5 nach 12: „Klimanotstand“ erfordert Handeln in der Grünen Hauptstadt
Pressemitteilung des Runden Umwelttisches Essen (RUTE)
An sich braucht der weltweite Klimanotstand nicht mehr ausgerufen zu werden. Er ist längst eingetreten – und das mit aller Wucht. Der RundeUmweltTischEssen (RUTE) zeigt sich erschüttert, dass bei der Mehrheit im Rats‐Ausschuss für Umwelt, Verbraucherschutz und Grün&GRUGA (AUVG) diese Erkenntnis offensichtlich noch nicht angekommen ist.
Dabei machen die Anhäufung von klimabedingten Katastrophen wie das rasante Auftauen des Permafrostbodens in Kanada, Russland und den Alpen, die Waldbrände in Mecklenburg‐Vorpommern und die Berichte von Land‐ und Forstwirten über Wassermangel nicht nur an Essens Straßenbäumen im heißesten Juni aller Zeiten jedem beispielhaft deutlich, dass es in Sachen Klimawandel längst 5 nach 12 geschlagen hat, also sehr wohl eine Notstandssituation erreicht ist.
Der Beitrag der Stadt Essen zum Pariser Klima‐Abkommen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, ist bisher viel zu gering. Ausbleibende dringend notwendige Entscheidungen im Verkehrssektor, in der Freiflächen‐ und Waldsicherung und der vermeintlich gewinnträchtigen Beteiligung an klimaschädigenden Unternehmen kann sich die Grüne Hauptstadt Essen 2017 nicht leisten, ohne sich in Brüssel erklären zu müssen und europaweit lächerlich zu machen.
Daher fordert der RundeUmweltTischEssen (RUTE) den Rat der Stadt auf, Metropolen wie London oder New York, aber auch den Nachbarstädten Bottrop, Gelsenkirchen und Bochum zu folgen, den Klimanotstand für alle Ratsentscheidungen sowie Aktivitäten städtischer Tochterunternehmen auszurufen und dies mit klimarelevantem Leben zu füllen.
Wie seinerzeit bei der Haushaltskonsolidierung erfordert dies einen Paradigmenwechsel: Vom beliebig wirkenden Wachstumsmanagement mit all seinen fatalen lokalen, regionalen wie weltweiten klimatischen Folgen hin zu einer Stadtpolitik, die ihr gesamtes Handeln auf den damit verbundenen CO2‐Ausstoß überprüft ‐ und dies als Pflichtaufgabe für alle Ämter und Dezernate!
Zwei konkrete Beispiele dazu:
Mobilität: Aus der soeben veröffentlichten Mobilitätsbefragung geht hervor: Statt sich dem 4×25%‐Ziel der Grünen Hauptstadt in der Aufteilung von Fußgängern, Radfahrern, ÖPNV und Autoverkehr bis zum Jahr 2035 mit Schwung anzunähern, dümpeln Radverkehr bei 7% und der ÖPNV bei 19% dahin; die Fortbewegung von Fußgängern nimmt sogar von 22 auf 19% ab, wohingegen der Anteil des Autoverkehrs von 54 auf 55% gestiegen ist! Die bisherige Verkehrspolitik kann also nur als gescheitert bezeichnet werden. Jetzt sind nicht nur aus klimapolitischer Sicht vollkommen andere, visionäre Entscheidungen gefragt! Modernes Mobilitätsmanagement erfordert prinzipiell eine Neuaufteilung des Straßenraums zugunsten nachhaltiger Verkehrsmittel wie ÖPNV, Rad und Fußgänger. So geht der Ansatz, eine Umweltspur einzurichten, zwar in die richtige Richtung. Sinn macht dies jedoch nur auf dem kompletten Innenstadtring und allen größeren Radialstraßen. Auch Planungs‐ und Personal‐Entscheidungen brauchen neue Orientierungsvorgaben. Mehr Stellen für die Radverkehrsplanung sind genauso unabdingbar wie wie die sofortige Weiterführung des Radschnellweges Ruhr (RS1) nach Osten auf dem bestehenden Bahndamm!
Nachhaltiges Bauen: Unabhängig davon, wie viel Wohnraum nun tatsächlich gebraucht wird: Aktuelle Mindeststandards für Wohnbauten sind für den Klimaschutz nicht ausreichend. Neue Bebauungspläne müssen ausnahmslos im Passivhausstandard und als Autofreie Siedlungen ausgewiesen werden. Dachbegrünung und Anlage/Erhalt von begrünten Vorgärten werden dabei zur Pflicht und deren Umsetzung streng kontrolliert.
„Wir brauchen keine weiteren Prüfaufträge und Fortschrittsberichte, wie sie Anträge für die kommende Ratssitzung am 10. Juli vorsehen, sondern sofort wirksam werdende Entscheidungen! Die Anerkennung des „Klimanotstandes“ auch in Essen durch den Rat der Stadt hält diese Verpflichtung in Erinnerung!“ so das Moderatorenteam Georg Nesselhauf, Dr. Dieter Küpper, Dr. Martin Arnold und die am RUTE mitarbeitenden Gruppen.
Eine weitere offene, d.h. weiter ergänzbare Liste mit Forderungen und Beispielen ist einzusehen auf www.umwelttisch.de.
Hilft es dem Klima, wenn ausgerechnet energieintensive bauliche Maßnahmen gefordert werden? Besser wäre es angesichts der s. g. Grauen Energie sicherlich, die vorhandenen Gebäude besser zu nutzen, d. h. auf weniger qm zu wohnen.
Wäre der Adressat bzgl, autofreier Wohnquartiere nicht eher der Bund? Der müsste schließlich die rechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung davon in B-Plänen ermöglichen und definieren, was das genau ist und was angesichts des hohen Schutzes des Wohnens im GG (Art. 13) passiert, wenn ein Bewohner doch ein Auto kauft. Wenn derjenige auch noch Eigentümer ist (Art. 14), wird das noch schwieriger. Oder meint autofreies Wohnen doch nur, dass man vor der eigene Tür keinen Autoverkehr will? Dürfen in rechtlich so festgelegten Baugebieten auch Bagger zum Bauen fahren oder Rettungswagen?
Welche Straftaten sind eigentlich im Falle eines Klimanotstandes nicht strafbar, um im Sinne von § 34 StGB eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut von sich oder einem anderen abzuwenden?