Das war 2020: Verkehrswende light
Spätestens dieses Jahr wurde die Rede von der Verkehrswende zum politischen Allgemeinplatz, bleibt aber weitesgehend unverknüpft zu anderen politischen Themen. Sebastian Norck weißt darauf hin, dass die Debatte weit genug geht und verknüpft dass Thema darüber mit der Wachstumsfrage.
Neben der Einführung neuer Techniken hängt das Gelingen einer nachhaltigkeitsorientierten Verkehrswende wesentlich von der zielgerichteten, vollständigen oder zumindest graduellen Abschaffung nicht nachhaltiger Verkehrsstrukturen ab. Dieser Prozess wird Exnovation genannt und sorgt dafür, dass alte Strukturen verworfen und nicht einfach durch neuere, wenn auch weniger energie- und emissionsintensive, ergänzt oder bestenfalls ersetzt werden. […] Im Falle der Verkehrswende bedeutet dies vor allem den Abschied von Verbrennungsmotor und motorisiertem Individualverkehr.
(Norck 2020: 73 f.)
Daraus ergeben sich wirtschaftsstrukturelle und damit auch in bestimmten Regionen regionalpolitische Implikationen. Aber es gibt auch Folgen auf der Ebene der materiellen Infrastruktur.
Somit sind die Verbindungen zwischen der Verkehrswende und weiterreichenden Fragen einer Wachstumswende an vielen Punkten offensichtlich. Der Erfolg der Verkehrswende ist keine Frage von moralischen Appellen. Die Änderung der Regeln ist der entscheidende Hebel. Das Auto hat seine Privilegien ja nur deshalb erhalten, weil es ein Versprechen auf persönlichen Aufstieg, gemeinschaftliches Fortkommen und eine gesellschaftliche Prosperität verkörperte.
(Norck 2020: 74)
Die Verkehrswende ist also nicht allein eine Frage bautechnischer und fahrzeugtechnischer, sondern eingebettet in politische und gesellschaftliche Fragen.
Gerne wird dann von den kommunalen Behörden Handeln erwartet.
Sie haben, selbst wenn sie den politischen Auftrag erhalten, nicht die Macht, die Ursachen für die steigenden Zulassungszahlen zu beseitigen und entsprechende Maßnahmen zur Eindämmung durchzusetzen. Und im Wissen um diese strukturellen Beschränkungen werden Maßnahmen zur Eindämmung der Fahrzeugflut gar nicht erst begonnen.
(Canzler/Knie 2020: 50)
Nachtrag 31.12.2020
Nachdem Deutschland beim Klimaschutz außer heiße Luft – sowohl im wörtlichen als auch übertragenen Sinne – nicht viel produziert hat, will nun ausgerechnet die CSU-Bundestagsfraktion, dass Deutschland Vorreiter wird. Und die Lösung hat die CSU auch schon parat: Deutschland soll 5 Prozentpunkte mehr einsparen soll als es die EU will im Vergleich zu 1990. Wenn mich nicht alles trügt, dürfte Deutschland da im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedern bestimmt deutlich mehr produziert haben, kommt also am Ende womöglich auf einem höheren absoluten Level raus als diejenigen, die prozentual weniger sparen.
Das die Union erst lange verharrt und dann auf einmal verbal die Grünen überholt, um weiter zu machen wie bisher, kennen wir aus Dortmund. Bei der CSU im Bundestag findet sich die Forderung im Papier „Wachstumsagenda für Jobs und Wirtschaft in Deutschland“. Dabei sollen Maßnahmen ergriffen werden, die nachweislich Ökonomie und Ökologie vereinen, berichtet Zeit Online. Da findet sich der Klimaschutz nicht als Anfrage an die Wachstumsideologie, sondern wird einbezogen und findet sich zwischen Senkung der Unternehmenssteuern und der sozialpolitisch fragwürdigen Anhebung der Minijob-Grenze auf 600 Euro. Und wie soll Klimaschutz nun funktionieren? Mit 10 Milliarden sollen Batteriezellenforschung und -produktion gefördert werden und jeder soll bundesweit innerhalb von zehn Minuten E-Schellladesäulen erreichen.
Quellen:
Canzler, Weert; Knie, Andreas (2020): Zwangsverkehr abschaffen. Corona-Lehren für die Mobilitätswende. In: Politische Ökologie (1), S. 46–51.
Norck, Sebastian (2020): Bewusster Abschied vom Alten. Innovation und Exnovation im Mobilitätssektor. In: Politische Ökologie (1), S. 72–77.