Zur Einordnung: Schulstraßen-Erlass
Schulstraßen sind gerade hoch im Kurs in der Politik. Selbst die Dortmunder CDU-Fraktion feiert Schulstraßen ab in einer Pressemitteilung.
Früh haben wir uns für die Erprobung von Schulstraßen eingesetzt, um das allmorgendliche Verkehrschaos durch Elterntaxis zu ordnen und die Schulwegsicherheit zu verbessern. Unter der CDU-geführten Landesregierung hat NRW als erstes Bundesland im vergangenen Jahr per Erlass die Möglichkeit geschaffen, während der Bring- und Holzeiten an Schulen durch vorübergehende Sperrungen für den Kfz-Verkehr Schulstraßen einzurichten. Uns liegt nun ein erster Evaluationsbericht der Verwaltung vor. Nach einjähriger Versuchsphase an vier Schulstandorten fällt das Fazit sehr positiv aus. Auf der Grundlage von zwei Masterarbeiten und der gesammelten Erfahrungen im Alltag hat die Verwaltung einen Kriterienkatalog für die Einrichtung weiterer Schulstraßen entwickelt.
Vermutlich bezieht sich die CDU-Fraktion auf einen veröffentlichen Auszug aus dem Protokoll der Verkehrsingenieursbesprechung des Landes NRW der deutschlandweit als leuchtendes Beispiel aufgegriffen wird. So richtig damit befasst hat sich aber scheinbar keiner damit.
Was ein Erlass genau ist, ist nirgends definiert. Gemeint sind damit wohl in der Regel Vorschriften für nachgeordnete Verwaltungen, also Verwaltungsvorschriften. Deswegen ist es sachgerechter, diese auch entsprechend so zu benennen und mit Erlass den Vorgang des formalen Übergang zur Rechtskraft zu bezeichnen, z. B: „Erlass eines Gesetzes.“ Aber da das alles nicht gesetzlich geregelt ist, kann die Behörde das Schreiben auch Richtlinie oder sonstwie nennen oder auf jeden Gattungsbegriff verzichten. Die rechtliche Bedeutung muss man daher meist aus dem Inhalt heraus bestimmen.
Ein Protokoll als Textgattung gibt hingegen die Ergebnisse einer Besprechung wieder und manchmal auch den Verlauf der Diskussion. Ein Protokoll kann dem Wesen nach nur in den Teilen überhaupt Erlass werden, wenn dort Vorgaben für nachgeordnete Behörden festgelegt wurden. Dafür müsste es den betroffenen Behörden entsprechen noch bekannt gemacht werden, damit diese Verbindlichkeit erhalten.
Diese VIB-Protokolle sind weder ganz noch teilweise Erlass. Nach dem nordrhein-westfälischen Sprachgebrauch haben diese Protokolle aber Erlasscharakter. Was auch immer das rechtlich genau bedeuten mag.
Diese Frage kann hier offen bleiben, denn bei Lektüre des ganzen Protokollauszuges wird klar, dass allein die Rechtslage besprochen wurde und darüber hinaus gar keine spezifischen Regelungen für NRW getroffen wurden. Die Formulierung
Im Hinblick auf eine rechtssichere Anordnung empfiehlt das MUNV die nachfolgend beschriebene Vorgehensweise.
wird sogar explizit zu Ausdruck gebracht, dass hier keine Vorgaben getroffen werden. Selbst wenn auf diesem Wege Vorgaben getroffen würden, könnte damit kein neues Recht geschaffen werden, sondern nur den Vollzug bestehendes Rechts gesteuert werden. Das gilt erst Recht für Bundesrecht (StVO).
In dem „Erlass“ genannten Protokollauszug wird also nur die Rechtslage wiedergebeben, die – soweit es Landesrecht ist – in den Ländern nicht völlig unterschiedlich ist. Schulstraßen sind somit auch ohne diesen „Erlass“ möglich, denn dabei handelt es sich um einen planerischen Begriff und weder um einen straßenrechtlichen, noch um einen straßenverkehrsrechtlichen Begriff. Vor allem gibt es nicht die Schulstraße. Der „Erlass“ zeigt auf, welchen Möglichkeiten es gibt. Das kann man als Stadt zielführend weiter konkretisieren durch Kriterien, wie dem Vorhandensein von alternativen Park- und Haltmöglichkeiten für die Eltern. Schließlich verlagert man ansonsten das Problem nur oder macht es noch schlimmer. Das sich die CDU-Fraktion mit all dem nicht auseinander gesetzt hat, zeigt sich daran, dass sie möglichst viele Schulstraßen ohne große Prüfungen fordert und glaubt, damit seien die Problem gelöst.