taz berechnet Zufallszahlen zur Verkehrswende
Viele Städte befragen gelegentlich ihre Einwohner zum Verkehrsverhalten. Die methodischen Vor- und Nachteile sollen und können hier nicht diskutiert werden. Die Befragung lässt den Wirtschaftsverkehr und den Verkehr von Nicht-Einwohnern außen vor. Was sagt also die Befragung der Stadt Hamburg über den gesamten Verkehr? Am Ende so gut wie nichts. Mir ist keine Erhebung bekannt, die die Wege außerhalb der Stadt ausrechnet. Das gleicht sich nicht aus, da ja bekannt ist, dass die Verkehrsmittelwahl der Bevölkerung in ländlichen Regionen anders ist in Städten und dass gerade in großen Städten mehr ein- als ausgependelt wird.
Die taz hat dennoch die Differenz zwischen zwei Untersuchungen als zwei Werte angenommen, die eine lineare Entwicklung des Verkehrsaufkommens in Hamburg beschreiben. Kann man annehmen, aber es gibt keinen plausiblen Grund. Und das auch noch mit Werten, die wenig präzise einen Teil des Verkehrsaufkommens beschreiben. Einfach eine bestimmte Abnahme zu postulieren ist genauso zuverlässig.
Basis der Rechnung ist, dass es 2030 knapp 13 Prozent weniger Autoverkehr in der Stadt geben wird als 2020. Das ist eine Fortschreibung des Trends, wie er in Hamburg bisher verläuft.
Was da genau gerechnet wurde, bleibt unklar. Hat man die Bevölkerungsentwicklung mit berücksichtigt und mit welchem Wert? Modal-Split-Erhebungen zielen auf Wegeanzahlen. Angesichts länger werdender Wegelängen, kann eine geringe Wegeanzahl durch längere Wegestrecken hinsichtlich des Verkehrsaufkommens überkompensiert werden.
Aus diesen Überlegungen wird dann ein Raumpotenzial abgeleitet, für Flächen die anders genutzt werden können. Es geht also noch abenteuerlicher weiter. Es gibt keinen plausiblen Grund, eine direkten, linearen Zusammenhang zwischen Autonutzung und benötigter Parkfläche anzunehmen. Ein Auto braucht die gleiche Fläche, egal wie häufig es genutzt wird. Vielmehr steigt der Bedarf nicht linear, sondern sprunghaft mit einem Fahrzeug mehr (btw. sinkt sprunghaft mit einem weniger). Die PKW-Quote je Einwohner steigt und die Größe der Fahrzeuge auch. Auch das scheint die taz unberücksichtigt zu lassen.
Und was ähnliches gilt auch für Straßen Die erste Fahrspur braucht gleich viel Fläche, ob sie zu 0 % oder 100 % ausgelastet ist. Durch x % weniger Verkehr, kann man sie nicht x % schmaler bauen. Wenn man die Erschließungsstraßen verlässt, die weit unter den theoretischen Kapazitäten sind und zu den Hauptstraßen kommt, spielen dort – vereinfacht gesagt – die höheren Belastungen die entscheidende Rolle. Auch Straßenbahnnetze konzipiert man für die Zeiten hoher Nachfragen und nicht für die Nachfrage am Sonntag Morgen. Die Reduzierung der maximalen Anzahl Umläufe oder Fahrbahnen hängt also mit Schwellenwerten zusammen und erfolgt nicht linear. Man kann weder 10 % eines Umlaufes noch einer Fahrbahn einsparen. Mit 10 % weniger Autofahrten oder 10 % weniger Fahrgästen sinkt die Auslastung, aber dadurch kann man nicht jeden 10 Meter Straße aufgeben oder jede 10 Straßenbahn bleiben im Depot.
Daneben gibt es noch ein Problem: Wenn Fahrbahnen o. ä. nur für eine Verkehrsart ist, spricht die StVO von der Sonderwegen. Für Kfz. gibt es keine Sonderwege (Abschnitt 5 der Anlage 2) mit Ausnahme für Busse – auch nicht auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen. Auch auf Kraftfahrstraßen und Autobahnen gibt es keine Sonderwege. Was ein Sonderweg ist, definiert die StVO nicht. Funktional wird damit eine Verkehrsart vom allgemeinen, gesamten Verkehr abgetrennt. Der Autoverkehr ist nicht absonderungsbedürftig oder -würdig. Kfz-Verkehr ist immer der Normalfall, das Allgemeine. In der Mehrzahl der Straßen gibt es gar keine Aufteilung des Fahrverkehrs (wenn man von radelnden Kindern samt radelnder Begleitungen mal absieht), d. h. entgehen mancher Parolen kann gar nichts umverteilt werden, sondern nur (neu) aufgeteilt werden.
Mir fehlt die Zeit, diese Überlegungen der taz im Detail zu kommentieren und vorstehende Überlegungen im Detail auszuführen. Es sollte aber hoffentlich klar werden, wie absurd der Ansatz methodisch ist und warum auch einfach irgendwelche Zahlen in den Raum stellen kann, Im Artikel der taz sind die Werte am Ende eh egal, stellt man doch eher allgemeine Überlegungen an, was man mit der Fläche machen kann.
Ach ja: Wer wendet, fährt dahin zurück, wo er herkommt. Wer verkehrswendet, ist damit unter aktuellen Bedingungen in Richtung autogerechten Städtebau unterwegs, den man vorgeblich hinter sich lassen will. Manche vorgeblichen Gegner dienen sich zur Zeit ja als Vollender des autozentrierten Städtebaus an ohne es zu wissen oder wahrhaben zu wollen. Der autogerechte Städtebau strebt(e) die Trennung der Verkehrsarten an, damit alle in geschlossenen Systemen dahingleiten können, am besten ohne Kreuzungen. Die technokratischen Ansätze sind von Neuakzentuierungen abgesehen erstaunlich ähnlich und frei von einem Begreifen von Verkehrs als System der sozialen Interaktion etc. Im nächsten Schritt wird bestimmt bald gefordert, Kreuzungen nicht mehr zu schützen (von schützenden Kreuzungen redet man irreführend zum Glück noch nicht), sondern planfrei zu gestalten. Das deutet sich bereits im Hype um den in seiner Singularität angeblich zugleich niederlandtypischen Hovenring an. Dessen Existenzvoraussetzung ist, dass man steigendes Kfz-Aufkommen nicht mehr anders bewältigt bekommen konnte, außer den Radverkehr in die Abgaswolke (und den Lärm) eben dieses Kfz-Verkehrs zu verlagern. Bei dem aus dem gleichen Geist heraus entstanden Fußverkehrsunterführungen ist man in den letzten Jahren deren Dysfunktionalität gewahr geworden. Aber hey, irgendwann funktioniert das sicherlich endlich.