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Doch ein Baustopp? Weiterbau des Radschnellweg Ruhr im Eltingviertel möglicherweise in Essen völlig offen…

Entgegen aller Aussagen aus dem Januar droht in Essen der Stillstand und im schlimmsten Fall eine vollständige Unterbrechung des Radschnellweges. Der zweite plötzliche „Eilantrag“ von SPD und CDU, der heute wieder mal kurzfristig in den Planungsauschuss eingebracht wurde, lässt Schlimmes befürchten. Die schlechteste aller Varianten soll ernsthaft im Hauruckverfahren bevorzugt werden.

Die rauchenden Trümmer des praktischweise im letzten Sommer abgebrannten und stadtbildprägenden Reiterstellwerkes waren wohl ein erstes böses Omen. Damals konnte sich noch niemand vorstellen, dass der ganze Damm und der RS1 an dieser Stelle bedroht wären, jetzt steht es im Zwischen den Zeilen als Option im Beschluss.

Der betroffene Abschnitt ist nur  200m lang und es droht jetzt eine jahrelange Hängepartie, bis hin zum Wegfall des RS1 auf der geplanten Trasse.

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Der  Antrag zum Thema „Machbarkeitsstudie „Eltingviertel/Viehofer Platz“, den SPD und CDU heute um 16.17 Uhr bei der Verwaltung eingespeist haben, beinhaltet sogar einen NICHTBAU des Abschnitte im Eltingviertel.

Die Fraktionen von SPD und CDU beantragen, der Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung beschließt:

Die Verwaltung wird beauftragt, die städtebaulich weitestgehende Variante prioritär zu verfolgen, bei der der komplette Wegfall des ehemaligen Bahndamms realisiert wird.

 Begründung:

Aus den vorgelegten Varianten der Machbarkeitsstudien geht hervor, dass sich die Möglichkeit bietet, den Radschnellweg in einer Symbiose zu einem städtebaulichen und verkehrlichen Highlight des gesamten Ruhrgebietes zu entwickeln, mit dem Fokus auf die Integration von Städtebau und Radverkehr.

Das ist in der sogenannten Machbarkeitsstudie nicht der Fall, der Radverkehr und das bestehende Netz spielen in der Studie überhaupt keine Rolle. Ein Highlight sieht städtebaulich schlicht anders aus. Die Variante 3 wirkt eher wie eine Essener Version von Stuttgart21, wo mittlerweile alle zugeben, dass es nicht um den Zugverkehr geht. Hier versucht man nur direkt den nervigen Radverkehr ganz rauszudrängen, in dem man eine Lösung entwickeln lässt, bei der der Radschnellweg planerisch und im Betrieb unmöglich gemacht wird.

Mit dem Bau des RS1 soll das städtebauliche Zusammenwachsen von Eltingviertel und Innenstadt sowie die sozialräumliche Entwicklung der angrenzenden Quartiere einhergehen. Dies kann nur gelingen, wenn der bestehende Bahndamm vollständig zurückgebaut wird.

Die mir vorliegende und veröffentliche Machbarkeitsstudie (digital/print) beinhaltet KEINE Aussagen und keine Favourisierung zu dem oft beschworenen „Zusammenwachsen“. Ganz im Gegenteil, die Variante 3 hat massive Mängel und verhindert eine qualifizierte Entwicklung der Umgebung. Sie weisst leidglich die höchste „Immobilienrendite“ aus. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, wie man einen Bahndamm städtebaulich einbindet. Zumal die Trennwirkung vom Innenstadtring ausgeht, der die Lebensqualitäten massiv durch Schmutz und Lärm beeinflusst.

Das etwa 4,0 ha große Areal bietet zwischen Viehofer Platz im Süden, der Gladbecker Straße im Westen, der Blumenfeldstraße und Kleine Stoppenberger Straße im Norden und der Schützenbahn im Westen hervorragendes Potenzial zur Quartiersentwicklung. Neben der Schaffung des Radschnellweges kann hier auch Wohnraum in sehr zentraler Lage in Essen geschaffen werden.

Der Entwurf, der dann eine Frischluftscheise und mögliche Fläche zur Stadtkühlung zubaut und damit den Zielen zur Klimanpassung entgegensteht. Zumal der Bereich zukünftig unter der Luftqualität und Hitzeblastung noch stärker leiden wird. Womit der Ausschuss sich dann seinen eigenen Vorgaben und Erkenntnissen auch noch widerspricht. Ausschussmitglieder haben mir auf Anfrage mitgeteilt, dass Ihnen das nichtmal bekannt ist. Und die Betonung liegt wohl auf  „neben“ der Schaffung des Radschnellweges, der weiterhin als lästiges Übel angesehen wird.

Das Beispiel des weggefallenen Bahndammes im Univiertel hat gezeigt, wie die Innenstadt und die Universität zusammengewachsen sind.

Im Univiertel, der „Grünen Mitte“ wurde überhaupt kein Bahndamm in der Form abgetragen, das Areal war mehr oder wenig ebenerdig und nur ein alter breiter Bahnhof mit Gleisen. Ist also was völlig anderes als ein Bahndamm wie im Eltingviertel. Eine bewußte politische Nebelkerze im Antrag um fehlende Qualitäten zu vertuschen.

So sollen auch hier die Essener Innenstadt und das Eltingviertel zusammenwachsen. Dennoch muss das Ziel eine Abwägung zwischen einem planerischen Kostennutzenfaktor auf der einen Seite und die Radfahrerfreundlichkeit auf der anderen Seite sein.

Bedeutet im Umkehrschluss, der Radschnellweg kann ggf. auch VOLLSTÄNDIG  entfallen, wenn kein Investor den RS1 finanziert. Eine fördermittelbasierte Lösung dürfte aufgrund er EU-Beihilferegelungen dann ja fast unmöglich sein. Man wird Danach die Lösung eines Radweges über den Viehhofer Platz vorschlagen, der eine Lose-Lose-Situation für Fußgänger, Rad- und Autofahrer darstellt. Best-Practice in Essen, siehe Karte ganz unten.

Die Verwaltung muss zusammen mit dem Land eine optimale Lösung für den Radverkehr und das Eltingviertel finden.

Gibt es ja bereits in Form einer Machbarkeitsstudie, die Stadt Essen hindert aktuell Straßen.NRW an der Planung und dem Bau des RS1. Ob nach der Landtagswahl dafür dort noch die Ressourcen bereitstehen, ist übrigens auch völlig unklar.

Die große Koalition will  diesen Antrag offensichtlich bereits in der Sitzung am Donnerstag (4.5.2017) durchboxen, obwohl der Tagesordnungspunkt „Eltingviertel/Viehofer Platz“ gar nicht auf der Tagesordnung des ASP am kommenden Donnerstag steht. Mit dem Antrag wird möglicherweise auch die von Grünen und ADFC favorisierte Lösung einer provisorischen Führung des RS1 über den Bahndamm zerschlagen.

Am Ende wird man eine städtebaulich miserable Lösung für den Radverkehr umsetzen und den Radverbänden vorwerfen, sie würden nicht kooperieren. Für alle die sich das nicht vorstellen können, hier eine Karte mit dem Zickzackkurs mit den Ampeln:

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Das „vergiftete Geschenk“ der Intercityroute an Alltagradler, Eltern, Senioren und Kinder, die sich schonmal darauf einrichten können irgendwann nach  2025 auf der Mittelinsel zwischen den Autos über Ampeln zu quälen, da dort die Restflächen sind, die man dem Radverkehr zugesteht.  Wetten?

Wir erleben somit gerade wie einzelne Verwaltungen im Ruhrgebiet mit Kirchturmdenken ein international beachtetes Projekt zerstören und die Grüne Hauptstadt Europas vor die Wand gefahren wird. Es wird also faktisch doch ein Baustopp für die nächsten Jahre, damit irgendwer noch ein Denkmal bekommt. Auf unser aller Kosten, mit der Unterstützung des OB Thomas Kufen, der Stadtspitze und von SPD und CDU. Und bisher wurden die „Märchen“, die man den Radktiven andichteten alle Realität. Ich hoffe dieses Mal unrecht zu haben.

Ich bin persönlich bin nur noch enttäuscht, offensichtlich läuft ein Sabotagewettwerb der Ruhrgebietsstädte dieses Leuchturmprojektes.

Hoffen wir das der Ausschuss irgendwie mit intelligentem denkenden Leben besetzt ist. Aber die Hoffung stirbt ja bekanntlich zuletzt, vorraussichtlich dann Donnerstagnachmittag am 04.05.2017.

Simon Knur

Planer, Falt- und Liegeradfahrer aus dem Sauerland, wegen der Liebe und dem Job im Ruhrgebiet. Seit 2012 bei VCR und beruflich unterwegs zu den Themen Infrastruktur, Abwasser, Klimaschutz und Klimaanpassung. Blogge mit dem lokalen Schwerpunkt Essen, Radschnellweg und Radkultur.

6 Gedanken zu „Doch ein Baustopp? Weiterbau des Radschnellweg Ruhr im Eltingviertel möglicherweise in Essen völlig offen…

  • Danke für die klaren Worte.

    Die Diskussion und der Beitrag zeigen, dass sich die Politik (ich halte das einfach mal so allgemein, positive Gegenbeispiele lassen sich sicher finden) wenig mit allen Rahmenbedingungen auseinandersetzt. Vermutlich sitzen in Umwelt- und Verkehrsausschuss nicht dieselben Personen, Wissen um Klimaanpassungserfordernisse, Hitzeinseln, Stadtklima usw. werden offenbar innerparteilich nicht weitergegeben oder nicht gehört. Möglicherweise sind hier Externe und Verwaltungen aufgerufen, diese Zusammenhänge häufiger zu benennen und damit eine Öffentlichkeit dafür zu schaffen. Der Presse könnten ja auch mal die Modellrechnungen für 2030ff. angereicht (und vernünftig erläutert!) werden, aus denen hervorgeht, dass wir tatsächlich vor einem großen Problem stehen werden, wenn nicht schon jetzt schlau gehandelt wird. Vielleicht wird das bisher einfach zu wenig dramatisiert und zu wissenschaftlich nüchtern rübergebracht. Klimakarten kennt bisher ja wirklich kaum jemand.

    Ein zweiter Punkt ist, dass vermutlich kaum jemand aus der Gruppe, die jetzt über Intercityroute und RS1-Verkomplizierung entscheidet, selber mal auf dem Rad die Intercityroute abgefahren ist. Und zwar auf Zeit, nicht gemütlich als Gruppentour. Toll wäre eine Selbstverpflichtung, dass erst über solche Routen entschieden wird, nachdem die Entscheidungsträger diese Route einmal selber gefahren sind. Beim Neubau von Routen und der damit möglichen Ablehnung des Neubaus müsste die bisherige Verkehrsführung abgeradelt werden. Das wäre dann wirklich bevölkerungsnahe Verkehrspolitik, die mit einem viel sachlicheren und begründeterem Hintergrundwissen bessere Entscheidungen treffen (oder von der Verwaltung einfordern) könnte.

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  • Norbert Paul

    … und mir wurde Schwarzmalerei vorgeworfen, als ich von Anfang an sagte, dass man abwarten soll, was wirklich kommen wird. Und es kommt ja wohl schlimmer als selbst von mir erwartet. Mein Motto „Geklatscht wird nach der Vorstellung“ ist ja offensichtlich genau richtig.

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  • Sue Cloudsdale

    Die 60er haben angerufen. Sie wollen ihr Städtebaukonzept zurück. -_-

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  • Das ist ja enttäuschend. Welche Parteipolitiker der SPD und CDU haben den Antrag eingereicht? Ich würde mich gerne mal bei denen persönlich informieren.

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    • Simon Knur

      Fraktion SPD und CDU gemeinsam… Wer es genau war, keine Ahung. LEserbriefe an die WAZ und an OB Kufen schicken.

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