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Urteile Kreisverkehr

Nicht alles, was nach Kreisverkehr aussieht, ist auch zwingend einer. Das OLG Hamm (Aktenzeichen 9 U 22/16) hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem es um einen Unfall an einer Kreuzung mit Rondell, aber ohne Verkehrszeichen 215 ging.

An besagter Stelle fuhr die Klägerin mit ihrem Fahrrad in das Rondell um auf der gegenüberliegenden Seite weiter zu fahren. Aus ihrer Sicht von Rechts kam nun ein PKW. Es kam zu einem Zusammenstoß. Nach Ansicht des Gerichtes haftet die Radfahrerin zu 60 %. da sie die besonderen Pflichten aus StVO § 8 verletzt habe.

(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht,
1. wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder
2. für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen. […]
(2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass gewartet wird. Es darf nur weitergefahren werden, wenn übersehen werden kann, dass wer die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Kann das nicht übersehen werden, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineingetastet werden, bis die Übersicht gegeben ist. Wer die Vorfahrt hat, darf auch beim Abbiegen in die andere Straße nicht wesentlich durch den Wartepflichtigen behindert werden.

Das Verschätzen einer Wartepflichtigen, gerade wenn sie wie hier den bevorrechtigten Verkehr klar erkennen konnte, geht eindeutig zu ihren Lasten, so das Gericht. Die Mithaftung der Radfahrerin ergibt sich dabei aus StVG § 9

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht.

und BGB § 254

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Für die Haftung der Autofahrerin sind StVG § 7 Abs. 1

Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

und VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt

Bei der Ermittlung der Haftungsquote berücksichtigte das Gericht:

  • den Vorfahrtsverstoß der Radfahrerin
  • die vom Kfz ausgehende Betriebsgefahr
  • den Verstoß gegen die allgemeine Rücksichtnahmepflicht aus § 1 Abs. 2 StVO („Übersehen“ der Radfahrerin durch versäumtes Schauen nach Links)

Zu letzterem stellt das Gericht fest:

Sie war zwar bevorrechtigt, jedoch nicht berechtigt, ihr Vorfahrtsrecht, das für sie erkennbar verletzt wurde, ohne Rücksicht auf die Klägerin durchzusetzen. Ihr Vertrauen darauf, dass ihr Vorfahrtsrecht von der Klägerin beachtet werde, wäre durch einen ausreichenden Blick nach links zerstört worden.

In der Gesamtschau erscheint der Vorfahrtsverstoß dem Gericht der gravierenste Verstoß zu sein.

In einem anderen Fall musste der VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 5 S 2105/16) über die Rechtslage in einem Kreisverkehr mit VZ 215 entscheiden. Der Kläger wollten den Bau eines Kreisverkehrs vor seinem Grundstück verhindern. Sie sahen sich im Kernbereich ihres Anliegerrechts eingeschränkt, weil die Zufahrt zur bzw. die Ausfahrt aus der Garage bzw. den übrigen notwendigen Stellplätzen auf ihrem Grundstück durch den bevorstehenden Umbau in einen Kreisverkehr in wesentlicher Weise erschwert wenn nicht gar verunmöglicht werde, da im Kreisverkehr nur rechts gefahren dürfe. Dazu hält das Gericht als Leitsätze fest:

1. Das durch das Zeichen 215 „Kreisverkehr“ angeordnete Gebot, der vorgeschriebenen Fahrtrichtung im Kreisverkehr rechts zu folgen, gilt nur für den fließenden Verkehr.

2. Wer i. S. des § 10 Abs. 1 StVO rückwärts aus einem Grundstück auf die Straße einfährt, nimmt noch nicht am fließenden Verkehr teil.

Genauso sei das Rückwärtseinparken kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung und man halte auch noch nicht, wenn man vom Rückwärts- zum Vorwärtsverfahren überzugehe.

Merk-Fakten:

  • Erst durch Verkehrszeichen 215 wird aus einem Rondell ein Kreisverkehr. Solange es an einem Rondell keine besondere Vorfahrtregelung z. B. durch Verkehrszeichen 215 gibt, gilt Rechts-vor-Links.
  • Wer sich als Radfahrer*in nicht an Rechts-vor-Links hält, hat im Fall eines Unfalls nicht nur die Schmerzen, sondern trägt die Hauptverantwortung für den Unfall. Entscheidend ist dabei nicht, ob man meint, noch rechtzeitig die Kreuzung gequert zu können, sondern ob man es wirklich schafft.
  • Nicht immer, wenn ein Auto sich rückwärts bewegt, fährt es straßenverkehrsrechtlich rückwärts
  • Wer ein- und ausparkt bzw. aus einem Grundstück kommt, nimmt noch nicht am Verkehr teil.

Norbert Paul

Norbert Paul ist per PGP-Schlüssel erreichbar (Testphase) über die E-Mail-Adresse norbert.paul@velocityruhr.net

Ein Gedanke zu „Urteile Kreisverkehr

  • Gut, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann ist die Dame auf einer „runden Straße“ mit rechts vor links Regelung gefahren und hat diese nicht beachtet.

    Hier muss ich leider sagen sorry, wer sich nicht an die Vorfahrtregeln hält und damit einen Unfall verursacht, muss mit so einer Entscheidung rechnen.
    Ich bin ja klar für „pro Fahrrad“, aber nur weil man Fahrrad fährt ist man nicht über die StVO erhaben.

    Aber der Fall zeigt wieder mal, wie viele nicht mit der recht einfachen Regelung eines Kreisverkehr klar kommen.

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