CDU Dortmund will keine emissionsfreie Innenstadt [mit Ergänzung]
Die Dortmunder CDU Ratsfraktion wird von Männern dominiert, die dieses Jahr einen Geburtstag im 6. oder 7. Lebensjahrzehnt haben, wie eine Auswertung von VeloCityRuhr.Net zeigt. Mindestens 50 % der Fraktionsmitglieder fallen in diese Kategorie – fünf geben auf der Seite der Fraktion ihr Geburtsdatum nicht an. Bezieht man auch die Frauen im gleichen Alter mit ein, bestimmen zu mindestens 65% Menschen die Politik der Fraktion, die zwischen 1948 und 1967 geboren wurden und damit in Zeiten der Autoeuphorie groß geworden sind. Wie prägend der Zeitgeist in der Adoleszenzphase war, sieht man in den Positionen der Fraktion. So meint Verkehr für die CDU-Fraktion Autoverkehr, der Freie Fahrt haben soll und nicht durch Rad- und Fußirgendwas behindert werden soll. Im Rahmen der Diskussion zum B1-Umbau heißt es so z. B.:
Klar ist für uns dabei, dass wir verkehrsbehindernde Lösungen wie neue Fußgänger-Überwege mit weiteren Ampeln oder eine Verengung der Fahrbahnen der B1 nicht unterstützen.
Dass jede Ampel die B 1 für den Durchgangsverkehr unattraktiver machen würde, wird wohl nicht in Betracht gezogen. Die offensichtlichen Probleme will man auch nicht angehen und hält lieber an weichen Maßnahmen fest, deren Wirkungslosigkeit sich täglich zeigt, wie sich an der Position zu Fahrverboten zeigt.
Wir halten nichts von reflexartiger und kurzsichtiger Verbotspolitik, die über die schon heute bestehenden Möglichkeiten – wie zum Beispiel die Einrichtung von Umweltzonen – hinausgeht.
Im Jahre 2011 hatte die Fraktion Umweltzonen noch als unnütz kritisiert. Nach der Umweltzone, mit der man dann ein paar Jahre später wohl doch leben kann, droht nun die nächste Bedrohung am Horizont. Die Verwaltung arbeitet an einer Bewerbung zum Förderprogramm der Emissionsfreien Innenstadt, was die CDU als Autofreie Innenstadt übersetzt, obwohl die Grünen doch längst mit der Förderung des E-Autos eine Idee haben, wie man das System nachhaltiger, d. h. systemerhaltend gestalten kann, ohne die meisten Probleme zu lösen, die damit zusammenhängen. In einer Pressemitteilung äußert sich die Fraktion zu der Bewerbung, die durch die traditionell autofreundliche Stadtverwaltung bearbeitet wird.
„Aus Sicht der CDU-Ratsfraktion ist es zwar durchaus sinnvoll, über alternative Verkehrskonzepte nachzudenken und diese gegebenenfalls auch zu fördern. Allerdings darf es in diesen Prozessen nicht dazu kommen, dass Autofahrer grundsätzlich verteufelt werden und der ewige Sündenbock für eine verfehlte Umweltpolitik sind“ bewertet der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Uwe Waßmann die beabsichtigte Bewerbung der Stadt Dortmund um das Landesförderprogramm „Emissionsfreie Innenstadt“.
Ebenso muss aus Sicht der CDU jedes Risiko ausgeschlossen werden, Dortmund sowohl als Einkaufsstadt, als auch als wichtigen Verkehrsknotenpunkt zu beschädigen. „Eine solches Programm, das klar die Handschrift des grünen Umweltministers trägt, könnte nicht ohne gravierende Eingriffe für den Autoverkehr durchgezogen werden“ sagt Waßmann weiter.
Die CDU warnt davor, jetzt im Rahmen des Landtagswahlkampfes die Bekämpfung des Autoverkehrs durch Förderprogramme anzufüttern, ohne ggf. ökonomischen und auch ökologischen Schaden an anderer Stelle anzurichten. „Es kann z.B. nicht im Interesse des Einzelhandels sein, die Erreichbarkeit der Dortmunder City mit dem Auto zu verbieten bzw. auszuschließen. Uns fehlen in diesem Thema abgestimmte Konzepte, die das eigentliche Problem der Umweltverträglichkeit von Autos thematisieren. Das sind z.B. klare Anforderungen an die Autoindustrie, alle technologischen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit Emissionen vermieden werden. Dieses Förderprogramm doktort wieder mal nur an den Symptomen rum, aber die eigentlichen Ursachen werden nicht bekämpft“ so Waßmann weiter.
Die CDU äußert erneut die klare Forderung, dass es nicht ständig zu einem Überbietungswettbewerb zu Lasten der Autofahrer kommen darf. „In Zeiten, in denen z.B. an Arbeitnehmer hohe Anforderungen an Flexibilität als Pendler gestellt werden, in denen zum Beispiel Dortmund sich als Logistikstandort schmückt oder gerade der City–Einzelhandel auf Besucherströme angewiesen ist, bevor der Onlinehandel ihn endgültig beschädigt, muss es größere und bessere Antworten geben, als grüne Diktate von Verboten. Man muss dieses Programm auch im Kontext der Ankündigung des grünen Umweltministers Remmel sehen, der sich erst vor kurzem für Fahrverbote in Städten ausgesprochen hat. Die CDU sieht hier die Gefahr, dass gegenläufige Interessen gegeneinander ausgespielt werden, zum Beispiel ökonomische Interessen versus Ökologie. Die Maßnahmen, mit dem die Stadt in die Bewerbung eintreten will, dürfen nicht zum Fluch einer vermeintlich guten Tat werden. Wir werden uns in den anstehenden Beratungen, wenn eine Vorlage der Verwaltung vorliegt, sehr dafür einsetzen, dass Schaden von der Stadt ferngehalten wird“ sagt Waßmann abschließend.
Die Meldung enthält einige interessante Aussagen und lässt interessante Punkte offen. Im Vorfeld der Berichterstattung haben wir die CDU-Fraktion um Stellungnahme zu folgenden Fragen gebeten:
- Wo und durch wen wird der Autoverkehr in Dortmund verteufelt? Hat die Verteufelung bereits sichtbare Spuren in Dortmund hinterlassen und wenn ja wo?
- Über welche alternativen Verkehrskonzepte lohnt es sich aus Ihrer Sicht nachzudenken?
- Was sind die eigentlichen Fehler der Umweltpolitik, wenn diese nicht im Bereich Auto liegen?
- Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die Landesregierung um die von Ihnen gefordert Anforderungen an die Autoindustrie durchzusetzen?
- Auch energieeffizientere Autos verbrauchen weiterhin die gleiche Fläche. Wie möchten Sie dieses Problem lösen?
- Sie sprechen von einem „Überbietungswettbewerb zu Lasten der Autofahrer“. Können Sie das näher spezifizieren in Bezug auf Dortmund und die umliegenden Städte, was Sie damit genau meinen?
- Dortmund hat wie viele Großstädte ein Problem mit Luftschadstoffen. Glauben Sie, dass man das allein durch energieeffizientere Fahrzeuge in den Griff bekommt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Fahrzeuggrößen weiter steigen und so effektiv pro km eher mehr als weniger Sprit verbraucht wird?
- Mir wird nicht klar, ob Sie ökonomische und ökologische Belange nun als Gegensätze sehen oder nicht. Wenn Sie diese nicht als Gegensätze sehen, wie wollen Sie diese in Einklang bringen? Wenn Sie als Gegensätze sehen, warum halten sie diese nicht für vereinbar?
Eine Antwort liegt bisher nicht vor.
Ergänzung 20. 05. 2017 15:30
Auch im Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung und Wohnen hat sich Ratsmitglied Waßmann geäußert.
Man sehe diese Angelegenheit als eine Maßnahme an, die erneut zu Lasten des Autoverkehrs gehe. Die Begründung hierzu habe man in anderen Zusammenhängen schon öfter bekannt gegeben. Wenn man sich den zusammengetragenen Maßnahmenkatalog genauer anschaue, sei es so, dass die wesentlichen Punkte diejenigen seien, die es dem Autoverkehr zukünftig schwerer machen sollen, sich in Dortmund zu bewegen oder aufzuhalten. Dies sei an dieser Stelle nicht ausgewogen, weil kein Ansatz erkennbar sei, mit dem auch der Autoverkehr positiv angesprochen werde. Man könne nicht davon ausgehen, dass der Autoverkehr komplett wegbrechen werde. Es sei eine Utopie, wenn man glaube, dass man die Innenstadt zukünftig ausschließlich mit “ Lieferfahrrädern“ bestücken könne. Außerdem sei es auch nicht sachgerecht, wenn man in einer „Einkaufsstadt“ Parkräume reduziere. Man habe als „Oberzentrum“ eine Funktion, die der Stadt auch sehr viel Nutzen und Ertrag bringe. Dieser Funktion solle man auch gerecht werden. Es werde nicht ausreichen, hier nur dem Fahrradverkehr den Vorrang zu geben. Seine Fraktion sei damit nicht glücklich und könne sich somit nicht dazu durchringen, diesem Programm und der Bewerbung beizutreten. Daher werde man die Vorlage heute ablehnen, wobei er betone, dass es sich hierbei nicht um ein grundsätzliches Petitum gegen Fahrradverkehr oder gegen Fußgänger handele
Überraschend deutlich wird in dem Statement, dass es nicht um Personen und deren Mobilitätsbedürfnisse geht, die möglichst ökologisch, ökonomisch und zeiteffizient abgewickelt werden sollen, sondern dass es um den Autoverkehr als Selbstzweck geht. Auch wenn wir nicht mit einer Antwort rechnen, haben wie erneut Rückfragen gestellt, um sachlich über die Vorstellungen der CDU Ratsfraktion zum Thema Radverkehr berichten zu können und wie die Leerstellen in deren Äußerungen inhaltlich zu füllen sind.
- Verstehe ich ihr Statement dahin gehend richtig, dass Sie die Förderung des Radverkehrs deshalb ablehnen, weil man nicht alles mit dem Fahrrad machen kann und das Sie demzufolge keinen Vorteil darin sehen, wenn es teilweise zu einer Verlagerung kommt?
- Laut Protokoll haben Sie gesagt: „Man sehe diese Angelegenheit als eine Maßnahme an, die erneut zu Lasten des Autoverkehrs gehe. Die Begründung hierzu habe man in anderen Zusammenhängen schon öfter bekannt gegeben.“
Können Sie benennen, auf welche Maßnahmen Sie sich beziehen, die zu Lasten des Autoverkehrs gegangen sind in Dortmund? - Weiter sagten Sie: „Daher werde man die Vorlage heute ablehnen, wobei er betone, dass es sich hierbei nicht um ein grundsätzliches Petitum gegen Fahrradverkehr oder gegen Fußgänger handele.“
Können Sie benennen, was Sie für den Rad- und Fußverkehr tun wollen und wo und wie das gelingen soll ohne über den Autoverkehr zu reden? - Z. B. die Anwohner*innen an der B1 beklagen den vielen Autoverkehr. Wer die Medienberichterstattung aufmerksam verfolgt, kann feststellen, dass immer mehr Dortmunder damit unzufrieden sind, dass dar Autoverkehr das Stadtbild so dominiert. Vertreten Sie auch denen gegenüber die Ansicht, dass beim Autoverkehr alles möglichst bleiben soll wie es ist?
Ergänzung 20. 05. 2017 16:10
Die CVP in Basel ist da weiter als ihr Gegenstück in Dortmund. Dort gibt es erste Abgeordnete, die sich öffentlich für den Veloring als Projekt zur Förderung des Radverkehrs aussprechen, berichtet die BZ Basel Online.
Die Parteiversammlung hat mit einer Zweidrittelmehrheit entschieden, dass die CVP die Nein-Parole zum Veloring herausgibt. Doch das passt nicht allen Grossräten. Insbesondere Helen Schai und Christian Griss treten nach wie vor mit ihrem Namen beim Ja-Komitee in Erscheinung. […] Die Fraktion im Grossen Rat hatte sich ursprünglich für ein Ja entschieden. Und ein Ja werden auch andere Grossräte in die Urne legen, die sich derzeit aber nicht für den Veloring einsetzen. Aber im Gegensatz zu Griss und Schai wollen Sie dies nicht öffentlich machen. […] Die Parteiversammlung habe das Kosten-Nutzen-Verhältnis als ungünstig erachtet und deshalb anders entschieden als die Fraktion. Das ändere aber nichts an seiner Meinung. Und auch nicht an der Tatsache, dass er bereits Ja gestimmt habe.