DortmundInfrastrukturVerkehrspolitik

Mit dem Denken der Vergangenheit der Zukunft weiter bequem entgegendieseln in Dortmund

In den Nachkriegsjahrzehnten glaubte man, mit Technik und dem Ausbau von Verkehrsinfrastruktur würde man alle Verkehrsprobleme lösen oder doch zumindest deutlich einschränken. Man erdachte Ideen wie die Grüne Welle, ein Konzept, dass nur funktioniert, wenn die Straßen ein Raster mit einer von der zulässigen Geschwindigkeit abhängigen  Rasterweite bilden. Während die Lokalpolitik nach und nach Abschied nimmt vom vergilbten Bilderbuch der Nachkriegsverkehrsplanung, blättert man im Stadtplanungsamt und Tiefbauamt weiterhin in den Büchern aus den Jugendtagen von Ludger Wilde und Arnulf Rybicki, in den kleine autonome Flugfahrzeuge durch idyllische Stadtlandschaften ohne Umweltprobleme fliegen. Moderne Verkehrsplanung kommt ohne sozialwissenschaftliche Expertise nicht aus. Sie setzt sich z. B. damit auseinander, welche Rahmenbedingungen, welches Verkehrsverhalten fördern oder nicht. So ist es völlig abwegig, dass man mit Attraktivierung des Autoverkehrs, Schadstoffe reduziert. Eine der zentralsten Ergebnisse der Mobilitätsforschung ist die große Stabilität der Reisezeitbudgets. Also muss man dafür sorgen, dass die Leute möglichst wenig Strecke machen können in der Zeit (btw.: Na, in welcher Tradition stehen viele Forderungen der Radentscheide, mit ihren Forderungen nach (bau-)technischen Lösungen und Beschleunigung (des Radverkehrs).

So schlägt Arnulf Rybicki, ein Dezernent, von dem ich bis heute nicht weiß, ob er eine handlungsleitende fachlich Idee hat außer Weiter-So, nun vor, viel Geld in einer App zu versenken. 330.000 Euro, die das Gefühl einer grünen Welle vermitteln soll, wenn man mit dem Kfz oder auch Rad unterwegs ist. Für den Fußverkehr bleibt außer eingeatmete Abgase natürlich mal wieder nichts übrig. Und Dortmund wird sicherlich weiterhin die Großstadt sein, die Vorrangschaltungen für den ÖPNV an Lichtzeichenanlagen („Ampeln“) als wichtiger Baustein für kurze Fahrzeiten und Fahrplanstabilität höchstens in absoluten Ausnahmefällen vorsieht. Dabei darf man nicht vergessen: In der Zeit, in der von Verwaltungsmitarbeiter*innen (vermutlich) der Verkehrstechnik diese App geplant wird, können diese keine Bevorrechtigung des Kfz-Verkehrs an einer Lichtzeichenanlage zurück nehmen (gut, dass diese Abteilung soetwas macht, ist eher unwahrscheinlich …).

Würde die Grünen und die CDU das mit dem Umweltschutz wirklich ernst meinen, würden sie im Rat dagegen stimmen. Aber Rybicki hat schon ausgerechnet oder in den Werbeunterlagen des App-Produzenten gefunden, dass die App Treibstoff spare und man damit die Umwelt schone. Man ist erstaunt, was inzwischen alles gut für’s Klima ist. Würden CDU und Grüne wirklich was für den Radverkehr tun wollen, sollten sie das Geld nicht in fragwürdige Projekte für den Autoverkehr versenken, die „auch für den Radverkehr“ sind. Aber wer um die Tiefenschärfe grüner Verkehrspolitik in Dortmund weiß, macht sich da keine Hoffnungen und in den Dezernatsbüros lehnt man sich wieder zurück, weil man das Thema „Förderung des Radverkehrs“ erst einmal erledigt hat.

Während die Stadt vermutlich bald Geld in die nächste sinnlose App versenkt (alle etablierten Navi-Apps sind nicht nur auf eine Stadt beschränkt und es gibt bereits eine große Auswahl, der Nutzen liegt allein darin, „Wir haben doch was getan“ sagen zu können) nach einer auf Dortmund beschränkten Rad-Navi-App, können 14 % der Bevölkerung ihren Zahlungsverpflichtungen nicht oder nur zeitversetzt nachkommen können, berichten die RN in der Mittwochs-Ausgabe. Aber dann kann man demnächst smarter zur Schuldnerberatung fahren, falls man sich Rad und Smartphone leisten kann.

Update 14.05.2021

Der VCD Dortmund-Unna hält genauso viel davon. Es sei ein Marketing-Gag, der der Verkehrssicherheit gefährdet.

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

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