VeloCityRuhr

… und tschüß

Heute vor genau 2,5 Jahren ist hier der erste Artikel von mir erschienen. Das nehme ich zum Anlass, einen Schnitt zu setzen. Zuerst einmal steckt eine Menge Arbeit in den Artikeln. Dabei ist immer fraglich, ob der Aufwand sich lohnt, gerade auch, weil man sich durch eine kritische Berichterstattung nicht gerade Freunde macht. Diese Arbeit kann ich so aus privaten Gründen nicht mehr leisten. Etwas ein bisschen machen ist aber auch nicht mein Ding. Da ich mich davor schon auf adfc-blog.de geäußert habe, sind inzwischen einige Jahre mit unzähligen Artikeln vergangen und irgendwann verfestigt sich die Sichtweise zu sehr und es besteht die Gefahr, dass man an gedanklicher Flexibilität verliert und die Dinge nur noch aus einer Perspektive betrachten kann. Sich in ritualisierter Kritik fest zu fahren, finde ich nicht erstrebenswert. Und jeder hat seine Lieblingsthemen, die die Leserschaft irgendwann kennt und da sich in Städten wie Dortmund im Kern nichts ändert, kann man auch nicht Fortschritte berichten. Daher ist es auch für die Leserschaft an der Zeit Platz zu machen für andere, die andere Themen einbringen und andere Sichtweisen. Gerade weil ich mehr wollte als ein Seite mit privater Meinung einer Person, habe ich immer wieder versucht, andere einzubinden. Inzwischen schreibt ja z. B. Peter regelmäßig hier.

In den letzten Monaten habe ich viel darüber nachgedacht, wie ich den Rollenkonflikt auflösen kann, dass ich einerseits Akteur bin und anderseits journalistisch über den Bereich berichte, in dem ich aktiv bin. Das hat sich so ergeben und hängt damit zusammen, dass VeloCityRuhr über die Vernetzungsplattform hinausgewachsen ist. Damit muss man aber umgehen. Da nun auch noch jemand Rad- und Fußverkehrsbeauftragter der Stadt Dortmund geworden ist, der aus dem Kontext von VeloCityRuhr kommt und zu dem es vielfältige private Bezüge gibt, verkompliziert die Gemengelage noch weiter. Das sind gute Gründe, einen Schritt zurück zu treten und beides erst einmal zu lassen.

Ich habe – von der Anfangszeit hier abgesehen – versucht, soweit man das ehrenamtlich leisten kann, ein journalistisches Angebot zu erstellen. Journalistisch zu berichten heißt, Haltung zu haben und diese transparent zu machen, aber auch verschiedene Seiten zu Wort kommen zu lassen. Gerade die Pressestelle der Stadt Dortmund habe ich damit beschäftigt. An dieser Stelle auch mal öffentlich Danke für die vielen Antworten. Da VeloCityRuhr aber immer mehr selber zum Akteur geworden ist (z. B. sitzt VCR im Beirat Nahmobilität der Stadt Dortmund), hätte eine Seite eines Netzwerkes und eine Seite über den Radverkehr dringend getrennt werden müssen. Dazu fehlten mir die Ressourcen und die Zeit und auch das hätte die Rollenkonflikte nicht wirklich gelöst. Über das Themenfeld journalistisch zu berichten, heißt aber auch, eine kritische Distanz zu bewahren zu den Akteuren und deren Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen zu thematisieren. Alles reflexartig zu beklatschen, was unter dem Label „Radverkehrsförderung“ passiert, ist nicht mein Ding – egal ob es beruflich oder ehrenamtlich geschieht. Man muss an der Stelle ehrlich sagen, dass innerhalb von VeloCityRuhr es grundsätzliche Kritik daran gab, dass ich nicht nur Verwaltungshandeln und Politik hinterfragt habe. Wenn man diesen Ansatz, der sich für mich über die Zeit ergeben hat, zu Ende denkt, müsste man Beobachter und Beoachteter zugleich sein, was nicht geht. Vor dem Hintergrund scheint es mir sinnvoll zu sein, ein, zwei Schritte zurück zu treten und einen Schnitt zu machen und mich neu zu sortieren. Ob ich mich dann nochmal öffentlich hier im Ruhrgebiet in der bisherigen Form äußere, wird sich zeigen. Für die nächste Zeit werde ich mich auf den Nationalen Radverkehrszustand und die Seite zum Gartenstadtradweg konzentrieren.

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar (Testphase) über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

4 Gedanken zu „… und tschüß

  • Lieber Norbert,
    dann auch tschüss von mir. Danke für die viele Arbeit und die interessanten Artikel und Anregungen aus der Fahrrad-Welt.
    Alles Gute weiterhin auf Deinem Weg!

    Antwort
  • MatthiasO

    Lieber Norbert,
    danke für die Arbeit. Die Entscheidung kann ich gut verstehen. Von der Verwaltungsmeinung abweichende und kritische Kommentare sind wichtig und der Daumen gehört in die Wunde – der Weg der Radverkehrsförderung ist offenbar aber noch lang und entsprechend häufig ist Kritik angebracht.

    Verwaltung und Politik sind im Allgemeinen ja nicht für ihre Selbstreflektion, agiles Denken und Agieren bekannt – häufig noch immer leider zu Recht. Noch viel zu häufig versucht man sich und sein Handeln als den einzig gangbaren Weg darzustellen, liefert bzw. kann dafür aber keine stichhaltigen Argumente liefern (außer „zu kompliziert“, „war schon immer so“ = „es ist wie es ist“, „Benachteiligung von Autofahrern“, …). Öffentlich dargestellte Meinungen aber auch schon einfach gehäuft auftretende Mängelmeldungen werden dann schnell ignoriert oder belächelt. Da sind Verwaltungen und Politik nicht anders als Menschen im Allgemeinen: Gewohntes oder „Normales“ ist gewohnt und normal und muss geschützt werden. Mit Normen zu brechen ist anstrengend – insbesondere innerhalb von Hierarchien.

    Wer daran etwas ändern will und sich dabei persönlich engagiert, reibt sich schnell auf. Alltägliche Aufregung ist leider nicht nur anstrengend sondern kann auch belastend werden. Für einen selbst, für das eigene Umfeld und für die Beziehungen zu Mitmenschen, Kollegen und Freunden.

    Und doch sind kritische Stimmen inner- und außerhalb von Verwaltung und Politik wichtig, sonst bleiben viele Probleme unerkannt, Handlungsbedürfnisse werden nicht wahrgenommen und Verhaltensweisen nicht angepasst. Der blinde Fleck und Angst vor Neuem ist bei uns allen immer größer als wir wahrhaben wollen: Politik ist aus Angst vor verstimmter Wählerschaft träge und übersieht dabei sich entwickelnde gesellschaftliche Strömungen einerseits und Zwänge (Schutz der Bevölkerung vor Krankheit durch dreckige Luft, Lärm und Stress, Belange der Stadtentwicklung, Schutz der radfahrenden Bevölkerung vor Unfällen) andererseits. Verwaltungen wiederum berufen sich auf fehlende parlamentarische Aufträge, haben aber gleichzeitig Angst, etwas weiterreichende und umfassende parlamentarische Beschlüsse zur Radverkehrsförderung vorzubereiten – weil solch ein Papier bisher vielleicht noch nicht explizit von der Politik gefordert wurde und vielleicht nur einer einzelnen parlamentarischen Stimme „das Wort reden“ könnte. Kritische Stimmen von außen setzen dann alle unter Druck und können zu Unzufriedenheit führen.

    Letzten Endes brauchen wir aber genau das: Es muss unbequem sein, an Gewohntem festzuhalten. So hart sich das vielleicht anhört: Nur durch Druck entsteht genug Motivation für Veränderungen. So lange wir uns gemütlich zurücklehnen können, tun wir das auch.

    Der Grat zwischen angebrachter und konstruktiver Kritik und letzlich als destruktiv wahrgenommene (!) Kritik mit letzten Endes vielleicht zu vielen (ertragbaren) Spitzen gegen Politik und Verwaltung ist schmal. Dass Du Dich jetzt selbst vor der Falle schützt, auf die falsche Seite des Grates zu treten, kann ich also gut verstehen und nachfühlen. Wahrscheinlich werden wir persönlich engagierte Menschen letzten Endes immer vor genau dieser Frage stehen: Machen wir weiter, reiben uns dabei selbst auf und bringen wir andere gegen uns auf oder stecken wir irgendwann auf, passen uns (wieder) der Masse an oder werden immerhin so zurückhaltend, dass wir zwar (wieder) mit den Mitmenschen klarkommen, gleichzeitig aber weniger bewirken oder suchen wir uns andere Betätigungsfelder oder Aktivitätsformen?

    Alles Gute, wir laufen uns sicherlich noch das ein- oder andere Mal über den Weg!
    Matthias

    Antwort
    • Norbert Paul

      Lieber Matthias,

      danke für den ausführlichen Kommentar. Wir hören ganz sicher von einander. Ich habe ja nicht gesagt, dass ich mich komplett für immer aus allem zurückziehen möchte. :-)

      Verwaltung ist vielfältig und es gibt dort auch die, die was ändern wollen oder unter Veränderungsdruck von außen irgendwann handeln. Aber diese Input von außen muss von vielen kommen und nicht nur von wenigen, die sich irgendwann fest fahren in Forderungen und Positionen.

      Bis die Tage

      Norbert

      Antwort

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