutern, worin das Problem liegt und zu erwähnen, dass genau so sich querende Fahrlinien im Kreuzungsbereich vermieden werden, was Voraussetzung der Rechtsabbiegeunfälle ist. Das Problem tauch in einer anderen Exponaterklärung zu einer ebenfalls nicht korrekten Fahrradampel mir Drücker auf, was als modern gepriesen wird. Als weitere Lösung zu Erhöhung der Sicherheit an Kreuzungen werden geschützte Kreuzungen nach niederländischem Beispiel genannt.
Welche Prägung die Ausstellungsmachenden womöglich haben, lässt auch eine andere Exponaterklärung vermuten, wo behauptet wird, in den Niederlanden würde das Fahrrad in allen Altersklassen genutzt. Das ist natürlich auch in Deutschland so und mit dem Führerscheinalter geht auch in den Niederlanden die Fahrradnutzung deutlich zurück.
Auch wird von einer guten Radinfrastruktur in den Niederlanden gesprochen, obwohl der Ausbaustand dort alles andere als einheitlich ist. Wobei ja Radinfrastruktur ein schillernder Begriff, bei dessen Verwendung selten klar ist, was damit genau gemeint ist. Und auf einer weiteren Tafel befindet sich ein nächstes Indiz:
Auch hier fehlt die Kontextualisierung, dass es sich hierbei um Planungsansätze handelt, die in Deutschland vor Jahrzehnten schon mal in den Lehrbüchern standen. Anstelle hier die Komplexität der Thematik zu vermitteln, werden die damit einhergehenden Zuschreibung reproduziert („der Radfahrende durch bauliche Maßnahmen schützt“). Jedoch findet sich auf einer anderen Tafel die Aussage, der Radwegebau sein nicht unumstritten, gleichzeitig wird suggeriert, alle Radfahrenden seien pauschal für Radwegebau. Und das, ein kleine Internetrecherche genügt, ist nun alles andere als richtig. Vielmehr ist das ein hochumstrittenes Thema.
Eine unvollständige Tafel gab es auch:
Fazit: Wer auf den Wissensstand der Radentscheiderszene kommen will, ist in der Ausstellung gut aufgehoben. Für alle anderen lohnt sich der gezielte Weg in den Ausstellung nicht. Die Dauerausstellung, die ich nur teilweise geschafft habe, fand ich deutlich überzeugender.
Transparenzhinweis: Ich war privat vollzahlend in der Ausstellung und nicht als akkreditierter Journalist.